Button: "Es ist ein Entwicklungsrennen"
Jenson Button sieht trotz dem sensationellen Saisonstart dem Rest der Saison entspannt entgegen - Barcelona kann Aufschluss über Teamhierarchie geben
(Motorsport-Total.com) - Jenson Button hatte einen starken Saisonstart: Vier Rennen, zwei Siege und die Führung in der Weltmeisterschaft. Für Barcelona haben alle Teams Verbesserungen im Köcher. Deshalb ist die Strecke eine Standortbestimmung für den Rest der Saison. Der Weltmeister erklärt im Gespräch seine Sicht über die aktuelle Situation in der Königsklasse.

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Jenson Button führt nach vier Rennen die Weltmeisterschaft an
Frage: "Hast Du dir gedacht, dass Du so einen Saisonstart erleben wirst, als du für McLaren unterschrieben hast?"
Jenson Button: "Ich habe nicht darüber nachgedacht wo ich nach vier Rennen stehen würde. Das war nicht mein Ziel vor dem Saisonstart. Mein Ziel war eigentlich recht offensichtlich: Ich wollte mich bei McLaren eingewöhnen und zu Hause fühlen, mit dem Auto arbeiten und es in meine Richtung bringen, weil jeder etwas anders fährt und einen eigenen Stil hat. Sich an das neue Cockpit zu gewöhnen und zu sehen, wie alles funktioniert, war eben sehr wichtig. Ich kann sagen, dass ich jetzt sehr glücklich bin."#w1#
"Zwei Rennen zu gewinnen und die WM anzuführen ist sehr witzig, aber es kann sich schnell ändern. Das ist der Trend in diesem Jahr. Die Punkteabstände sind so knapp und nach jedem Rennen ändert sich alles. Mein Vorsprung beträgt zehn Punkte, aber nach dem alten System wären es nur vier."
"Als ich die zehn Punkte Vorsprung gesehen habe, war ich sehr aufgeregt, aber ich realisierte dann, dass es eigentlich viel weniger ist, und ärgerte mich etwas. Es ist also nicht ganz so, wie es derzeit aussieht. Aber man muss sagen, dass wir in den ersten vier Rennen nicht das schnellste Auto hatten. Ich würde sagen, dass Red Bull das schnellste Paket hat, obwohl unser Auto speziell im Regen in China schnell war, aber auch in den anderen Rennen."
"Aber über ein gesamtes Wochenende hatten wir bisher nicht das beste Auto, aber wir haben die meisten Punkte geholt. Wir müssen das Fahrzeug jetzt verbessern, um Red Bull herauszufordern. Es kann nicht immer so sein wie jetzt. Wenn man während einer Saison nie auf der Pole Position steht und von dort aus nicht gewinnt, kann man keine Weltmeisterschaft holen."
"Die vergangenen Wochen waren sehr, sehr stressig. Aber ich denke wir haben mit all den neuen Teilen einen guten Job erledigt. Ich weiß aber nicht, ob es genug sein wird, um Red Bull herauszufordern. Ich weiß es wirklich nicht, aber ich hoffe es. Wir gehen am Freitag auf die Strecke, arbeiten mit den neuen Teilen und werden sehen, wie die Balance des Autos ist."
"Es ist nicht so, dass man einfach ein neues Teil an das Auto schraubt und sofort viel schneller ist. Mann muss daran arbeiten und sie richtig in die Abstimmung integrieren. Man hofft natürlich darauf, dass sein eigenes Paket besser ist, als das der Konkurrenz. Ich weiß nicht, ob das der Fall sein wird. Sollte es nicht so sein, müssen wir das Auto für die Zukunft weiterentwickeln."
Frage: "Im Januar hast du gesagt, dass in der Vergangenheit nur wenige Weltmeister ihren Titel verteidigt haben."
Button: Ja das denke ich. Das Team ist nicht nur auf der Ingenieursebene gut, sondern in jedem Aspekt. Mir wurde gesagt, dass nur 30 Prozent aller Sportler nach einem Titelgewinn wieder gewinnen. Einiges kommt vom Selbstvertrauen nach dem Gewinn der Weltmeisterschaft, aber ich bin auch mit der Situation nach vier Rennen zufrieden. Diese zwei Rennen unter schwierigen Bedingungen haben mir wirklich gefallen, da ich diese Konditionen mag. Man wird nie die Bedingungen immer perfekt lesen können, aber wenn man dem Optimum sehr nahe kommt, ist es großartig. Bisher hat es gut funktioniert. Aber es wird sicher Rennen geben, wo ich die Gegebenheiten falsch einschätze."
Kein Druck aufgrund der WM-Führung
Frage: "Du hast im vergangenen Jahr über den Druck der letzten paar Rennen gesprochen und wie sie dich beeinträchtigt haben. Wie unterschiedlich war der Start in diese Saison? Das muss doch das komplette Gegenteil gewesen sein, ohne irgendeinen Druck?"
Button: "Es war hart letztes Jahr. Man liest viele Sachen in der Presse. Es gibt immer positive und negative Kommentare."

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Jenson Button und Lewis Hamilton werden noch oft miteinander kämpfen Zoom
Frage: "Aber Du warst doch eigentlich der Außenseiter."
Button: "Es war unglaublich, dass man die WM gewinnen kann und trotzdem als Außenseiter in ein neues Team wechselt. Es ist aber eine großartige Situation, denn ich bin neu bei McLaren und habe schon zehn Jahre Erfahrung. Ich war vor der Saison sehr entspannt. Es waren bisher großartige vier Monate, aber ich bin noch nicht zu 100 Prozent mit dem Auto verwachsen. Wir arbeiten immer noch an ein paar Dingen, um das Fahrzeug meinem Stil anzupassen. Das dauert etwas, aber wir kommen dem immer näher."
Frage: "Hat sich der Druck für Dich verändert, weil Du die WM anführst?"
Button: "Ich fühle überhaupt keinen Druck. Ich fühle mich großartig. Vergangenes Jahr war es zur Halbzeit sehr hart für mich. Das Auto arbeitete bei kühlen Temperaturen überhaupt nicht. Aufgrund meines Fahrstils hatte ich noch mehr Probleme. Es war eine harte Zeit, aber ich denke, so etwas hilft dir, wenn du in einem neuen Umfeld startest und keinen Komfort mehr genießt. Wenn ich all das berücksichtige bin ich sehr zufrieden damit, wo ich jetzt stehe. Ich weiß aber, dass ich mich nie ausruhen kann. Von jetzt an gibt es nur Vollgas, denn alles kann sich so schnell drehen. Aber bisher hätte ich mir nicht mehr wünschen können."
"Man will immer eine perfekte Saison und ein perfektes Wochenende haben. Das erste Rennen war für mich nicht gut. Es war sehr schwer, deshalb bedauere ich diesen Grand Prix. Wenn man um die WM kämpft hat man nicht nur gute Rennen. Man muss die Schlechten vergessen und sich auf die Guten konzentrieren, vor allem wie man sich vor und nach dem Rennwochenende gefühlt hat. Wenn man dann ins nächste Wochenende startet ist man viel zuversichtlicher und entspannter."
WM-Titel ein realistisches Ziel
Frage: "Hast Du dir nach dem starken Saisonstart neue Ziele gesetzt?"
Button: "Wenn man in einem konkurrenzfähigen Auto sitzt will man um den Titel kämpfen. Das ist das Ziel für uns alle, nicht nur für mich."
Frage: "Ist das ein realistisches Ziel für Dich?'
Button: "Ja, aber darüber zu sprechen und nachzudenken ist nicht so leicht, wie es dann in Wirklichkeit ist. Wir müssen das Auto weiter verbessern, denn ich denke wir sind noch nicht ganz vorne. Ich weiß, dass da noch mehr kommt und wie gut das Team während der Saison entwickeln kann. Von jetzt an ist es ein Entwicklungsrennen. Die Zuverlässigkeit ist sehr wichtig und im Vergleich mit anderen Teams sind wir da sehr gut. Es ist wichtig die richtigen Entscheidungen zu treffen und stetig weiterzuentwickeln.
Es wird weiters wichtig sein, dass man entspannt an die Sache herangeht und sich nicht zu sehr unter Druck setzen lässt. Punkte sammeln ist wie immer entscheidend. Es gibt viele schnelle Autos und einige sehr talentierte Piloten. Konstante Ergebnisse werden am Ende den Unterschied ausmachen. Damit meine ich nicht konstant Siebter oder Achter zu werden, sondern regelmäßig im Spitzenfeld zu sein. Das hört sich nicht sehr aufregend an, aber so ist es eben."
Frage: "Wie siehst Du den Umgang der Fahrer auf der Strecke und wie beurteilst du den Einsatz von Ex-Rennfahrern in der Rennkommmission?"
Button:: "Ich denke wir fahren alle innerhalb der Regeln und wir respektieren uns gegenseitig. Der Umgang war bisher gut, unterhaltsam, aber auch eng am Limit. Die Unterstützung der Ex-Rennfahrer ist eine gute Sache. Hoffentlich hören sie ihnen auch zu, denn ihre Meinung ist natürlich für uns sehr wichtig."
Frage: "Machst Du dir Gedanken darüber, dass Du und Lewis Hamilton euch gegenseitig Punkte wegnehmen werdet?"
Button: "Persönlich hoffe ich, dass Lewis mein größter Rivale in diesem Jahr sein wird. Das wäre perfekt, denn es würde bedeutend, dass wir ein konkurrenzfähiges Auto haben. Ob das der Fall sein wird, weiß ich nicht. Wir werden es sehen. Wir werden uns gegenseitig Punkte wegnehmen, aber das ist auch bei anderen Teams der Fall. Es gibt bekanntlich keine Stallorder."
"Bei Red Bull fahren zwei sehr starke Piloten, wie auch bei Ferrari und Mercedes. Michael Schumacher wird sich verbessern und wir werden bald wieder einen konkurrenzfähigen Michael sehen. Wir sind nicht anders als die übrigen Teams. Sie werden sich genau wie wir gegenseitig Punkte wegnehmen."
Frage: "Was hältst Du von der Idee die Qualifikation in Monaco aufzuteilen?"
Button: "Es ist keine schlechte Idee. 24 Autos gleichzeitig auf der Strecke zu haben ist sehr trickreich. Einige davon sind sechs Sekunden langsamer. Es wird sehr knifflig werden eine gute Runde zusammenzuhängen. Es könnte passieren, dass ein schnelles Auto im ersten Abschnitt hängen bleibt."
Trockenrennen als Gradmesser
Frage: "Was erwartest Du von Barcelona?"
Button: "Es wäre wichtig, dass es trocken bleibt. Sollte es regnen und wir haben ein gutes Rennen wäre es toll, da wir viele Punkte holen könnten. Aber wir müssen wissen, wo wir stehen, auch in Bezug auf die neuen Teile. Es ist ein wichtiges Rennen für uns, wie auch für alle anderen, um zu wissen, wo man im Vergleich mit der Konkurrenz steht."

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In Schanghai jubelte Jenson Button über seinen zweiten Saisonsieg Zoom
Frage: "Gilt das mehr für die Qualifikation oder für das Rennen?"
Button: "Diese Strecke ist hart zu den Reifen, speziell wenn man viel Benzin mitführt. Es ist sehr schwer hier zu Überholen. Ich denke aber nicht, dass es hier nur um das Qualifying geht, denn die Strecke ist so hart zu den Reifen. Wir können also viele wertvolle Informationen gewinnen. Wir wollen natürlich ein gutes Resultat erzielen, aber es ist wichtiger für den Rest der Saison zu wissen, ob wir mit dem Auto in die richtige Richtung entwickeln."
Frage: "Wenn es um die Reifen geht müsstest Du dich eigentlich sehr zuversichtlich fühlen?"
Button: "Ich weiß es nicht, wir werden es sehen. Manchmal ist auch mein Fahrstil sehr hart zu den Reifen. Es kommt darauf an, welcher Reifen gerade montiert ist. Die Trainings am Freitag werden uns mehr Aufschluss geben, aber wir wissen dann immer noch nicht, wo wir im Vergleich zu unserer Konkurrenz stehen. Aber wir wissen, wo wir mit unserem Auto stehen und wo Probleme liegen."
"Es werden also wichtige Tage für uns. Ich denke aber nicht, dass uns das Wochenende Aufschluss darüber gibt, wer bis zum Saisonende vorne sein wird. Aber vom Entwicklungsstandpunkt wird es jedem zeigen, wo er steht. Dieses Wochenende wird die WM nicht entscheiden."

