Brawn: "Ich sehe bei Jenson eine Veränderung"
Der Teamchef von Brawn über Jenson Buttons schwieriger gewordenen Kampf um den WM-Titel und die Leistungsschwankungen des Teams
(Motorsport-Total.com) - Das Brawn-Team macht nach einem dominierenden Saisonauftakt derzeit häufiger schwierige Rennen durch. Die Leistung ist nicht mehr in jedem Rennen so überzeugend wie bisher, vor allem Jenson Button ist erstaunlich schwach unterwegs. An diesem Bild änderte sich auch am Freitag in Monza nichts.

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Ross Brawn: Natürlich hat sich Jenson Button verändert
"Wir hatten in Spa kein gutes Rennen, aber wir haben jenes davor gewonnen", so Teamchef Ross Brawn, der versichert, dass sowohl Jenson Button als auch Rubens Barrichello um den Titel fahren dürfen: "Sie dürfen beide frei fahren. Wir haben das Gefühl, dass dies das Team stärker voranbringt, als wenn man irgendeine Teamorder hat. Sie dürfen beide frei fahren und dürfen beide versuchen, die Weltmeisterschaft zu gewinnen."#w1#
"Jenson hatte zwei Rennen, bei denen es für ihn nicht gelaufen ist", so der Landsmann des Briten weiter. "Im vergangenen Rennen hatte er natürlich den Zwischenfall und Valencia war nicht großartig. In den Rennen davor funktionierte das Auto nicht so, wie wir dies wollten. Ich denke also nicht, dass man diese Rennen Jenson in die Schuhe schieben kann."
"Er hat ein paar durchschnittliche Rennen gehabt, und wenn ein Kerl im Verlauf einer Saison neben ein paar durchschnittlichen Rennen auch all die guten Rennen hat, dann hat er eine fantastische Saison. Ich bin ziemlich optimistisch, dass er ein starkes Ende der Saison haben wird."
Und wie funktioniert das Auto auf der Hochgeschwindigkeitsstrecke von Monza?
"Das Auto scheint hier in Ordnung zu sein. Der Zeitabstand ist ziemlich gering, und ich denke, dass es andere Teams gegeben hat, die sich vielleicht auf das Rennen fokussiert und andere, die sich mehr darauf fokussiert haben, sicherzustellen, dass sie so stark wie möglich durch das Qualifying kommen."
"Bevor wir nicht in das Qualifying kommen, werden wir die Situation nicht wirklich kennen", so der 54-Jährige weiter. "Wir sind an diesem Wochenende mit unserem Auto ganz glücklich. Es scheint gut zu funktionieren, und ich sehe keinen Grund, warum wir hier kein ordentliches Rennen haben sollten."
Zuletzt hatte Button in der Qualifikation in Belgien mit dem weicheren Reifen zu kämpfen: "Jenson hat die Balance auf diesen Reifen als nicht so gut empfunden. Aber wenn die Reifen so nah beieinander liegen - die Reifen liegen nur eine Stufe auseinander - dann wird man es oft vorfinden, dass ein Fahrer den einen vor dem anderen Reifen vorzieht."
"Heute hätte ich damit zu kämpfen, euch zu sagen, mit welchem Reifen wir im Rennen fahren werden, denn die Reifen scheinen ziemlich ähnlich zu sein. Es kann also gut sein, dass der eine Fahrer einen Reifen vor dem anderen vorziehen wird. Aber es ist nicht ungewöhnlich für einen Fahrer, einen Reifen vorzuziehen. Rückblickend hätten wir bei Jenson im Qualifying wohl am härteren Reifen festhalten sollen. Aber das haben wir nicht getan, und aus diesem Grund fühlte er sich nicht wohl."
Zuletzt haben einige bekannte Gesichter der Formel 1, darunter Felipe Massa, Nigel Mansell und Stirling Moss, den mentalen Zustand von Jenson Button in Frage gestellt. Sie sind sich nicht sicher, ob die nachgelassenen Leistungen des Piloten möglicherweise auf den enormen Druck zurückzuführen sind, unter dem er momentan steht.
"Natürlich gibt es da eine Veränderung, denn er führt nun die Weltmeisterschaft an, was er glaube ich zuvor nicht gemacht hat, und das ist für ihn eine neue Erfahrung", so Brawn. "Ohne Zweifel beeinflusst das, was man tagtäglich denkt. Wenn man ein Fahrer ist, der zu jedem Rennen kommt und man gut ist, dann ist es großartig, aber wenn dies nicht der Fall ist, dann ist es anders."
"Es ist schwieriger, mit einem Jahr umzugehen, in dem man um die Weltmeisterschaft fährt. Ich habe es bei jedem Fahrer gesehen, mit dem ich zusammengearbeitet habe. Wenn du dich in einem Jahr befindest, in dem du keine Chance hast, die Weltmeisterschaft zu gewinnen, dann geben die Fahrer alles, sie widmen sich der Sache immer noch so sehr, aber es hat einen anderen Geschmack, einen anderen Charakter, als wenn man Punkte sammeln muss."
"Ich sehe bei Jenson also eine Veränderung, aber ich sehe es als eine positive Veränderung an. Ich sehe es als etwas an, bei dem er fleißig darüber nachdenkt, wie er ein Jahr in der Meisterschaft zusammen bekommt, und wie er daran arbeitet, zu versuchen, seine Position zu halten."
In Bezug auf seine Herangehensweise oder Einstellung sehe er "nichts Negatives": "Ich hatte Glück genug, um dies mehrere Male zu erleben, und selbst mit Michael Schumacher, der es sieben Mal geschafft hat, war das siebte Mal genauso mit einer Spannung verbunden wie das erste Mal."
"Ja, manchmal ist es die schwierigste Position, in einer Meisterschaft vorne zulegen, all die Autos hinter einem nichts zu verlieren haben. Jener Kerl, der vorne liegt, ist derjenige, der alles verlieren kann, und so ist es im Motorsport auch. Wenn du ein Rennen anführst, dann ist ist für denjenigen schwieriger als für den Kerl, der hinten liegt, der es einfach probiert und in Bezug auf seine Strategie oder sein Fahren vielleicht etwas abenteuerlustiger sein kann. So ist es nun einmal."
"Es ist zehn Jahre oder länger her, seitdem Jenson um eine Meisterschaft gefahren ist, er muss also wieder lernen, sich mit dem Gedanken wieder vertraut zu machen, dass er um eine Weltmeisterschaft kämpft. Und das ist meiner Meinung nach absolut normal, ich sehe daran mit Sicherheit nichts Negatives."

