• 13.04.2006 16:17

  • von Edi Nikolic

Bourdais: "Man kann nicht ewig an die Tür klopfen"

Im Interview spricht der ehemalige Formel-3000-Champion und heutige Champ-Car-Meister über die für ihn verschlossene Formel-1-Tür

(Motorsport-Total.com) - Es gibt sicher viele außergewöhnliche Rennfahrer, die sich nie in der Formel 1 beweisen konnten, doch der erfolgreichste unter ihnen ist zweifellos der Franzose Sébastien Bourdais. Nach dem Gewinn der Formel-3000-Meisterschaft und zwei Champ-Car-Titeln in Folge war der sympathische Brillenträger auch am Wochenende beim Saisonauftakt in Long Beach nicht zu stoppen. Im Interview spricht der McDonalds-Pilot über seine Erwartungen für 2006, über die Formel-1-Gerüchte und über die schwierige Ausgangslage für den Formel-Nachwuchs.

Titel-Bild zur News: Sebastien Bourdais

Sebastien Bourdais hat den Traum von der Formel 1 (noch nicht) aufgegeben

Frage: "Frage: Du bist in der Champ Car World Series derzeit das Maß aller Dinge, hast zwei Meisterschaften gewonnen und in diesem Jahr sogar gute Chancen auf Titel Nummer 3. Wie gehst Du also vom Gefühl her in diese neue Saison 2006?"
Sébastien Bourdais: "Eines ist ziemlich klar: Wir hatten in den letzten zwei Jahren das Siegerpaket, also versuchen wir dort, wo wir sind, auch weiterhin zu bleiben. Die Konkurrenz wird sicher wieder stark sein mit Tracy, den Jungs von Ru-Sport und auch teamintern mit Bruno (Junqueira; Anm. d. Red.), aber natürlich habe ich den Anspruch meinen Vorsprung zu halten oder eher noch weiter auszubauen."#w1#

Frage: "Bedeutet der in Aussicht stehende Hattrick eine gewisse Belastung für Dich oder lebst Du eher mit dem Gefühl, niemandem mehr etwas beweisen zu müssen?"
Bourdais: "Man will den Leuten immer etwas beweisen, das ist im Rennsport ja ohnehin Part of the Game, dass man eben seine Leistung immer wieder bestätigen muss. Wenn es in einer Saison einmal nicht so gut klappt, würde man wieder ganz schnell auf der Verliererseite stehen. Es ist also nie ganz einfach, auch deshalb nicht, weil unsere Teams und unser Material so gleichwertig sind."

Frage: "Du wirkst bei der Streckenbesichtigung und im Umgang mit Deinen Ingenieuren immer extrem fokussiert und analytisch, was schon für mich doch auffallend an Deinen erfolgreichen Landsmann Alain Prost, den 'Professor' erinnert..."
Bourdais: "Du kannst hier nur so arbeiten, weil am Auto eben keine Evolutionen mehr möglich sind. Es ist also nur mehr die Summe verschiedener Kleinigkeiten, die einen Unterschied ausmacht. Auf was wir bei der Streckenbesichtigung im speziellen schauen sind Veränderungen am Belag, die zum Beispiel über die Wintermonate entstanden sein können, und da wollen wir natürlich nichts übersehen. Auch wegen der Sicherheit nicht."

Frage: "Nach der letzten Saison gab es für Dich offensichtlich ein Angebot aus der Formel 1 von BMW. Wie knapp warst Du wirklich dran, in den Grand-Prix-Zirkus zu wechseln?"
Bourdais: "Es war zumindest ein gutes Gefühl für mich, mit jemandem in Kontakt zu sein, der ein ernsthaftes Interesse an mir hatte, aber darüber ist ja schon genug geschrieben worden. Letztlich hatte Jacques (Villeneuve; Anm. d. Red.) eben seinen gültigen Vertrag und ich eben keinen. So einfach ist das."

Frage: "Champ Car hat in Europa einen guten Ruf, weil ihr Jungs ja noch ohne Fahrhilfen, wie Schaltautomatik, Traktionskontrollen, etc. auskommen müsst. Wie siehst Du selbst diesen Vergleich?"
Bourdais: "Die Unterschiede sind groß. Vor allem aber bist Du hier nicht in erster Linie von Deinem Team abhängig, weil alle mit genau den gleichen Mitteln kämpfen. Wie gesagt, gibt es zwischen Newman/Haas, Ru-Sport und noch ein, zwei anderen Teams so gut wie keine Unterschiede. Es ist einfach unser Lola Chassis mit dem Cosworth-Motor und dieses Paket kann man nur mehr marginal mit verschiedenen Dämpfern und ein paar anderen technischen Feinheiten verbessern. Die Entwicklungsschritte liegen im Bereich von ein bis zwei Zehntelsekunden pro Jahr, was mit der Formel 1 natürlich überhaupt nicht vergleichbar ist."

Frage: "Lass uns noch ein wenig über den Nachwuchs plaudern. Du hast vor vier Jahren als Formel-3000-Champion ein gutes Angebot bekommen und gleich den Sprung über den großen Teich zu Newman/Haas geschafft. Haben europäische Fahrer hier noch immer gute Chancen?"
Bourdais: "Im Grunde hat sich daran nichts geändert, aber es ist inzwischen leider allgemein so, dass es nur mehr ganz wenige Plätze gibt, die in der Formel 1 oder hier in den USA in der Topkategorie frei werden. Man sollte eigentlich nicht laut sagen, aber es hat traurigerweise auch damit zu tun, dass es früher öfter Tote und Verletzte gab und sich die Starterfelder dadurch immer wieder neu formiert haben."

"Heute gibt es hingegen Fahrer wie Paul Tracy oder Jimmy Vasser, die sind schon seit Jahren im Geschäft. Ich weiß, es gibt da draußen zehn oder vielleicht sogar 20 Fahrer, die sich eine Chance verdient hätten, aber im Grunde kommt es nur darauf an, zum richtigen Zeitpunkt an der richtigen Stelle zu sein."

"Für mich hat sich diese Chance damals in der Champ Car Serie ergeben, und mit der Formel 1 hat es eben nie ganz zusammengepasst. Man kann außerdem nicht ewig bei der Formel 1 an die Tür klopfen. Sie kennen mich, also wird es nicht auf einmal heißen 'Wow, der Fahrer ist eine Sensation lasst ihn uns einmal probieren'."