• 27.03.2010 02:11

  • von Dieter Rencken

Bridgestone: "Wir können nicht viel machen"

Bridgestone-Entwicklungschef Hirohide Hamashima über die Erfahrungen aus dem Bahrain-Rennen und den lauten Ruf nach anderen Reifenmischungen

(Motorsport-Total.com) - Wenn derzeit über die diversen Möglichkeiten zur Verbesserung der Show in der Formel 1 gesprochen wird, dann kommt oft das Thema Reifen auf den Tisch. Durchaus logisch, denn die Teams müssten keine kostspieligen Neuentwürfe von aerodynamischen Bauteilen machen, sondern die Japaner würden die Zeche zahlen. Allerdings ist der Einfluss der Reifen auf die Show in der Königsklasse ohnehin begrenzt. Darauf wies Bridgestone-Entwicklungschef Hirohide Hamashima im Mediengespräch hin.

Titel-Bild zur News: Hirohide Hamashima

Hirohide Hamashima: Am Saisonende wird Bridgestone aussteigen

Frage: "Hirohide, welche Eindrücke haben Sie in den ersten beiden Freien Trainings am Freitag gewinnen können?"
Hirohide Hamashima: "Wir haben festgestellt, dass die härtere Mischung auch auf der noch sehr 'grünen' Strecke sehr gut funktioniert. Viele Leute haben sich zuletzt darüber beschwert, dass der weiche Pneu kaum weniger haltbar sei. Hier haben wir aber mit dem weichen Reifen im zweiten Training viel Graining gehabt. Die Strecke provoziert das Graining sehr. Auch wenn sich die Strecke jetzt noch weiter verbessert, werden wir weiterhin das Graining an den weichen Reifen sehen."#w1#

Frage: "Ist es an den Vorder- oder an den Hinterreifen schlimmer?"
Hamashima: "Am Red Bull und am Auto von Toro Rosso ist das Graining an den Hinterreifen aufgetreten. Bei Ferrari haben wir das Problem an der Front festgestellt und bei Mercedes ist überhaupt kein Graining aufgetreten."

Frage: "Wie viel schneller wird der weiche Reifen denn sein?"
Hamashima: "Wir gehen davon aus, dass die weiche Mischung im Qualifying einen Vorteil von rund einer halben Sekunde ausmachen wird. Das Graining beginnt an den meisten Autos nach drei oder vier Runden und fängt zumeist am Reifen hinten links an."

Frage: "Werden die Reifen im Rennen erneut lange halten? Also dürfen wir eine ähnliche Situation wie in Bahrain erwarten?"
Hamashima: "Ich gehe davon aus, dass die Performanceunterschiede sowohl der einzelnen Autos als auch der Reifen größer sein werden. Man wird auch hier mit nur einem Boxenstopp durchkommen können. Aber es hängt natürlich davon ab, wie gut man mit dem weichen Reifen haushalten kann."

Frage: "Nach Bahrain ist viel über den Mangel an Überholmanövern gesprochen worden. Viele rufen bereits laut nach anderen Reifen. Ärgert sie das?"
Hamashima: "Wir wollen stets den bestmöglichen Reifen zu jedem einzelnen Rennen bringen. Das ist unsere Mission. Natürlich könnten wir die Auswahl der Mischungen für die Grands Prix anpassen, aber das wäre nicht ganz sauber. Selbst wenn wir einen Reifen bringen würden, der extrem schnell abbaut, dann wählen die Teams alle wieder ähnliche Strategien und es gäbe keinerlei Veränderung der Situation. Uns liegt die Sicherheit aber am Herzen. Daher wollen wir lieber die jeweils richtigen Reifen zu den Rennen bringen."

¿pbvin|512|2577||0|1pb¿Frage: "Hat FIA-Rennleiter Charlie Whiting nach dem Bahrain-Rennen irgendwelche Forderungen gestellt?"
Hamashima: "Nein. Charlie war bei mir, um sich über die Performanceunterschiede der beiden Reifentypen in Bahrain zu informieren. Ich habe ihm dann im Verlauf der Woche die entsprechenden Datenanalysen zur Verfügung gestellt. Das war es. Wenn man sich mal das Beispiel Bahrain vor Augen führt, dann wird klar: Der Leistungsunterschied der beiden Reifensorten war in diesem Jahr größer als im vergangenen Jahr."

"Wenn man sich das Beispiel Rubens Barrichello mal anschaut, der im zweiten Stint mit ultraweichen Reifen gute und konstante Zeiten fahren konnte, dann sieht man deutlich, dass es unglaublich schwierig ist, deutliche Unterschiede zwischen den Spezifikationen herzustellen. Das liegt an der Strecke in Bahrain. Der Asphalt dort ist nicht besonders fordernd für die Pneus."

Frage: "Haben die Piloten ihre Reifen in Bahrain zu sehr geschont?"
Hamashima: "Ja, die meisten Fahrer waren schon sehr vorsichtig. Vor allem bei Sebastian Vettel konnte man erkennen, dass er seine Reifen extrem vorsichtig behandelt hat. Er hat es in beiden Stints zu Beginn eher langsam angehen lassen. Er hätte sicherlich deutlich mehr Druck machen können. Beide Mischungen hätte er in Bahrain ruhig etwas härter rannehmen können. Er hatte da noch reichlich in der Hinterhand."

Frage: "Sie haben in diesem Jahr andere Mischungen für Monaco angekündigt. Ist das auch eine Konsequenz der Erkenntnisse aus Bahrain?"
Hamashima: "Nein, die Entscheidung war eigentlich schon vor Bahrain gefallen. Unsere Reifen haben in diesem Jahr ein viel breiteres Nutzungsfenster, sodass wir nun auch die ganz weichen Reifen in Monaco verwenden können."

Frage: "Kann Bridgestone in irgendeiner Form Einfluss auf die Spannung in den künftigen Rennen nehmen?"
Hamashima: "Nein. Wir müssen die Reifenmischungen rechtzeitig festlegen. Selbst wenn die Teams ankämen und zum Beispiel superweiche und harte Reifen für alle Grands Prix fordern würden, dann könnten wir das nicht machen. Es kommen noch reichlich Strecken in diesem Jahr, die sehr starken Abrieb erzeugen. Zum Beispiel in Monza oder Suzuka. Gerade auf diesen schnellen Strecken sind Reifen absolut für die Sicherheit relevant. Da wollen wir kein Risiko eingehen. Risiko ist in der Formel 1 nie gut."

Frage: "Geben sie den Teams eigentlich eine maximale Kilometerzahl für die unterschiedlichen Reifen an die Hand?"
Hamashima: "Wir überprüfen die Reifen nach jeder Session. Nicht nur die Abnutzung der Lauffläche, sondern auch die Konstruktion. Sollten wir dabei irgendwann einmal ein gewisses potenzielles Risiko entdecken, dann werden wir den Teams beispielsweise sagen, dass sie eine Mischungen maximal über 200 Kilometer fahren dürfen. Bisher haben wir immer ausreichend Haltbarkeit festgestellt. Von daher gibt es da bislang kein Limit."

Frage: "Mal ganz theoretisch gefragt: Was passiert mit den Reifen, wenn sich die Formel 1 in Zukunft zu einer dramatischen Beschneidung der Aerodynamik entschließen sollte?"
Hamashima: "Das wäre hoch interessant. Wir könnten dann deutlich weichere Mischungen und Konstruktionen wählen, weil es weniger Downforce gäbe. Das wäre wirklich spannend - wenn wir dann überhaupt in der Formel 1 dabei wären (lacht; Anm. d. Red.). Das ist doch alles Zukunftsmusik. Darüber denken wir nicht ernsthaft nach. Aber der Ansatz stimmt: Wenn man Überholmanöver erwartet, dann muss man die Aerodynamik beschneiden. Dann gibt es bestimmt mehr Action. Man hat in Bahrain gesehen, dass zum Beispiel Fernando Alonso sofort um zwei Sekunden langsamer wurde, sobald er in den Luftverwirbelungen eines Vordermanns war."