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  • 18.12.2013 14:23

  • von Dieter Rencken

Caterham-Ingenieur: Reglement 2014 hilft den Großen

John Iley von Caterham spricht über die Herausforderung des neuen technischen Reglement der Formel 1 - Der Einbau das Antriebsstrangs ist die größte Hürde

(Motorsport-Total.com) - Vor der Formel-1-Saison 2014 mussten die Ingenieure der Formel-1-1Teams mehr Hirnschmalz verbraten als in den vergangenen Jahren, denn durch die Einführung des neuen technischen Reglements werden sich die Fahrzeuge des nächsten Jahrgangs deutlich von ihren Vorgängermodellen unterscheiden. Im Interviews mit 'Motorsport-Total.com' spricht John Iley, Performance-Direktor von Caterham, über die Herausforderungen für ihn uns seine Kollegen.

Titel-Bild zur News: John Iley, tony Fernandes

John Iley (hier mit Ex-Teamchef Tony Fernandes) spricht über die neuen Reglen Zoom

Für den Ingenieur stellt vor allem der Einbau der neuen 1,6-Liter-V6-Turbomotoren mit größerem Energierückgewinnungssystem und den entsprechenden Kühlern die größte Herausforderung dar. Die Regeländerungen sieht Iley nicht als Chance für die kleinen Teams, vielmehr spiele man damit den großen Rennställen in die Karten. Außerdem Spricht der Caterham-Mann über die Beziehung seines Teams zu Renault und Red Bull, von denen Caterham Motoren beziehungsweise Kraftübertragung bezieht.

Frage: "Herr Iley, in der nächsten Saison ändern sich die technischen Regeln der Formel 1 in vielen Bereichen. Welche Veränderung ist aus Ihrer Sicht die entschiedenste?"
John Iley: "Der Antriebsstrang ist die offensichtlichste. Die Systeme und die Architektur des Antriebsstrangs in dein Formel-1-Layout zu integrieren, ist eine gewaltige Herausforderung. Eine, die vielleicht einfacher gelingt, wenn man bereits bei einem Motorenhersteller integriert ist. Mir fallen da spontan zwei Teams ein, während es bei einem dritten Team zur Hälfte der Fall ist."

"Diese Beziehung ist sehr wichtig, damit man in diesem Bereich keine Kompromisse eingehen muss. Wenn man sich meinen beruflichen Hintergrund betrachtet, so war ich ursprünglich Aerodynamiker. Aus meiner Sicht sind die Veränderungen der Aerodynamik in Verbindung mit der Architektur und den Anforderungen der Kühlung des neuen Antriebs einschneidend. Alles in allem ist es die größte Regeländerung, seit ich in der Formel 1 arbeite, seit 1997."

Einbau der Systeme entscheidend

"Die entscheidende Frage war in diesem Jahr, wie lange man das bestehende Programm weiterführt, vor allem wenn man um die Meisterschaft kämpft oder ein gewisses Leistungs-Niveau in der laufenden Meisterschaft erreichen möchte, und wann man die Ressourcen auf diese großen Regeländerungen verschiebt. Der Antrieb ist sicherlich die größte Herausforderung, aber gleich darauf folgt der Einbau der Systeme im Zusammenspiel mit den anderen neuen Regeln."

V6-Turbo-Antriebsstrang von Renault

Die neuen Antriebseinheiten sind komplexe technische Systeme Zoom

"Als kleineres oder auf jeden Fall eines der jüngsten Teams der Formel 1 ist die Herausforderung für uns noch größer als für die anderen. Einige Teams an der Spitze habe darüber diskutiert, wann sie die Entwicklung auf 2014 ausrichten sollen. Für uns gab es einen fixen Zeitpunkt, an dem wir das machen mussten, um rechtzeitig ein angemessenes Niveau zu erreichen. Viele Leute sagen, dass 2014 für uns eine große Chance ist. Ich glaube aber, dass damit vor allem Teams mit großen Ressourcen geschützt werden."

Frage: "Das war eine sehr umfangreiche Einleitung, die mich zu verschiedene Fragen führt. Blicken wir zunächst auf den Einbau des Antriebs. Ein 1,6-Liter-V6-Motor ist nur etwa zwei Drittel so groß wie ein 2,4-Liter-V8. Wenn jedoch die verschiedenen Energierückgewinnungssysteme, Batterien und der Turbolader hinzukommen, wird es ein sehr komplexes System. Ich gehe daher davon aus, dass sie wesentlich größer als die V8-Motoren sind. Stimmt das?"
Iley: "Grundsätzlich schon, es hängt aber davon ab, aus welcher Richtung man es betrachtet."

"Der Einbau der Systeme ist schwieriger als der des Verbrennungsmotors an sich." John Iley

"Der Einbau der Systeme ist schwieriger als der des Verbrennungsmotors an sich. Es gibt ERS, MGU-H (Generator für die thermische Energierückgewinnung, Anm. d. Red.), MGU-K (Generator für die kinetische Energierückgewinnung). All dieses Systeme müssen gekühlt werden. Ich bin alt genug, um mich an die erste Turbo-Ära zu erinnern. Damals gab es große Ladeluftkühler und Kühlsysteme an den Autos. Es kommt also darauf an, wie man all diese Systeme integriert. Dabei sprechen wir noch nicht einmal von der Platzierung der Kühler an sich, sondern von all den Arbeiten unter der Verkleidung, all den Kabeln, die verlegt werden müssen."

Zusammenspiel der Komponenten eine Herausforderung

"Denn all diese Systeme müssen miteinander verbunden werden. Ob es nun die Kühlleitungen des Ladeluftkühlers, die Elektronik oder die Hochspannungs-Kabel einiger dieser Systeme sind. Es ist daher sehr schwierig, jedes Einzelteil am gewünschten Platz einzubauen und gleichzeitig alle Ziele zu erreichen. Sobald man ein zusätzliches Kabel oder eine Leitung verlegen muss, wird das Auto schwerer. Es ist ein zweischneidiges Schwert. Die benötigte Benzinmenge ist gesunken, daher ist der Benzintank kleiner, aber diesen Platz benötigt man auch, um alles auf akzeptable Weise einzubauen."

Frage: "Ich schätze, dass das Volumen des Benzintanks um ein Drittel geschrumpft ist, doch diesen Platz haben wahrscheinlich die Batterien eingenommen."
Iley: "Auf jeden Fall. Man möchte den Schwerpunkt des Autos so zentral und tief wie möglich legen. Es ist ein Kampf, wo man diese Teile einbaut und warum. Vielleicht muss man einige Teile auf der 'falsche' Seite des Autos einbauen, weil die Leitungen dort verlaufen. Man muss also ständig solche Kompromisse eingehen und die beste Kombination finden."

"Man muss ständig Kompromisse eingehen und die beste Kombination finden." John Iley

"Und wie immer möchte man bei Regeländerungen so schnell wie möglich weiterentwickeln. Daher möchte man sich beim Design nicht auf eine bestimmte Richtung festlegen. Im schlimmsten Fall kann man ein Bauteil nur auf eine bestimmte Weise im Auto einbauen, und wenn dann die Entwicklung oder der Trend in eine andere Richtung geht, schaut man möglicherweise in die Röhre. Daher ist Flexibilität wichtig. Außerdem möchte man beim ersten Mal die bestmögliche Lösung finden und nicht mehrmals im Jahr umbauen."

Frage: "In der Formel 1 geht es zukünftig um das Management der Energie, sei es nun Energie aus dem Benzin, elektrische Energie oder was auch immer. Wenn wir das Thema elektrische Energie aus der Perspektive der Sicherheit betrachten: Die Energiemenge des ERS steigt gewaltig an. Mussten Sie besonderen Sicherheitsanforderungen Rechnung tragen, die sich auf den Einbau der Systeme auswirken?"
Iley: "Das betrifft sowohl die Elektronik als auch die Mechanik. Einige Bereich, die sich gegenseitig nicht vertragen, wie Wasser und die Elektronik oder Benzin und die Elektronik, werden dicht beieinander eingebaut."

"Man muss daher sehr sorgfältig vorgehen und sicherstellen, dass eine Fehlfunktion kein größeres Problem auslöst. Das muss man beim Einbau beachten. Dabei spielt auch die Hitze eine Rolle, denn man möchte beispielsweise nicht, dass etwas heißes das Benzin erwärmt. Im nächsten Jahr werden vor allem auch die Mechaniker gefragt sein. Denn wenn ein Problem auftaucht, möchte man schnellen Zugriff auf das entsprechende Bauteil haben und nicht erst fünf andere ausbauen. Man muss also sehr viele Aspekte berücksichtigen, wenn man am Ende nicht mit einem schlechten Kompromiss dastehen möchte."

Flexible Lösungen von Motorenpartner Renault

Frage: "Welche Rolle spielte die Nutzerfreundlichkeit?"
Iley: "In einem hohen Maße, aber der Leistungsgedanke der Formel 1 setzt dem Grenzen. Im Laufe der Saison wird es darauf ankommen, wie gut man weiterentwickeln kann, wenn ein bestimmter Problembereich sichtbar wird oder sich ein Trend abzeichnet, dem man folgen möchte. Dann kommt es darauf an, dass man nicht drei oder vier andere Teile verlegen muss, nur weil man ein Teil an anderer Stelle einbauen möchte."

"Im Laufe der Entwicklung könnte sich abzeichnen, dass das System zwar insgesamt gut funktioniert, es aber ein bis zwei Bereiche gibt, mit denen man nicht glücklich ist. Da es ein derart komplexes System ist, muss man aufpassen, dass man keine Kettenreaktion auszulöst. Am Ende verbessert man vielleicht eine Sache, verlegt aber andere Bauteile in problematischere Bereiche, was Hitze, Vibrationen und diese Dinge betrifft. Hinzu kommt, dass wir die perfekte Abstimmung heutzutage nicht mehr auf der Strecke herausfinden können. Wir können nicht hunderte von Kilometer fahren, bis wir alles verstehen."

Frage: "Ihr Motor kommt aus Viry (Viry-Chatilion, Zentrale von Renault Sport), der Rest der Antriebseinheit aber wie bisher von Red Bull. Ist das richtig?"
Iley: "Ja, das ist korrekt."

Caterham-Renault

Caterham bezieht aus 2014 seine Motoren von Renault Zoom

Frage: "Einige andere Teams, die Kunden eines anderen Teams oder eines Motorenherstellers sind, der auch ein eigenes Team besitzt, hatten den Eindruck, dass sie gewissermaßen am Ende der Nahrungskette stehen und die Hersteller die Teile in erster Linie für ihr eigenes Team entwickeln. Bei Neuentwicklungen konnten sie schnell darauf reagieren, weil sie ein großes Team sind. Die Kunden bekamen die Teile später, waren aber aufgrund ihrer Größe nicht in der Lage, entsprechend schnell darauf zu reagieren und wurden somit doppelt bestraft. Hatten Sie auch diesen Eindruck?"

Iley: "Renault war immer bemüht, und die Aufzeichnungen verschiedener Diskussionen mit der FIA belegen das, flexibel auf die Anforderungen ihrer Kunden zu reagieren. Das unterscheidet sie vielleicht von den anderen beiden Motorenlieferanten. Diese scheinen eher den Ansatz zu verfolgen, eine Lösung für alle anzubieten, wohingegen Renault immer bemüht war, flexible Lösungen anzubieten."

"Wenn man sich die Installation des Renault-Motors bei Team A und Team B anschaut, wird die wahrscheinlich unterschiedlicher sein als bei den anderen Herstellern. Obwohl sie eine enge Verbindung zu Red Bull haben, sehen sie sich vor allem als Unterstützer ihrer Kunden. Sie möchten den Leuten eine flexible Auswahl anbieten, damit diese das Beste aus dem machen, was sie bereitstellen."

Wie hässlich werden die Formel-1-Autos des Jahres 2014?

Frage: "Trifft dass auch auf die Kraftübertragung Ihrer Antriebseinheit zu?"
Iley: "Wir haben zwar eine sehr gute Beziehung (zu Red Bull), aber uns wird eine bestimmte Kraftübertragung zur Verfügung gestellt, die wir dann einsetzen."

Frage: "Wie schwierig ist es, diese eingekaufte Kraftübertragung mit dem eigenen Hydraulik- und Elektronik-System zu verbinden, vor allem weil es ja im nächsten Jahr für den Fahrer darauf ankommt, die verschiedenen Energiequellen bestmöglich zu nutzen?"
Iley: "Nicht allzu sehr. Wir arbeiten mit ihnen zusammen, damit alles wie erwartet funktioniert. Es ist eine klassische Beziehung. Beide Parteien möchten nicht enttäuscht sein. Wir wollen beide sicherstellen, dass wir das liefern und erhalten, was wir erwarten."

Frage: "Das Ziel von Caterham muss sein, auf die Plätze acht oder neun (der Konstrukteurswertung) vorzurücken. Einer dieser Plätze wird derzeit von einem anderen Kundenteam Ihres Lieferanten (Toro Rosso) belegt. Sehen sie die Gefahr, dass Ihr Durchbruch daran scheitert, weil Red Bull seine eigenen Interessen schützen möchte?"
Iley: "Das ist generell ein schwieriger Bereich der Formel 1. Wir nutzen in gewissem Maße schon Werkzeuge anderer Teams wie zum Beispiel Windkanäle."


Der neue Renault-Motor für 2014

"Wir hoffen jedoch, dass wir in den Schlüsselbereich weiterhin genug Freiheiten haben. Obwohl sie eine engere Beziehung zu einem unserer Haupt-Wettbewerber haben, hoffen wir, dass wir unabhängig bleiben und uns Schritt für Schritt in andere Bereich der Startaufstellung vorarbeiten können. Wir glauben, dass wir das Zeug dazu haben."

Frage: "Niemand außerhalb der Teams hat bisher ein 2014er-Auto gesehen. Wenn wir die Nase außen vor lassen, die wegen der Regeln hässlich aussehen wird: Ist es wegen des Einbaus der ganzen Systeme überhaupt möglich, ein hübsches Formel-1-Auto zu bauen oder nicht?"
Iley: "Ich möchte jetzt nicht das Klischee erwähnen, nachdem das Auto das schönste ist, welches als erstes die Ziellinie überquert."

"Die Regeln haben uns vor eine klare Herausforderung gestellt. Man wird an den nächstjährigen Autos auf jeden Fall größere Kühler sehen. Wir müssen innerhalb bestimmter Vorgaben die bestmögliche Leistung erzielen. Darum geht es in der Formel 1. Aus technischer Sicht wird es im nächsten Jahr sicherlich einige schöne Lösungen geben, wobei das eher den Einbau des Systeme als die Form der Karosserie betrifft."

"Man wird an den nächstjährigen Autos auf jeden Fall größere Kühler sehen." John Iley

Frage: "Sie sprachen von schönen Lösungen. Bietet das Reglement 2014 überhaupt Raum dafür? Werden wir clevere Lösungen sehen?"
Iley: "Als Ingenieur hoffe ich das. Es wird Raum dafür geben, allerdings sind wir eingeschränkter, wodurch es aus aerodynamischer Sicht schwieriger wird. Aber durch die neuen Antriebe werden wir einige interessante Entwicklungen sehen. Diese Vielfalt wird aber möglicherweise nur von kurzer Dauer sein, wenn sich eine beste Lösung herausstellt."