Brawn: "Wir legen alle Karten auf den Tisch"
Teamchef Ross Brawn lässt seine Piloten auch weiterhin frei fahren und rüstet sich für einen spannenden Endspurt um den Formel-1-Titel
(Motorsport-Total.com) - Mit einem Paukenschlag sorgte das britische Brawn-Team im Königlichen Park von Monza für eine Vorentscheidung im Titelkampf: Rubens Barrichello und Jenson Button bescherten ihrem Rennstall einen Doppelsieg und konnten sich weiter von der Konkurrenz absetzen. Nun scheint alles auf ein Brawn-internes WM-Duell hinzudeuten, denn Sebastian Vettel und Mark Webber sind ab sofort nur noch Außenseiter. Teamchef Ross Brawn spricht im Interview über die Ausgangslage vor dem Finale.

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Ross Brawn hat derzeit wieder viel Freude an Jenson Button und Rubens Barrichello
Frage: "Ross, das war ein großartiges Wochenende für euch, nicht wahr?"
Ross Brawn: "Das war tatsächlich ein fantastisches Wochenende für uns. Von einer Entscheidung kann man aber noch nicht sprechen, denn noch stehen vier Rennen aus. Das sind 40 Punkte für den Sieger und vor uns liegt noch ein langer Weg. Es war aber ein großartiges Ergebnis."#w1#
"Das war nicht gerade eine Verjüngungskur, hat dem Team aber einen ordentlichen Schwung für die noch ausstehenden vier Rennen beschert. Ich habe schon vor geraumer Zeit gesagt, dass die letzten vier Rennen zur Hälfte und zur anderen Hälfte unseren Rivalen liegen werden. Wir werden in Singapur ein großes Update an den Start bringen. Wir sind im Augenblick in einer so guten Ausgangslage, wie wir uns das erhofft hatten."
Frage: "Hättest du mit einer solchen Vorentscheidung gerechnet, wo doch Red Bull nur einen WM-Punkt geholt hat?"
Brawn: "Nein, das tut man niemals. Ich dachte mir schon, dass wir in Monza stark sein würden. Unmittelbar nachdem wir den Rennwagen am Freitag auf der Strecke gesehen hatten, war mir klar, dass wir in guter Form sein würden. Wir haben ein diszipliniertes Wochenende hinter uns, an dem wir sicherstellten, ein gutes Auto für das Rennen zu haben."
"In der Qualifikation waren wir aber trotzdem etwas nervös. Bis zur letzten Runde unserer Piloten haben die Reifen einige Umläufe gebraucht, um auf Temperatur zu kommen. Wir hatten zudem reichlich Sprit an Bord, doch es hat geklappt."
Der Druck ist kein Problem
Frage: "Strategisch gesehen hatte Rubens in diesem Rennen alle Trümpfe in der Hand, oder?"
Brawn: "Beide Piloten hatten die gleiche Benzinmenge an Bord. Unsere Regel lautet, dass derjenige den Vorteil einer Runde bekommt, der in der besten Ausgangslage ist."
"Jenson wäre also in jedem Fall eine Runde vor Rubens an die Box gekommen, denn länger draußen bleiben ist ein Vorteil. Sie hatten beide Sprit für 29 Runden dabei. Rubens konnte seine normale Distanz abspulen, wohingegen Jenson eine Runde eher hereingeholt wurde."
Frage: "Eine Frage an diesem Wochenende war, wie Jenson mit dem Druck umgehen würde. Hat er in deinen Augen eine gute Antwort darauf gegeben?"
Brawn: "Voll und ganz. In der Qualifikation waren die beiden nur eine Zehntelsekunde auseinander und das hat letztendlich den Unterschied im Rennen ausgemacht. Unsere Piloten liegen sehr eng beieinander."
"Jenson ist ein sehr gutes Rennen gefahren. Zum Schluss stand er unter großem Druck, hat das aber perfekt gemeistert. Das hat nur bewiesen, was wir schon immer wussten. In Monza hatte er endlich einmal die Gelegenheit, genau das zu tun."¿pbvin|512|1956|inside|0|1pb¿
Freie Fahrt für Barrichello und Button
Frage: "Wie werdet ihr die zwei nun im Zaume halten? Dürfen sie gegeneinander kämpfen?"
Brawn: "Das müssen wir wohl zulassen. Jeder Versuch, sie zu kontrollieren, wäre letztendlich wohl ein glatter Fehlschlag."
Frage: "Fällt es dir leichter, die beiden fahren zu lassen, wenn du dir die Ergebnisse von Red Bull vergegenwärtigst?"
Brawn: "Ja. Wir haben von Anfang an gesagt, dass wir keinem von beiden den Vorzug geben werden, solang für beide noch der Sieg drin ist. Meiner Meinung nach wird sich das auch noch bis zum letzten Saisonrennen hinziehen."
Frage: "Welche Rolle nimmst du persönlich beim Management dieser engen Konstellation ein?"
Brawn: "Wir legen alle Karten auf den Tisch. Die beiden kooperieren schon jahrelang und das werden sie auch weiter tun. Sie teilen Informationen und die Ingenieure sind gute Freunde. Sie wollen sich gegenseitig schlagen und das findet bei einer gesunden Stimmung statt. Wir müssen sicherstellen, dass das so bleibt. Da darf es keine Veränderungen geben. Wenn wir nur alle weiterhin zusammenarbeiten, dann bleiben wir auch stark."
Frage: "Wirst du einen Schritt zurück machen oder hast du die Hand noch immer voll am Gas?"
Brawn: "Da braucht es nicht viel, höchstens hin und wieder einmal eine Bemerkung. Das sind vernünftige Jungs. Sie mögen sich, also gibt es nicht viel für mich zu tun."
Fahrerfrage wird noch nicht beantwortet
Frage: "Wie sehr kann Rubens von seiner Erfahrung profitieren, wenn es darauf ankommt?"
Brawn: "Rubens hat ja nichts zu verlieren. Jenson ist derjenige, der etwas zu verlieren hat. Rubens kann es sich also leisten, vielleicht eine Spur aggressiver vorzugehen. Jenson muss hingegen darauf bedacht sein, Punkte zu holen. Das ist in seiner Situation nur normal. Die beide haben also sicherlich eine unterschiedliche Einstellung. Sie sind aber schon lange im Geschäft, also wird das kein Problem sein."
Frage: "Gibt es einen Grund, sich über die Fahrerpaarung für 2010 Gedanken zu machen?"
Brawn: "Ganz und gar nicht. Beide machen einen fantastischen Job."
Frage: "Werden Jenson und Rubens auch im kommenden Jahr im Auto sitzen?"
Brawn: "Das muss noch entschieden werden. Wir haben im Augenblick andere Probleme zu lösen. Der Fahrerfrage werden wir uns dann anschließend widmen."
Frage: "Rubens sprach in der Pressekonferenz von den Bremsen in Silverstone. War das der Wendepunkt?"
Brawn: "Er benutzt nun das gleiche Bremssystem wie Jenson. Rubens bestand in den vergangenen Jahren darauf, ein anderes Bremsmaterial zu verwenden und das schien ihm auch zu helfen. Jetzt sind beide grundsätzlich auf dem gleichen Material unterwegs. Das könnte ihm geholfen haben."

