Breiter Konsens in Sachen "Rookie-Reifen"

Pirelli macht den Vorschlag, die Teams akzeptieren ihn größtenteils: Künftig könnte den Rennställen freitags ein zusätzlicher "Rookie-Reifen" zur Verfügung stehen

(Motorsport-Total.com) - Die aktuelle Reifensituation hat nicht nur Auswirkungen auf die Formel-1-Fahrer und -Teams, sondern auch auf die Fans. Denn sowohl an den TV-Bildschirmen als auch an den Rennstrecken müssen sie in den Freien Trainings am Freitag oft fast eine halbe Stunde darauf warten, dass endlich die Motoren dröhnen. Grund dafür ist der hohe Grad an Verschleiß der Pirellis, weshalb viele Teams am Freitag Reifen für den Rest des Wochenendes sparen müssen.

Titel-Bild zur News: Esteban Gutierrez

Neulinge wie Gutierrez könnten künftig mehr Fahrpraxis erhalten Zoom

Von Anfang an Gas geben ist dadurch nahezu unmöglich, wie Heikki Kovalainen weiß, der am Freitag in Bahrain nach seinem erzwungenen Formel-1-Ausstieg Ende 2012 wieder für Caterham testen durfte. "Ich habe heute eine halbe Stunde gewartet, nur um sicherzustellen, dass wir die Reifen nicht zu früh kaputtmachen", beschreibt der Finne. "Und am Ende waren sie dann kaputt. Je mehr Reifen die Teams haben, desto besser ist die Chance, dass früher gefahren wird."

Solche Szenen kennt man eigentlich nur noch aus der Zeit des alten Qualifying-Formats, welches vor 2003 in der Formel 1 Verwendung fand: Damals warteten die Top-Teams in der 60-minütigen Sessions ebenfalls bis zu einer halben Stunde ehe langsame Piloten auf die Strecke fuhren um diese für die schnelleren Teams langsam sauber zu fahren.

Reifenhersteller Pirelli kam angesichts der fehlenden Action am Freitagvormittag nun auf die Idee, die Teams mit einem zusätzlichen Satz Reifen auszustatten, dem so genannten "Rookie-Reifen". Er würde vor allem jungen, unerfahrenen Piloten - seien es neue Stammfahrer oder Testpiloten - die Chancen geben, mehr Kilometer abzuspulen um mehr Erfahrung im Umgang mit einem Formel-1-Boliden zu sammeln. Wozu Unerfahrenheit führen kann, zeigte sich beim letzten Rennen in China, als Sauber-Rookie Esteban Gutierrez einen Bremspunkt falsch setzte und Adrian Sutils Force India ins Heck krachte.

FOTA begrüßt die Idee - Reglementänderung nötig

Bei einem Treffen der FOTA (Formula One Teams Association) - eine Vereinigung von insgesamt sieben Formel-1-Teams - wurde die Thematik vergangene Woche behandelt und intensiv diskutiert. Laut Kovalainen, der dem Treffen ebenfalls beiwohnte, begrüßte die Mehrzahl der Rennställe die mögliche neue Regelung.

Der Finne gibt trotz aller Euphorie auch eine Sache zu bedenken: "Es ist schwierig umzusetzen, wenn man es nur für Rookies machen will. Da braucht es eine Änderung des sportlichen Reglements. Es gibt die Möglichkeit, ohne große Mühe eine alternative Reifenmischung zu bringen, aber man kann Ferrari nicht einfach sagen: 'Ihr bekommt sie nicht, weil ihr keinen Neuling im Auto habt.'"

Kaltenborn: "Es darf nicht nur eine Option sein"

Ähnlich sieht das Sauber-Teamchefin Monisha Kaltenborn, die im Rahmen der Teamchef-Pressekonferenz am Freitag auf das Thema angesprochen wurde. Die Österreicherin vertritt ebenfalls den Standpunkt, dass nicht nur Teams, die Neulinge zum Einsatz bringen, einen Extrasatz Reifen pro Wochenende erhalten sollten. "Insgesamt finde ich die Idee gut, da sich die Fahrer dadurch wirklich an alles gewöhnen können", lobt Kaltenborn den Vorschlag. "Es sollte aber nicht nur eine Option sein."

Denn dann könnten viele Teams vom zusätzlichen Reifensatz keinen Gebrauch machen, wodurch die Fahraction am Freitagvormittag nach wie vor zu kurz kommen könnte: "Ich würde es bevorzugen, wenn irgendwo im Regelwerk verankert werden würde, dass man einen zusätzlichen Reifensatz einsetzen muss. Abgesehen davon, dass neue Fahrer dadurch mehr Erfahrungen sammeln könnten, wäre es auch ein besserer Showeffekt für die Zuschauer, da mehr Autos auf der Strecke wären."

"Insgesamt finde ich die Idee gut, da sich die Fahrer dadurch wirklich an alles gewöhnen können." Monisha Kaltenborn

Einigkeit bei Ferrari, Lotus und McLaren

Auch Ferrari-Teamchef Stefano Domenicali wünscht sich eine klare Regelung bezüglich der "Rookie-Reifen": "Der Einsatz müsste nicht nur für Neulinge verpflichtend sein, sondern für alle Teams." Alles andere könnte laut dem Italiener für Verwirrung auf den Rängen sorgen: "Es wäre nur schwer zu vermitteln, dass Herr X über einen zusätzlichen Satz Reifen verfügt und deshalb fahren kann, während Alonso, Hamilton und co. an der Box stehen müssen, weil sie keine Neulinge sind. Ich denke, es wäre eine gute Idee, wenn das für alle gelte, um den gesamten Fahrbetrieb am Freitagmorgen zu erhöhen."

Unterstützung erhalten Kaltenborn und Domenicali von Lotus-Teamchef Eric Boullier und Martin Whitmarsh, Teamchef bei McLaren. Laut letzterem kämen die Zuschauer ja hauptsächlich an die Strecke um prominente Piloten wie Alonso, Hamilton, Räikkönen oder Button auf der Strecke fahren zu sehen: "Alles andere wäre doch Betrug", meint Whitmarsh.


Fotos: Großer Preis von Bahrain, Freitag


Pirelli würde konservative Mischung einsetzen

Ideengeber Pirelli zeigt sich angesichts des positiven Feedbacks der Teams erfreut: "Natürlich begrüßen wir das als gute Idee, denn es wäre besser für die TV-Zuschauer, besser für die Fans an der Strecke und besser für einige der jungen Fahrer", sagt Pirellis Motorsport-Direktor Paul Hembery.

Offenbar gibt es auch schon konkrete Pläne, was die Charakteristik der Mischung anbelangt "Es wäre strukturell der gleiche Reifen wie der, den wir heute verwenden, aber mit einer sehr konservativen Gummimischung." Momentan warte man noch auf eine offizielle Stellungnahme der Teams bezüglich eines zusätzlichen Reifensatzes. Hembery: "Wir würden das unterstützen. Im Moment gehen wir davon aus, dass es so kommen wird."

Paul Hembery

Pirelli Motorsport-Direktor Hembery will im Sinne der Zuschauer handeln Zoom

Theoretisch könnten sich Top-Teams wie Red Bull dagegen entscheiden, setzen sie doch in der Regel keine Neulinge zu Testzwecken ein. Hembery hofft jedoch, dass sich alle Teams für die Neuregelung aussprechen: "Es wäre schade, wenn es nicht klappt."