• 15.11.2012 19:16

"Best Wurst" im "German Belt": Heimspiel für "Kind" Vettel

Nach Hockenheim darf Sebastian Vettel am Sonntag praktisch ein zweites Heimspiel erleben - und vor vielen Texas-Deutschen vielleicht seinen dritten Titel feiern

(Motorsport-Total.com/SID) - Das legendäre Wurstfest hat der Formel-1-Tross knapp verpasst. Dennoch wird sich Weltmeister Sebastian Vettel bei dem im Titelkampf vielleicht schon entscheidenden Rennen in Austin wie bei einem Heimspiel fühlen. Denn Texas ist so deutsch wie keine andere Region in den USA. Dort gibt es Restaurants mit Namen "Oma's Haus", einen Ort namens Weimar, Straßen namens "Ewald Road" oder Shops mit dem halbherzig eingebürgerten Namen "Sac 'n' Pac".

Titel-Bild zur News: Sebastian Vettel

Vettel kann am Sonntag in Austin zum dritten Mal Weltmeister werden Zoom

Highlight des Jahres ist das Wurstfest im rund 40 Meilen von Austin entfernten New Braunfels. Dort wurde bis vergangenen Sonntag neun Tage lang in Lederhosen und Dirndl zu Blasmusik gefeiert. Wer etwas von diesem Feeling braucht, wird aber auch in Austin fündig, im Restaurant "Best Wurst".

Nerven für solche Randaspekte wird Vettel am Wochenende, an dem er vorzeitig zum dritten Mal in Folge Weltmeister werden kann, nicht haben. "Es ist das erste Rennen 2012 auf einem völlig neuen Kurs. Deshalb ist es wichtig, dass wir voll konzentriert sind und gleich im ersten Training unseren Rhythmus finden", sagt der Red-Bull-Pilot. Dennoch könnte ihm Unterstützung aus dem "German Belt", dem "deutschen Gürtel" vielleicht einen Schub geben.

Den Spaß vor seinem 100. Grand Prix hat sich der 25-Jährige nach eigenen Angaben jedenfalls nicht verderben lassen. "Da ist es wie mit der Rutsche. Man kann schon hundertmal runtergerutscht sein. Es macht immer noch so viel Spaß wie beim ersten Mal." Durch eine solche Aussage mag sich Jacques Villeneuve indirekt bestätigt fühlen. Denn der Weltmeister von 1997 hat harsche Kritik an Vettel geäußert.

"Er verhält sich wie ein Kind", merkte der Kanadier an und ergänzte zum Vergleich der Titelrivalen Vettel und Fernando Alonso: "Wenn die Umstände gegen ihn sprechen, bleibt Fernando ruhig und cool, während Vettel meistens aufgebracht reagiert, herumschreit und den Mittelfinger streckt." Alonso habe den Titel 2012 somit "eher verdient. Denn kein Zweifel: Er ist der Beste. Deshalb drücke ich ihm die Daumen."

Eine Aussage von Vettel ("fuck up") auf dem Podium nach dem zurückliegenden Rennen in Abu Dhabi hatte unter anderem dafür gesorgt, dass alle Teams ihre Fahrer zu einer vorsichtigeren Ausdrucksweise anhalten sollten. "Ich wollte niemanden vor den Kopf stoßen, und deshalb sollte man auch keine zu große Sache draus machen", meint Vettel und fügt hinzu: "Jeder kann schauen, was er will. Jeder hat die Fernbedienung in der Hand, und wer sensibel ist, kann Kindersendungen schauen."

In den Augen von Red-Bull-Motorsportberater Helmut Marko ist aber vor allem Vettels Psyche ausschlaggebend für die Aufholjagd. "Je mehr Druck er hat, umso besser wird Sebastian. Es zeigt jedes Mal die Formkurve bei ihm nach der Sommerpause nach oben", so der Österreicher gegenüber der Nachrichtenagentur 'APA'. "Nachdem das schon drei Jahre so läuft, ist es eine mentale Stärke, die zu all den anderen Faktoren, die Sebastian auszeichnen, noch hinzukommt."

Ex-Formel-1-Pilot Alexander Wurz hielt fest, dass Vettel in der zweiten Saisonhälfte im internen Vergleich deshalb davongezogen ist, weil das Team aus Verbundenheit zu ihm das Auto eigens für den Deutschen umgebaut habe. Bei der Fehlersuche habe man sich "eher auf Vettel konzentriert, weil er nicht klarkam", so Wurz: "Das ist eine zwischenmenschliche Geschichte."

Alonso konzentriert und gelassen

15 Punkte mehr als der aktuell zehn Zähler zurückliegende Alonso müsste Vettel am Sonntag holen, um schon vor dem Saisonfinale in Sao Paulo erneut als Weltmeister festzustehen. Doch Alonso bleibt gelassen. "Es wird wohl das vierte Mal, dass ich im letzten Rennen noch um den Titel fahre", so der Spanier: "Deshalb gehe ich das konzentriert, aber auch ganz gelassen an."

Für Austin ist das Sportereignis auf dem für 400 Millionen US-Dollar erbauten Kurs von großer Bedeutung, schließlich ist die 800.000-Einwohner-Metropole die bevölkerungsreichte Stadt der USA, die in keiner der vier großen US-Ligen NBA, NHL, NFL und MLB ein Team stellt. Deshalb will sich Austin auch als besonders grün und lebensfroh darstellen und den extrem konservativen Ruf Texas' bekämpfen. "Komm nach Austin. Es ist so schön hier, man merkt gar nicht, dass man in Texas ist", heißt es in einem Werbeslogan.

Bis vor einigen Jahrzehnten wurde hier sogar noch Texasdeutsch gesprochen. Die deutsche Hymne für einen Sieg von Vettel würde daher womöglich bei vielen Fans in Austin leise Heimatgefühle wecken.