Brawns Dreijahresplan für Honda

Bis 2010 will Teamchef Ross Brawn Honda an die Spitze der Formel 1 führen - Rückkehr zu Ferrari war sehr schnell vom Tisch

(Motorsport-Total.com) - Ross Brawn gilt bei Honda nach dem katastrophalen Krisenjahr 2007 als Heilsbringer, aber Wunder kann der Ex-Ferrari-Mastermind auch nicht bewirken. Der neue RA108, mit dessen Entwicklung er ja noch nichts zu tun hatte, ist wieder ein Flop - und so wird es wohl auch 2008 keine große Wende geben.

Titel-Bild zur News: Ross Brawn

Ross Brawn sieht schon das Jahr 2009 als große Chance für Honda

Insgeheim hat sich Brawn stattdessen einen Dreijahresplan zurechtgelegt - 2010 soll Honda zumindest in den WM-Kampf eingreifen und Rennen gewinnen können. Dass die Ressourcen und das Geld dafür vorhanden sind, steht außer Frage, aber was bisher gefehlt hat, war eine Führungspersönlichkeit, die weiß, wie man ein Team auf Vordermann bringt. Da kommt der neue Teamchef genau richtig, schließlich hat er schon Benetton und Ferrari an die Spitze geführt.#w1#

Ein technischer Manager wie aus dem Lehrbuch

Zugegeben, in den beiden erwähnten Fällen wurde ihm die Mission durch den Ausnahmefahrer Michael Schumacher etwas leichter gemacht, aber es steht in der Szene dennoch außer Frage, dass Brawn einer der schlauesten Köpfe der Formel 1 ist. Zwar kann er im Gegensatz zu Rory Byrne nicht unbedingt einen neuen Frontflügel zeichnen, der um zwei Zehntelsekunden schneller ist, aber seine Qualitäten als technischer Manager sind Gold wert.

"Als ich hier ankam, waren 80 Prozent des Teams auf einem sehr, sehr guten Niveau." Ross Brawn

Bei Honda sieht er durchaus Potenzial für künftige Großtaten: "Als ich hier ankam, waren 80 Prozent des Teams auf einem sehr, sehr guten Niveau", erklärte der Brite gegenüber 'autosport.com'. "Gleichzeitig gibt es auch 20 Prozent, denen ich helfen kann und wo ich meinen Einfluss einbringen muss, um die Zusammenarbeit effizienter zu gestalten." Dies mag sicher auch daran liegen, dass ein Teil der Umstrukturierung schon vor seiner Ankunft abgeschlossen war.

Aber wie lange braucht jemand wie du, Ross, um aus einem Team wie Honda wieder einen Grand-Prix-Sieger zu machen? "Ich habe in meinem Kopf einen Dreijahresplan, um zu verstehen, was getan werden muss, um einzuleiten, was getan werden muss - und um dann die Früchte dieser Arbeit zu ernten. Am wichtigsten ist, dass wir uns in diesen drei Jahren laufend weiterentwickeln und verbessern", entgegnete er.

Dreijahresplan bis 2010

Sprich: 2008 kann sich Brawn noch kaum einbringen, weil er gerade erst zum Team gekommen ist - also muss er erst einmal erkennen, was überhaupt schief läuft. 2009 sollen dann die ersten Maßnahmen greifen und für 2010 gibt es im Grunde genommen keine Ausreden mehr. Dies ist freilich ein sehr ambitionierter Plan, denn jeder, der die Formel 1 kennt, weiß, dass Reformen immer Zeit brauchen - siehe Ferrari vor der Schumacher-Ära.

"2009 ist eine große Chance für uns." Ross Brawn

"2009", philosophierte Brawn vor sich hin, "also das Jahr in der Mitte des Dreijahresplans, ist ein sehr wichtiges Jahr, denn dann gibt es ein neues Reglement. Das ist ein bisschen wie ein weißes Blatt Papier für alle - und ohne Frage werden die guten Teams ein gutes Auto produzieren. Es ist kein Glück dabei, wenn man ein Rennauto baut, sondern es ist ein sehr logischer und intensiver Prozess. 2009 ist eine große Chance für uns."

Kommunikation im Mittelpunkt

Seine ersten Sofortmaßnahmen betreffen vor allem die interne Kommunikation zwischen den einzelnen Abteilungen. So hat der 53-Jährige zwischen der Formel-1-Fabrik in Brackley und der Forschungs- und Entwicklungseinrichtung in Tochigi eine neue Achse installiert, die die erforderlichen Prozesse besser als bisher abstimmen kann. Bisher arbeiteten die Japaner in Tochigi meist enthusiastisch vor sich hin, ohne aber die Prioritäten des Teams zu berücksichtigen.

Ross Brawn und Yasuhiro Wada

Die Kommunikation mit Japan ist eines von Ross Brawns Erfolgsrezepten Zoom

"Es gab die Tendenz, Tochigi so arbeiten zu lassen, wie sie es wollten, und zu warten, ob etwas Interessantes dabei herauskommt", erläuterte Brawn. "Jetzt haben wir zwei Ingenieure, Leo Ress und Jacky Eeckelaert, dafür abgestellt, und auch Shuhei Nakamoto ist involviert. Wir bemühen uns also viel mehr als bisher, um alle Seiten der Organisation zu integrieren und alle dazu zu bringen, als eine Einheit zu arbeiten."

Nakamotos neue Rolle spielt dabei eine Schlüsselrolle, denn der Japaner wurde nach dem Rausschmiss von Konstrukteur Geoff Willis als neuer Technischer Direktor installiert, obwohl er zuvor noch nie ein Formel-1-Auto gebaut hatte. Sein RA107 war dann auch prompt ein Totalflop. Insofern liegt es nahe, die organisatorischen und politischen Qualitäten des Japaners im Konzern zu nutzen, um eine Schnittstelle zwischen Formel-1-Team und Konzern herzustellen.

Ernsthafte Gespräche nur mit Honda

Das ist eine der vielen Ideen von Brawn, dessen Aufgabe natürlich eine ganz andere ist als zuletzt bei Ferrari. Dort hatte er ein etabliertes Team um sich, das im Grunde genommen schon funktionierte und nur weitergeführt werden musste. Bei Honda hingegen muss er Aufbauarbeit leisten, kann er seine Philosophien einfließen lassen und seine eigenen Ideen verwirklichen. Diese Herausforderung birgt natürlich einen enormen Reiz in sich.

"Ich wurde von einigen Teams kontaktiert, aber ich habe nur mit Honda gesprochen." Ross Brawn

"Ich wurde von einigen Teams kontaktiert, aber ich habe nur mit Honda gesprochen", stellte Brawn klar. "Ich kam aus einem Team mit einer sehr großen Tradition im Rennsport. Es ist sehr wichtig, dass eine Firma versteht, worum es im Motorsport geht. Ich hatte das Gefühl, dass Honda mit seiner großen Tradition genau weiß, was nötig ist. Außerdem verfügt das Team auch ganz einfach über großes Potenzial."

Ferrari keine Herausforderung mehr

"Ein Team, das bereits an der Spitze liegt, hätte mich nicht dazu motivieren können, wieder in die Formel 1 zurückzukehren", erklärte der begeisterte Fliegenfischer, der sich 2007 ein Jahr Pause gegönnt hatte. "Aber zu einem Team mit riesigem Potenzial und großer Geschichte zu kommen, obwohl es vielleicht momentan ein Tief hat, war eine aufregendere Herausforderung für mich als ein ausgewiesenes Topteam."

"Ein Team, das bereits an der Spitze liegt, hätte mich nicht dazu motivieren können, wieder in die Formel 1 zurückzukehren." Ross Brawn

"Darum kam es auch nie zur Wiedervereinigung mit Ferrari, denn die hätte mir nicht die gleiche Herausforderung geboten. Das habe ich eigentlich schon gewusst, bevor ich in Gespräche mit Ferrari eingetreten bin, und die Gespräche haben mich dann in den Gedanken bestätigt, dass ich nicht der Richtige für sie wäre und sie nicht das Richtige für mich. Es erschien mir nicht besonders aufregend, wieder dort anzufangen", so Brawn.

Natürlich hätten sich viele eine Rückkehr des Superhirns nach Maranello gewünscht, aber Brawn konnte sich dies nur als Teamchef vorstellen - und selbst diese Option übte nur wenig Reiz auf ihn aus. Als er dann von seinem Vorgänger Nick Fry kontaktiert wurde, ob ihn denn Honda interessieren würde, war er sofort Feuer und Flamme - und endgültig fiel der Schalter dann, als ihm Ex-Ferrari-Fahrer Rubens Barrichello ausführlich Bericht erstattete...