• 29.09.2006 14:25

Briatore: "Ferrari hat alles zu verlieren"

Renault-Teamchef Flavio Briatore im Interview über den WM-Kampf, den Motorschaden von Monza und die Suche nach einem neuen Formel-1-Superstar

(Motorsport-Total.com) - Frage: "Flavio, der WM-Kampf spitzt sich zu. Wie siehst du das vor diesen letzten drei Rennen?"
Flavio Briatore: "Es ist sehr interessant, denn wir haben noch drei Rennen, um mit Ferrari zu kämpfen, und wir werden unser Bestes geben. Was soll ich sonst sagen?"

Titel-Bild zur News: Flavio Briatore

Flavio Briatore glaubt, dass Renault mindestens so stark ist wie Ferrari

Frage: "Wird es von den Reifen abhängen, von den Streckentypen, von den Motoren oder der Entwicklung?"
Briatore: "Es gibt viele Dinge, durch die diese Weltmeisterschaft interessant geworden ist. Es ist alles: nicht nur die Reifen und der Motor, sondern es tut sich einfach viel. Wir glauben, dass wir eine gute Chance auf die Weltmeisterschaft haben, denn wir glauben, dass wir genauso stark sind wie Ferrari. Wir können es schaffen."#w1#

Briatore von möglichem Sieg in Monza überzeugt

Frage: "Im vergangenen Jahr habt ihr die Entwicklung bis zum letzten Rennen hier in China vorangetrieben. Kann man davon ausgehen, dass das dieses Jahr wieder so sein wird?"
Briatore: "Budapest war unser eigener Fehler, aber dort lagen wir weit vor Ferrari. Auch in Monza. Wir pushen den Motor hart - vielleicht zu hart für die Ausgangsposition, in der wir uns befinden. Wären wir in Monza aber normal vom fünften Startplatz ins Rennen gegangen, hätten wir laut unseren Berechnungen locker gewonnen. Jedes Rennen ist anders, also warten wir ab, was hier in China passieren wird."

"Wir reden immer vom Überholen, dabei sollten wir sicherstellen, dass das Überholen auf neuen Strecken einfacher ist." Flavio Briatore

"Das Wetter war heute für niemanden wünschenswert, aber die Michelin-Leute sind happy mit den Reifen. Wir hatten keine Motorenprobleme, aber entscheidend ist das Qualifying, denn man kann hier nur sehr schwer überholen. Wir reden immer vom Überholen, dabei sollten wir sicherstellen, dass das Überholen auf neuen Strecken einfacher ist. Hier ist es aber wie in Budapest - sehr schwierig."

Frage: "War das Motorenproblem von Fernando Alonso in Monza identisch mit dem beim Test? Ist das Problem jetzt einfach gelöst?"
Briatore: "Einfach gelöst? Nein, denn mit dem Motor gibt es keine Wunder. Wir wissen, wo das Problem liegt, was der erste Schritt ist, aber das Problem ist, dass es immer wieder das gleiche Problem ist. Wir haben hier in China eine andere Spezifikation und sind zuversichtlich. Wir kämpfen um die Weltmeisterschaft, also gehen wir ans Limit, denn das müssen wir in unserer Situation tun. Wenn man ans Limit geht, kann so etwas passieren, also sind wir zum normalen Motor zurückgegangen. Die Wahrscheinlichkeit eines Defekts ist also sehr gering, zumal Monza ja auch eine ganz besondere Strecke ist. Beim Testen ist es ganz normal, dass so etwas vorkommt, denn dafür testet man ja."

Frage: "Du weißt, was im Kopf eines Fahrers wie Michael Schumacher vorgeht. Glaubst du, dass ihn seine Rücktrittsankündigung beeinflussen wird?"
Briatore: "Ich weiß es nicht. Ich glaube nicht, aber Fernando ist sehr stark. Es ist erstaunlich, dass ein so junger Mann so überzeugend und stark ist. Ich weiß nicht, inwiefern sich für Michael etwas ändert, aber er ist schon lange in der Formel 1 und kann mit dem Druck umgehen. Fraglich ist es eher beim Team, denn Ferrari hat alles zu verlieren. Wenn sie dieses Jahr nicht Weltmeister werden, wird es auch in Zukunft schwierig. Sie müssen diese Weltmeisterschaft gewinnen, aber auch wir."

Frage: "Was hältst du von der geplanten Testbeschränkung auf 30.000 Kilometer?"
Briatore: "Zweimal 90 Minuten am Freitag wären ja schon viel Fahrzeit, daher bin ich happy mit 30.000 - ich wäre es auch mit 25.000. Das einzige Problem war immer nur Ferrari, die in Fiorano testen wollen, daher haben wir das jetzt beschlossen, denn wenn du keine Reifen hast, kannst du auch nicht testen. Ich hoffe, dass das für alle gleich ist, denn das ist das Wichtigste in der Formel 1, wenn Renault, BMW und so weiter neu neben Ferrari zu Bridgestone kommen."

Briatore macht sich nichts aus Umfragewerten

Frage: "Laut der neuen FIA-Umfrage ist Ferrari viel beliebter als Renault und Michael Schumacher viel beliebter als Fernando Alonso. Entspricht das der Wahrheit?"
Briatore: "Schumacher ist schon seit 20, zehn oder 15 Jahren in der Formel 1, ich weiß es nicht, und er hat sieben Weltmeisterschaften gewonnen, Fernando hingegen nur eine. Ferrari ist schon ewig in der Formel 1, während wir unser Projekt vor fünf Jahren begonnen haben. Ich beschwere mich nicht darüber. Ich mache mir nichts aus Popularität, denn man sieht zum Beispiel nirgendwo McLaren-Flaggen, aber sehr wohl Ferrari- und manchmal Renault-Flaggen. Anhand der Flaggen erkennt man ja, wie populär ein Team bei den Fans ist. Ich habe noch nie eine McLaren-Flagge gesehen."

"Was man auch immer für Schauspieler in diesem Film hat, die Schauspieler hören irgendwann auf, aber der Film läuft weiter." Flavio Briatore

Frage: "Wie sehr wird sich die Formel 1 ohne Michael Schumacher verändern und wer wird in den nächsten zehn bis zwölf Jahren der dominante Fahrer sein?"
Briatore: "Ich glaube, dass die Formel 1 als Sport ungemein stark ist. Was man auch immer für Schauspieler in diesem Film hat, die Schauspieler hören irgendwann auf, aber der Film läuft weiter. Erinnern wir uns an Senna, das klassische Beispiel. Wir reden über Mansell, Senna und Prost. Leider haben nach Sennas Tod alle Zeitungen und Magazine geschrieben, dass die Formel 1 vorbei ist. Das war damals die Schlagzeile! Es gab damals noch keinen Michael wie heute. Nichts ändert sich. Wir erinnern uns an Michael genau wie an Prost und viele andere Fahrer, denn Michael hat viel erreicht und sieben Weltmeisterschaften gewonnen."

"Wer der nächste dominante Fahrer werden könnte, weiß ich nicht, aber es ist wichtig für die Formel 1, dass Junge nachkommen. BMW hat das geschafft und andere Teams wollen es schaffen. Wir brauchen frisches Blut, das ist entscheidend für die Formel 1. Wir haben viele Champions, viele tolle Fahrer, die schnell sind, aber wir brauchen einen neuen Star unter den Fahrern. Das fehlt uns ein bisschen, aber ich hoffe, dass sich unter den ganzen Jungen einer findet, der Starqualitäten mit sich bringt."