• 16.01.2007 12:38

Boxenstopp in München und Hinwil

Das BMW Sauber F1 Team operiert auch in diesem Jahr von zwei Standorten aus: In Hinwil sitzt die Chassis-, in München die Motorenabteilung

(Motorsport-Total.com) - Eingebettet in Produktionsstätten und Büros der BMW AG und in Nachbarschaft zum BMW Forschungs- und Innovationszentrum sind am Standort München fast 300 Mitarbeiter in den unterschiedlichen Abteilungen mit dem Formel-1-Engagement von BMW beschäftigt.

Titel-Bild zur News: Sauber-Fabrik in Hinwil

So sah die alte Sauber-Fabrik in Hinwil vor dem umfassenden Umbau aus

Die Zentrale von BMW Motorsport sitzt im Anton-Ditt-Bogen, im Münchner Norden. Hier werden die Formel-1-Motoren entwickelt, gefertigt und erprobt. Ende 2005 wurde hier der neue Komplex bezogen - mit der jüngsten Generation von Prüfständen und Labors für die Antriebsentwicklung. Im gleichen Gebäude wird die BMW Formel-1-Elektronik entwickelt und gebaut. Die Formel-1-Teilefertigung mit eigener Qualitätskontrolle liegt direkt nebenan.#w1#

Mit dem Neubau konnten nicht nur die Formel-1-Aktivitäten, sondern auch alle übrigen Motorsportprojekte von BMW an einem Standort zusammengeführt werden. Hier liegen alle Büros, darunter jenes von BMW Motorsport Direktor Mario Theissen. Die Abteilung "Sponsoring und Business Relations" ist hier zu Hause und auch die Logistik wird von hier aus gestemmt.

Viel Platz beansprucht das Materiallager im Keller der Zentrale. Hier sind unter anderem die Kleiderkammer für die Teamgarderobe untergebracht sowie zahlreiche Exponate. Alles in allem verteilen sich die Formel-1-Abteilungen auf sechs Gebäude für Werkstätten, Labors und Büros. Die Zugänge sind geschützt, ohne Anmeldung oder elektronischem Mitarbeiterpass gelangt hier niemand hinein. Das Ambiente wird von der Farbe Weiß dominiert, die weiteren BMW Motorsport Farben Blau und Rot setzen Akzente. Das moderne Interieur spiegelt den Charakter von BMW Motorsport wider - es ist modern und technisch durchdacht.

Nur ein paar hundert Meter entfernt, in der Münchner Knorrstraße, steht das BMW Forschungs- und Innovationszentrum, kurz FIZ genannt. Es ist die Keimzelle aller BMW Serienfahrzeuge und steht mit seinen Ressourcen und Ingenieurskapazitäten auch den Formel-1-Ingenieuren zur Verfügung. Umgekehrt profitieren die FIZ-Spezialisten von der Nähe zu dem rasenden Forschungsprojekt Formel 1 - nirgendwo sonst muss Theorie so schnell in Praxis umgesetzt werden.

45 Fahrminuten nordöstlich von München, in Landshut, liegt die Formel-1-Gießerei. Sie wurde dort an die Seriengießerei angegliedert, um kürzeste Wege für den Technologietransfer zu garantieren.

Seit 1917 fertigt BMW Hochleistungsmotoren. Heute gehören zur BMW Group die Marken BMW, MINI und Rolls-Royce. Das Unternehmen hat eine Produkt- und Marktoffensive mit mehr neuen Modellen als je zuvor gestartet. Bis 2010 soll der Absatz auf 1,6 Millionen Automobile steigen. Mit 1,33 Millionen ausgelieferten Automobilen im Jahr 2005 ist die BMW Group der weltweit erfolgreichste Hersteller von Premium-Automobilen. Die Zahl der Beschäftigten liegt bei über 100.000 in rund 50 Nationen.

Als Vorstand für Entwicklung und Einkauf ist Klaus Draeger seit dem 1. November 2006 auch für die Motorsportprojekte des Unternehmens verantwortlich. Sein Vorgänger Burkhard Göschel schied nach Erreichen der Altersgrenze aus dem Vorstand aus, steht BMW aber als Berater weiter zur Seite.

Die Formel-1-Geschichte von BMW reicht auf das Jahr 1952 zurück. Der bisher größte Erfolg gelang 1983 mit dem Gewinn der Fahrerweltmeisterschaft durch Nelson Piquet (Brabham BMW). Vor der Saison 2007 stehen für BMW insgesamt 217 Starts, 19 Grand-Prix-Siege und 32 Pole Positions zu Buche. Im Jahr 2006, der ersten Saison des BMW Sauber F1 Teams, wurden bereits zwei Podiumsplätze erzielt.

Boxenstopp in Hinwil

Das BMW Sauber F1 Team wächst. Am besten zu sehen ist das am Standort Hinwil, wo zwischen dem Windkanal und der seit 1992 bestehenden Fabrik ein Erweiterungsbau gedeiht. Besitzt die bisherige Fabrik (ohne Windkanal) eine Fläche von 6.900 Quadratmetern, so kommen mit dem neuen Komplex nochmals 8.700 hinzu. Ziel ist es, einerseits die Infrastruktur mit zusätzlichen Maschinen und Prüfständen signifikant zu erweitern, andererseits Platz zu schaffen für die neuen Mitarbeiter. Von ursprünglich 275 im Juni 2005 stieg deren Zahl bis Ende 2006 auf knapp 400. Weitere 30 werden im Laufe des Jahres 2007 hinzukommen.

Die Planung des Anbaus begann im Oktober 2005, bereits Anfang Februar erfolgte die Baueingabe, und Ende Juni erteilten die Behörden die Baubewilligung. Im Juli 2006 konnte mit den Aushubarbeiten begonnen werden. Die Fertigstellung ist für Herbst 2007 geplant.

Die Konzeption dieses auch optisch attraktiven Anbaus unterlag streng praktischen Gesichtspunkten. Er ist so ausgelegt, dass kurze Wege und optimale Arbeitsabläufe gewährleistet werden. Effizienz hat Priorität. So verbindet beispielsweise eine geschlossene Brücke das Konstruktionsbüro und den Windkanal. Die größte Fläche im Erdgeschoss wird durch die Lastwagenhalle sowie große Produktionsanlagen - unter anderem Portalfräsmaschinen und Autoklaven - in Anspruch genommen. Im ersten Stock sind kleinere Maschinen untergebracht.

Optisch interessant ist der zweite Stock gestaltet, wo die Kohlefaserabteilung untergebracht ist und wo in der Mitte die Formel-1-Rennwagen aufgebaut und gewartet werden. Dieser zentrale Teil ist als Atrium ausgebildet, sodass die Rennwagen auch vom dritten Stock aus zu sehen sind. Dort befinden sich die Administration, das Konstruktionsbüro sowie die Fahrzeugelektronik.

Windkanal: Mit voller Kraft voraus

Seit Frühjahr 2004 ist der hochmoderne Windkanal in Hinwil in Betrieb. Das 65 Meter lange, 50 Meter breite und 17 Meter hohe Gebäude besticht besonders durch seine mit Glas verkleidete Fassade. Hier befinden sich die Arbeitsplätze all jener Spezialisten, die in diesem Bereich arbeiten. Es handelt sich neben den Aerodynamikern um Modelldesigner und Modellbauer, CFD-Ingenieure sowie andere Mitarbeiter der Aerodynamikabteilung. Es ist zugleich jener Bereich, der am stärksten gewachsen ist. Seit Oktober 2006 arbeitet das BMW Sauber F1 Team, genau wie die Topteams, im Dreischichtbetrieb, also rund um die Uhr.

Die Technik der Anlage ist auf dem neuesten Stand. In Bezug auf Faktoren wie Windgeschwindigkeit, Größe der Testsektion und der Modelle, Dimensionen der "Rolling Road", "Model Motion System" sowie Datenerfassung ist die Anlage auf Topniveau. Der Windkanal ist als geschlossener Kreislauf ausgeführt, der eine Gesamtlänge von 141 Metern und einen maximalen Rohrdurchmesser von 9,4 Metern hat. Das Gewicht aller Stahlelemente beträgt inklusive Ventilatorgehäuse 480 Tonnen. Der einstufige Axialventilator mit Rotorblättern aus Karbon wiegt mit Antrieb und Verkleidung 66 Tonnen. Bei Volllast nimmt er eine Leistung von 3.000 kW auf und ermöglicht so Windgeschwindigkeiten bis zu 300 km/h. Damit keine störenden Schwingungen auf die Anlage übertragen werden, ist der Axialventilator über Schwingungsdämpfer mit einem massiven Betonsockel gekoppelt.

Das Kernstück jedes Windkanals ist die Testsektion, wo die Objekte dem Luftstrom ausgesetzt werden. Sowohl deren Querschnitt als auch die Länge der rollenden Straße sind besonders großzügig ausgelegt und bieten damit optimale Voraussetzungen für genaue Resultate. Gearbeitet wird vorwiegend mit 60-Prozent-Modellen. Die Aerodynamiker haben jedoch auch die Möglichkeit, Messungen am 1:1-Rennwagen durchzuführen.

Damit die Testobjekte nicht nur frontal, sondern auch leicht schräg bis zu einem Winkel von maximal zehn Grad angeströmt werden können, lässt sich die gesamte Messplattform drehen. Diese ist mit einem rotierenden Stahlband ausgerüstet, das die Relativbewegung zwischen Fahrzeug und Straße simuliert und synchron mit der Luftströmung läuft. Unter dem Rollband sind Wägezellen angebracht, mit welchen die Radlasten gemessen werden.

Über die Technik hinaus wurde bei der Konzeption des Windkanals auch dem Erscheinungsbild große Beachtung geschenkt. Das Gebäude beeindruckt nicht bloß durch seine Abmessungen, auch die mit Glas verkleideten Fassaden unterstreichen seine Einmaligkeit als Kombination von Industriebau und Eventgebäude.

Was von außen als homogene Halle erscheint, besteht tatsächlich aus zwei klar abgetrennten Gebäudeelementen: dem eigentlichen Windkanal und einem großzügigen, viergeschossigen Trakt mit Arbeitsräumen und einer Eventplattform, wo Partner und Sponsoren Marketingveranstaltungen, Kundenevents oder Seminare in einem einzigartigen Ambiente durchführen können.

Die Galerie im ersten Stock bietet 150 Personen Platz. Aus optischen Gründen liegt die Mittelachse der Windkanalverrohrung mehr als acht Meter über dem Boden. Mit Ausnahme der Messstrecke, die in eine Betonkonstruktion eingebettet ist, "schwebt" der aus Stahlelementen zusammengefügte Kreislauf in der Halle. Die beiden Bereiche werden durch eine Glaswand getrennt, so dass der optische Bezug erhalten bleibt, die Lärmemissionen des Windkanals aber wirkungsvoll abgehalten werden.

Im Erdgeschoss fand 'Albert2' Platz. Der neue Supercomputer des Teams wurde am 14. Dezember 2006 vorgestellt. Der 21 Tonnen schwere Computer für CFD-Berechnungen ist der leistungsstärkste seiner Art in der Formel 1. Hier werden parallel zur Messung im Windkanal die Strömungsverhältnisse am Fahrzeug simuliert - Messergebnisse also mit physikalischem Verständnis untermauert.