• 05.03.2004 11:26

Briatore: "Das ist doch völlig schwachsinnig!"

Der Renault-Boss flucht im Interview über die explodierenden Kosten und spricht über die Performance seines Teams

(Motorsport-Total.com) - Frage: "Flavio, wie siehst du den heutigen Tag?"
Flavio Briatore: "Nicht schlecht, nicht gut ? normal. Ich bin sehr glücklich mit der Performance des Fahrzeugs auf Long-Runs, denn eine einzelne schnelle Runde bedeutet eigentlich gar nichts. Wir haben die Autos heute für morgen vorbereitet. Auf längeren Runs war unser Auto wie gesagt sehr schnell und das ist ein sehr gutes Zeichen, denn jetzt können wir uns auf Samstag und Sonntag konzentrieren. Ich glaube nicht, dass die Zuschauer verwirrt sind, denn heute ist eben ein Testtag, kein Qualifying mehr. Was macht man da? Man bereitet sich auf die restlichen Tage vor. Ich bin zufrieden, wir sind nahe an McLaren dran, an Williams. Wenn alle Teams so nahe beisammen sind, ist das gut für die Meisterschaft."

Titel-Bild zur News: Flavio Briatore

Mitte der 90er-Jahre war die Formel 1 für Briatore noch in Ordnung...

Frage: "Ihr könnt dieses Jahr keinen dritten Fahrer wie 2003 einsetzen. Würdest du lieber zu den letztjährigen Regeln zurückkehren?"
Briatore: "Die Regeln sind eben so. Ich würde am liebsten nach 1993, 1994 oder 1995 reisen, aber das geht eben nicht. Wir haben, was wir haben, müssen jetzt in die Zukunft schauen. Das ist Vergangenheit. Was einem lieber ist, hat da keine Bedeutung."#w1#

"Wir geben doch noch mehr Geld aus!"

Frage: "Wie stehst du zu den Versuchen, die Kosten zu senken? Bist du zufrieden mit den bereits eingeführten Maßnahmen oder erwartest du dir diesbezüglich noch mehr?"
Briatore: "Wir geben doch noch mehr Geld aus! Nichts hat sich verändert. Für die Zukunft ist die neue Motorenregel sicher eine gute Sache. Bei Renault bauen wir Chassis und Motor selbst und wenn wir eines Tages an einen Punkt gelangen, wo ein Motor zwei Wochenenden halten muss, dann wird es sicher billiger, weil weniger Teile natürlich weniger Geld kosten. Wenn man aber wirklich etwas unternehmen will, sollte man die Leistung beschränken, V8-Motoren, 2,4 Liter Hubraum. Das würde etwas bringen und es muss schließlich sowieso etwas unternommen werden. Die Motoren müssten dann auch zwei Wochenenden halten. Beim Chassis müsste man auch ein Arrangement treffen, denn jetzt ist es so, dass die Entwicklungskosten mit jeder Regeländerung teurer werden. Immer, wenn wir eine spezielle Sache unterbinden, öffnen wir die Tür für etwas Neues. Die Teamchefs sollten sich an einen Tisch setzen und sich für 2006, 2007, 2008 etwas einfallen lassen. Die Kosten müssen dramatisch gesenkt werden. Wir reden da nicht über fünf Prozent, sondern über 50. Das ist sicher möglich und man kann trotzdem noch dieselbe Show bieten. Wenn ich mir 1994 in Erinnerung rufe, haben wir damals weniger als die Hälfte von heute ausgegeben, aber die Rennen waren trotzdem spannend. Die Kosten sind einfach eskaliert, heute arbeiten 1.000 Menschen für ein Team ? das ist doch total verrückt, das geht genau in die falsche Richtung! Wir müssen uns etwas einfallen lassen, bevor wir alle kräftig auf die Schnauze fallen..."

Frage: "Bernie sagt, dass weniger getestet werden sollte, dafür würden dann 20 Rennen stattfinden. Wie siehst du das?"
Briatore: "Beim Testen geben wir Geld aus, bei den Rennen nehmen wir Geld ein, denn Rennen sind unser Geschäft. Normalerweise fahren wir dreimal so viele Kilometer bei Tests wie bei Rennen. Man muss nicht nur beim Testen sparen, wir müssen die Kosten um die Hälfte senken. Je mehr man testet, desto mehr gibt man aus, denn die ganzen Teile müssen ja auch bezahlt werden. Aber noch einmal, wir reden nicht von vier oder fünf Prozent, sondern von einer Halbierung der Budgets. Ich denke, das ist möglich. Ich wundere mich, warum wir nicht längst an einem Tisch sitzen und solche Ideen debattieren, denn ich persönlich halte 20 Rennen für eine großartige Idee."

Seitenhieb auf "Reform-Verweigerer" Ferrari

Frage: "Welche Teams weigern sich gegen die Kosteneinsparungen?"
Briatore: "Ich weiß es nicht. Ein paar, immer dieselben."

Frage: "Du musst es doch wissen, weil du auch in der Formel-1-Kommission sitzt..."
Briatore: "Das weiß doch ohnehin jeder, nicht nur ich. Diese Teams wollen, dass Geld ausgegeben ist, denn wenn ich gegen Ferrari antreten will, komme ich mit einem Testtag nicht aus. Letztes Jahr haben wir am Freitag mit Jaguar getestet und das war eine gute Idee, nur leider war es nur für ein einziges Jahr und wahrscheinlich hätten sowieso alle nachgezogen. Es wäre viel vernünftiger, weniger zu testen und mehr Rennen zu haben, denn das ist unser Geschäft. Ein paar Teams testen 40.000 oder 50.000 Kilometer und fahren 20.000 bei den Rennen. Das ist doch völlig schwachsinnig!"

Frage: "Was sind eure Ziele für diese Saison? Visiert ihr schon die Weltmeisterschaft an, seid ihr schon so weit?"
Briatore: "Wir treten an, um ein paar Rennen zu gewinnen, aber am Anfang wird es schwierig, weil wir noch nicht den endgültigen Motor haben, der erst in Imola kommt. Das Auto sieht aber gut aus und im Winter haben wir mehr getestet als früher. Außerdem könnte uns das neue Punktesystem helfen, bei dem der Erste zehn Punkte, der Zweite acht und so weiter und so fort bekommt. Wenn du bei jedem Rennen auf dem Podium stehst oder in die Nähe des Podiums kommst, warum nicht? Ich weiß es nicht, ich weiß es nicht. Wir müssen von Rennen zu Rennen schauen. Jetzt warten wir einmal ab, wann wir das erste Rennen gewinnen, dann können wir uns weitere Gedanken machen. Ich sehe vier oder fünf Teams sehr eng beisammen. Okay, heute war Ferrari wahnsinnig schnell, aber ein Tag sagt noch nichts aus. Mindestens vier Teams sind ähnlich stark."

Frage: "Glaubst du eigentlich, dass der heutige Tag genug Action geboten hat, um die Ticketpreise für die Haupttribüne zu rechtfertigen?"
Briatore: "Ich sehe keinen Unterschied zwischen Freitag letztes Jahr und Freitag dieses Jahr. Es ist genau gleich geblieben. Die Zuschauer wollen die Autos sehen und das sehen sie dieses Jahr. Außerdem haben wir jetzt sogar zum Teil einen dritten Fahrer dabei. Morgen wird es interessant und das ist okay so, denn wir haben einfach nicht das Material für vier oder fünf Tage. Wenn wir einen guten Samstag und Sonntag abliefern, ist das schon gut so. Der Freitag ist, wie er immer war, ich sehe da keinen Unterschied zu 2003."