Bourdais: Amerika drückt die Daumen

Rennfahrer aus US-Serien haben in der Formel 1 einen sehr zweifelhaften Ruf, doch Sébastien Bourdais soll das ändern

(Motorsport-Total.com) - Dass Rennfahrer, die aus Nordamerika in die Formel 1 kommen, meist mit jeder Menge Skepsis aufgenommen werden, hat einen Grund: Michael Andretti wechselte 1993 zu McLaren, nachdem er in seiner Heimat (fast) alles gewonnen hatte, was es zu gewinnen gibt - aber in Europa versagte er völlig, wurde er vom großen Ayrton Senna in Grund und Boden gefahren.

Titel-Bild zur News: Sébastien Bourdais

Sébastien Bourdais in seinem neuen Umfeld, dem Formel-1-Toro-Rosso...

Ein paar Jahre später, 1999, riskierte Alessandro Zanardi als absoluter Überflieger der CART-Serie die Rückkehr in die Formel 1, aber auch der Italiener kam mit den agilen und wendigen Grand-Prix-Raketen nicht zurecht, zerschellte an Ralf Schumacher und vor allem auch an den bissigen Karbonbremsen, die für seinen Fahrstil Gift waren. Als es auch mit Stahlbremsen nicht besser wurde, kehrte Zanardi frustriert nach Amerika zurück.#w1#

Erfolgreiche Amerikaner in Europa

Es gibt allerdings auch Gegenbeispiele: Mario Andretti, der Vater von Michael, wurde 1978 Formel-1-Weltmeister, Jacques Villeneuve schaffte dieses Kunststück genau 19 Jahre später und Juan Pablo Montoya galt immer als angehender Champion, bis er von Ron Dennis und Co. genug hatte und in die etwas relaxtere NASCAR-Serie umstieg, wo der flamboyante Kolumbianer seinen Spaß am Rennfahren offenbar wiederentdeckt hat.

Und nun also Sébastien Bourdais. Der Franzose hat im Grunde genommen alle Voraussetzungen, um erfolgreich zu sein: Er hat die ChampCar-Serie in den vergangenen vier Jahren nach Belieben dominiert, kommt bei Toro Rosso ausreichend zum Testen - und, was viele schon vergessen haben: Er hat einen europäischen Hintergrund, stand nach seiner Formel-3000-Zeit mit Arrows und Renault in Kontakt, bekam dort aber nie einen Vertrag.

Die ChampCar-Granden werden ihm bei seinem Formel-1-Debüt natürlich genau auf die Finger schauen, schließlich geht es um die Reputation der Serie. Aus Sicht der Amerikaner kann es nämlich nicht sein, dass durchschnittliche Formel-1-Fahrer wie ein Robert Doornbos in Nordamerika prompt wie eine Granate einschlagen - man denke auch an Nigel Mansell im Jahr 1993 -, während umgekehrt die Amerikaner in Europa zumeist baden gehen...

Bourdais versteht Kritik an US-Serien

"Es ist kein Vorurteil, sondern eine Tatsache, dass der Formelsport in den Staaten nicht mehr so stark ist wie früher", erklärte Bourdais am Rande der Testfahrten in Jerez. "Die Serien wurden geteilt - ein paar Teams gingen in die IRL, ein paar in die ChampCar -, und dadurch wurde der Wettbewerb geschwächt. Es ist aber immer noch sehr schwierig, drüben zu gewinnen, denn es ist eine konkurrenzfähige Serie. Aber in der Formel 1 hat das US-Racing Glaubwürdigkeit verloren, bestimmt."

Insofern ist Bourdais bewusst, dass er 2008 auch ein bisschen als ChampCar-Botschafter unterwegs sein wird: "Alle in der ChampCar hoffen, dass ich mich gut schlagen werde, denn sie wollen zeigen, dass amerikanische Rennfahrer auf der ganzen Welt gut abschneiden können. Ich denke, da würden sich einige Herren sehr mit mir freuen", gab der 28-Jährige, der an der Seite von Sebastian Vettel für Toro Rosso fahren wird, zu Protokoll.

Sébastien Bourdais

... und in seinem alten Umfeld: ChampCar des Newman/Haas-Teams Zoom

Vielseitigkeit ist Trumpf

Bourdais gilt übrigens als einer der vielseitigsten Rennfahrer der Moderne - etwas, was inzwischen ja zur Seltenheit geworden ist: Sein Hintergrund liegt in den europäischen Nachwuchsklassen, anschließend versuchte er sich testweise in der Formel 1, ehe er mangels Alternativen nach Nordamerika ging und zum großen Abräumer wurde. Dazwischen fuhr er schon mal Le Mans als Werkspilot für Peugeot - und jetzt also Formel 1 als Stammfahrer.

Fällt dir dieses ständige Hin und Her nicht manchmal schwer, Sébastien? "Ich habe da Abteilungen in meinem Kopf", entgegnete er nicht ganz ohne unbescheidenes Grinsen. "Ich habe die Formel-1-Box, dann die ChampCar-Box, die Prototypen-Box - in diesen Boxen ist alles gespeichert. Alle unterscheiden sich voneinander, aber man kann einige der Disziplinen übergreifend verwenden - mit ein paar Anpassungen natürlich."

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