• 13.01.2009 09:18

Buemi: "Jetzt wird es ernst im Leben"

Toro-Rosso-Neuzugang Sébastien Buemi über den Formel-1-Einstieg, die Erwartungen und die mangelnden Möglichkeiten in der Schweiz

(Motorsport-Total.com) - Mit Sébastien Buemi steht der erste Neuzugang der Formel-1-Saison 2009 fest. Der 20-jährige Schweizer steigt aus dem Red-Bull-Juniorprogramm ins Toro-Rosso-Team auf und will in seinem Debütjahr in die Fußstapfen von Vorgänger Sebastian Vettel treten, der seinen erfolgreichen Weg bei Red Bull fortsetzt. Im Teaminterview erklärte der Neuling, wie er sich den Einstieg in der Königsklasse vorstellt, welche Ergebnisse in der neuen Saison möglich sein werden und wie er sich jetzt fühlt.

Titel-Bild zur News: Sebastien Buemi

Sébastien Buemi hat sein großes Ziel erreicht: 2009 debütiert er in der Formel 1

Frage: "Sébastien, Toro Rosso hat kürzlich deine Verpflichtung für die Saison 2009 bekannt gegeben. Wann hast du den Vertrag unterzeichnet?"
Sébastien Buemi: "Das war am 22. Dezember 2008 im österreichischen Fuschl am See (Red Bull Firmensitz; Anm. d. Red.). Ich hielt mich dort wegen eines Konditions-Checks auf und hoffte darauf, dass sich während meiner dreitägigen Anwesenheit dort irgendetwas tut. Am Montag ließ mich Herr Mateschitz in sein Büro rufen. Er legte mir einen Vertrag vor und bat mich, ihn zu unterschreiben. Es war ein phantastischer Augenblick."#w1#

Vertragsunterschrift bei Chef Dietrich Mateschitz

Frage: "Was ging dir in diesem Moment durch den Kopf?"
Buemi: "Ich dachte, jetzt wird es ernst in deinem Leben. Das bedeutet nicht, ich hätte meine Arbeit bisher nicht mit dem notwendigen Ernst gemacht. Ich möchte es einmal so ausdrücken: Die Formel 1 stellt einen komplett neuen Level dar. Sie ist etwas, auf das ich mich mein ganzes Leben lang vorbereitet habe."

"Und plötzlich, in dem Moment, da man Formel-1-Fahrer wird, scheint all das, was man zuvor getan hat, irgendwie unbedeutend. Ich fühlte, dass ich alle vorherigen Hürden erfolgreich genommen hatte und dass es jetzt an mir liegt, Red Bull zu zeigen, mit dem in mich gesetzten Vertrauen die richtige Entscheidung getroffen zu haben."

"Ich möchte immer einen guten Job machen." Sébastien Buemi

Frage: "Machst du dir wegen der Herausforderung Formel 1 Sorgen? Es erwartet dich wesentlich mehr Druck, als du bisher bewältigen musstest."
Buemi: "Im Motorsport fühlt man vor jeder neuen Saison ein wenig Besorgnis. Ich möchte immer einen guten Job machen. Ich weiß um den Druck, der in der Formel 1 herrscht, der höher als der in der Vergangenheit erlebte ist - aber das gehört halt mit zum Spiel. Druck gab es immer schon, vom Kartsport über die Formel BMW und die Formel 3 bis in die GP2."

"Auf jeden Schritt des langen Weges muss man perfekt vorbereitet sein. Jetzt liegt es an mir, mich auf den ersten Grand Prix in Melbourne perfekt vorzubereiten und dann zu zeigen, was ich leisten kann. Aber man muss auch in den richtigen Rhythmus finden. Das geschieht nicht im Verlauf einiger Rennwochenenden, obwohl Toro Rosso alles tun wird, dass alles so gut wie möglich verläuft.

Selbstvertrauen als Schlüssel zu Erfolgen

Frage: "Im Verlauf deiner bisherigen Karriere hast du dich sich immer in einer Position befunden, Rennen gewinnen zu können. In der Formel 1 wird das mit Sicherheit deutlich schwieriger. Rechnest du damit, dich möglicherweise entmutigt zu fühlen?"
Buemi: "Man muss Realist sein. Man muss Selbstvertrauen haben und sich in die bestmögliche Position bringen. Aber man muss auf dem Teppich bleiben und darf nicht deprimiert sein, falls man die gewünschten Resultate nicht auf Anhieb erzielt. Es wird eine harte Saison. Jeder im Team wird unermüdlich arbeiten, um - in einer Sparte, die die Krönung des Motorsports darstellt - Fortschritte mit dem Auto zu machen."

"In den Nachwuchs-Formeln erzielt man die gewünschten Resultate, falls man einen guten Job macht - in der Formel 1 ist das keineswegs automatisch der Fall. In der Formel 1 zu siegen, ist sehr schwierig, aber das ist Teil des Spiels. Aber man kann sich nicht damit begnügen, den zwölften Platz anzupeilen. Das wäre absurd. Man muss einen hohen Standard Zugrunde legen, ohne das Maß zu verlieren. In meinem ersten Jahr werde ich nicht Weltmeister werden!"

Sébastien Buemi

Debüt im Toro Rosso: Sébastien Buemi startet 2009 für die italienische Truppe Zoom

Frage: "Vermutlich bist du in diesem Jahr der jüngste Fahrer des gesamten Startfeldes. Ist das für dich von Bedeutung?"
Buemi: "Ich war bereits in der GP2 sowie den Formeln BMW und 3 der jüngste Sieger. Das war schön, zählt aber nichts in der Formel 1 - das Alter spielt keine Rolle. Es ist nicht so, dass man mit einem Alter von 20 Jahren nicht genug Erfahrung hat, oder mit 28 zu alt ist. Ich kann gegen 25- oder 40-Jährige antreten - da sehe ich keine Unterschiede. Ich möchte der Schnellste sein, völlig unabhängig von meinem Alter."

Frage: "Jetzt triffst du auf die Hamiltons, Räikkönens und Alonsos. Erschreckt dich das?"
Buemi: "Wenn man sich einen Grand Prix am TV anschaut, dann wünscht man sich, selbst mitzufahren. Manche Fahrer bewundert man. Doch jetzt, wo ich mit dazu gehöre, werde ich all meine Gegner unterschiedslos ansehen. Es wird schwierig, gegen die Top-Jungs zu fighten, aber ich werde mich allen Fahrern gegenüber gleich verhalten."

Das Tempo der Formel 1 aufnehmen

Frage: "Einige Male durftest du bereits ein Formel-1-Auto fahren. Unterscheiden sich diese Autos wirklich so sehr von anderen Rennwagen?"
Buemi: "Ein Formel-1-Auto ist schneller. Die Leistung ist in allen Bereichen besser. Und für den Fahrer ist es schwieriger, ein solches Auto ans Limit zu fahren. Das Schwierigste in diesem Zusammenhang ist die Tatsache, dass man im Cockpit eines Formel-1-Autos mehrere Dinge gleichzeitig tun muss: Man muss per Sprechfunk mit dem Team kommunizieren, muss permanent die Lenkung korrigieren und muss Anweisungen des Teams befolgen - all das, während man beträchtlich schneller als in den anderen Formeln unterwegs ist. Die Formel 1 ist körperlich anspruchsvoller, aber daran gewöhnt man sich Schritt für Schritt. Letztlich muss man dahin kommen, alles instinktiv zu tun."

"Die Schweiz ist kein guter Ort, um eine Karriere als Rennfahrer ins Auge zu fassen." Sébastien Buemi

Frage: "Nach 14 Jahren bist du der erste schweizerische Fahrer in der F1, und im Verlauf der letzten 25 Jahre holte keiner deiner Landsleute WM-Punkte. Weshalb erlebten schweizerische Rennfahrer derart dürre Jahre?"
Buemi: "Die Schweiz ist kein guter Ort, um eine Karriere als Rennfahrer ins Auge zu fassen. Es gibt keine Hilfestellung für Fahrer, keine Infrastruktur, keine Rennstrecken und kein Unterstützungsprogramm. In Frankreich beispielsweise gibt es zahlreiche gut etablierte Rennfahrerschulen, und trotzdem haben die offensichtlich Mühe, Fahrer in die Formel 1 zu bringen. Man kann sich entsprechend gut vorstellen, wie das in einem Land ist, das über nichts verfügt. So hängt letztlich alles vom Individuum ab. Aber das wird sich durch meine Anwesenheit in der Formel 1 ja möglicherweise ändern."

Frage: "In deiner Karriere ging es sehr schnell bergauf. Welches waren die entscheidenden Momente?"
Buemi: "Den ersten großen Schritt stellte der Gewinn der schweizerischen Kart-Meisterschaft dar. Dann folgte 2002 die europäische Kart-Meisterschaft. In dieser Disziplin schlug ich die besten Fahrer. Das war wirklich super. Auch mein erstes Rennen in der Formel BMW war sehr wichtig: Ich wurde knapp Zweiter hinter Sebastian Vettel, was Red Bulls Dr. Marko auf mich aufmerksam machte. Dank dieses Rennens unterschrieb ich einen langfristigen Vertrag mit Red Bull."

"Meinen ersten Formel-3-Sieg empfand ich als großartig, denn ich führte über die komplette Distanz vor Vettel. Gute Erinnerungen habe ich auch an mein erstes GP2-Rennen in Monaco, wo ich mich für die zweite Startreihe qualifizierte, obwohl ich die Rennstrecke zuvor nie gesehen hatte. Dann mein erster Sieg in der GP2 in Magny-Cours, wo ich beim Start auf dem 21. Platz stand. Meinen ersten Formel-1-Test muss ich in diesem Zusammenhang natürlich auch nennen. Das war am 14. Juli 2007 und für mich wirklich etwas ganz Besonderes."

Regeländerungen als Chance für Toro Rosso

Frage: "Toro Rosso ist eins der kleinsten Teams des Startfeldes, was die Anzahl der Mitarbeiter betrifft. Ist das für einen jungen Fahrer positiv oder negativ?"
Buemi: "Toro Rosso ist für den Beginn einer Karriere das ideale Team. Es wurde ja speziell für den Zweck gegründet, um jungen Fahrern in die Formel 1 zu helfen. Sebastian Vettel hat das im Vorjahr bewiesen. Das Team hat viel Potenzial."

Sebastien Buemi

Schneller Aufstieg: Mit gerade einmal 20 Jahren erreichte Buemi die Formel 1 Zoom

Frage: "In diesem Jahr werden signifikante Regeländerungen wirksam. Wirkt sich das auf Toro Rosso möglicherweise gut aus?"
Buemi: "Eventuell ist es eine gute Sache, dass während der Saison nicht getestet wird. Während der Saison wird es weniger Weiterentwicklungen geben. Folglich wird ein Rennwagen, der zu Beginn gut ist, während des ganzen Jahres gut sein. Doch grundsätzlich gilt wie immer, dass die besten Teams immer die besten Teams sind."

Frage: "Bisher wissen wir nicht, wer dein Teamkollege wird. Hast du Präferenzen?"
Buemi: "Absolut nicht. Für mich ist es wichtig, in der Formel 1 zu sein. Für mich ist es nicht von Bedeutung, wer mein Teamkollege ist. Natürlich werde ich ihn schlagen wollen. Ich möchte so konkurrenzfähig wie möglich sein. Vielleicht, falls er über viel Erfahrung verfügt, kann ich ja von ihm lernen und mich schneller entwickeln, indem ich ihn beobachte."

Frage: "Wie lange läuft dein Vertrag?"
Buemi: "Derartige Details sind vertraulich. Sagen wir es einmal so - ich werde in der Saison 2009 fahren."

Teamkollege immer noch offen

Frage: "Was peilst du in dieser Saison an?"
Buemi: "Bevor wir während des Grand Prix von Australien sehen, wo wir alle stehen, ist es schwierig, Ziele zu setzen, denn zu Saisonbeginn gibt es möglicherweise Überraschungen. Das Team wird sich vornehmen, es mindestens so gut wie im Jahr 2008 zu machen, aber das wird schwierig. Ich persönlich möchte zumindest schneller als mein Teamkollege sein."

"Ich habe nicht vor, mich zu ändern." Sébastien Buemi

Frage: "Inwieweit wird sich dein Leben dadurch verändern, dass du in der Formel 1 bist?"
Buemi: "Das weiß ich noch nicht. Frag mich das in ein paar Wochen noch einmal. Ich habe nicht vor, mich zu ändern. Ich möchte so bleiben, wie ich bin. Sicherlich werde ich mehr Interviews geben. Im Übrigen möchte ich meinen Stabilitätslevel beibehalten. Meine Familie hat mich im Verlauf meiner Karriere stets unterstützt, was mir sehr wichtig ist. Vermutlich werde ich deutlich mehr Zeit in Faenza verbringen, um dem Werk des Teams nahe zu sein. Aber ich werde meinen Hauptwohnsitz in Manama (Bahrain) beibehalten."

Frage: "Was planst du, um die Vertragsunterschrift zu feiern?"
Buemi: "Ich würde das gern auf der Rennstrecke feiern, indem ich die bestmöglichen Resultate heimfahre."

Frage: "Wann wirst du wieder hinter dem Lenkrad eines Formel-1-Autos sitzen?"
Buemi: "Anlässlich der Testfahrten auf dem Portimao Circuit an der Algarve in Portugal, die am 19. Januar beginnen."