Brawn: "Die Technik ist ausgereizt"
Brawn erklärt, warum man bei Ferrari keine Quantensprünge erwartet, der F2003 aber dennoch besser werden wird als der F2002
(Motorsport-Total.com) - Als Technischer Direktor überwacht und delegiert Ross Brawn bei Ferrari die Arbeit der Techniker, Ingenieure und Designer, die Jahr für Jahr ein neues Auto auf die Beine stellen und das bestehende verbessern. Für den Briten, der schon 1994 und 1995 bei Benetton mit Michael Schumacher zusammengearbeitet hatte, ist der Deutsche ein wichtiger Bestandteil des Teams: "Er ist ein Vorbild für das ganze Team", so Brawn in der 'Welt am Sonntag' ."Er bringt sich ein, und sein Engagement ist in jeder Beziehung für alle vorbildlich. Nach seinen zwei WM-Siegen 1994 und 1995 suchte Michael eine solche Aufgabe. Er wollte nicht nur wieder Weltmeister werden, sondern sehr eng und vertrauensvoll mit einem Team wie Ferrari arbeiten. Ferrari ist Michael Schumachers Heimat. Er ist Teil der Familie."

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Ross Brawn sieht auch beim F2002 noch Verbesserungspotenzial
Für Ross Brawn steht fest, dass für Michael Schumacher die Formel 1 das Lebenselixier ist, auf das er trotz der in dieser Woche erneut aufgetauchten Rücktrittsgerüchte so schnell nicht verzichten möchte. Dass Rubens Barrichello seinem Teamkollegen plötzlich so sehr auf die Pelle rückt, hat nichts mit einer schwächeren Vorstellung des vierfachen Weltmeisters zu tun, wie Brawn erklärt: "Das neue Auto ist im Fahrverhalten stabiler, ruhiger und berechenbarer. Wir haben dazu Fortschritte auf dem Sektor Traktionskontrolle gemacht. Unter dem Strich ist es schneller, aber auch gutmütiger. Das scheint Rubens mehr Vorteile zu bringen als Michael. Das war kein strategisches Ziel, sondern ist einfach das Resultat einer technischen Evolution."
Und diese technische Evolution ist ein stetiger Prozess. Schon längst hat die Arbeit am nächstjährigen Auto begonnen. Laut Brawn sei man nur "für ein paar Millisekunden" optimal, dann "überholt uns die Praxis". Für die Gegner ist der F2002 in diesem Jahr ein beinahe unbezwingbares Auto, für Ross Brawn war jedoch sofort nach den ersten Tests klar, dass auch dieses Auto noch verbesserungswürdig ist: "An seinen Fahreigenschaften stört uns nichts, aber wir wissen, wo wir es ein bisschen leichter, kompakter und vom Schwerpunkt und der Aerodynamik noch effizienter und damit schneller machen können."
Dennoch erwartet der Technische Direktor der Italiener nicht, dass das kommende Auto ein Quantensprung werden wird: "Die Technik ist ausgereizt. Technische Quantensprünge sind da nicht mehr drin. Man kann nur noch technische Details verändern, alle Teile nur noch präziser, leichter, effizienter, eleganter überarbeiten. Ein Leistungszuwachs von einem Prozent ist da schon sehr viel. Das Ganze ist ein Prozess konstanter Optimierung. Ein Siegerauto ist nie fertig und immer im Bau. Wer glaubt, er hat ein Siegerauto, verliert."
Laut Brawn gehen beim Bau der Autos bei Ferrari die Wünsche beider Piloten in das Konzept ein: "Gut für Ferrari ist, dass die Bedürfnisse von Rubens und die von Michael sehr nahe beieinander liegen." Die Vorschläge der Fahrer werden analysiert und der beste Kompromiss herausgearbeitet. Dass die Roten in dieser Saison der Konkurrenz so überlegen sind, ist vor allem mit der "kreativen Konstanz" zu erklären, wie das Ross Brawn nennt: "Seit fast fünf Jahren arbeiten wir mit derselben Kernmannschaft, mit Gilles Simon, Aldo Costa, Rory Byrne, Paolo Martinelli und mir. Wir haben einen gemeinsamen Weg, eine gemeinsame Entwicklung und verstehen, warum und wie wir was machen."
Die "Unruhe" bei McLaren-Mercedes mit dem fast durchgezogenen Weggang von Adrian Newey und bei BMW-Williams mit dem ebenfalls nur knapp verhinderten Weggang von Designer Gavin Fisher und dem vollzogenen Wechsels Geoff Willis' von Weiß-Blau zu BAR-Honda, seien "Bewegungen", die "einem Team an Leistung kosten." "Unter dem Strich hat uns das zusätzlich stark gemacht. Die Tests im Winter hatten mir schon gezeigt: McLaren und Williams haben durch fehlende Konstanz im Vergleich zu 2001 keine großen Fortschritte gemacht. Für mich ist also der Ferrari-Erfolg kein großes Geheimnis und überrascht mich nicht", so Brawn gegenüber der 'Welt am Sonntag'.

