• 15.03.2005 16:50

Berger: "Damit hat man nicht rechnen können"

Ex-Formel-1-Pilot Gerhard Berger im Interview über die Red-Bull-Überraschung, Patrick Friesacher und das neue Reglement

(Motorsport-Total.com) - Unseren Kollegen von 'Sport am Sonntag' gab Gerhard Berger, der 1997 in Deutschland als bisher letzter Österreicher einen Grand Prix gewonnen hat, ein Interview, welches dank freundlicher Genehmigung des 'ORF' nun auch bei 'F1Total.com' nachgelesen werden kann. Unter anderem sprach der 45-Jährige über die grandiose Red-Bull-Performance in Australien und das neue Reglement.

Titel-Bild zur News: Gerhard Berger

Gerhard Berger macht nach wie vor Urlaub vom Stress der Formel 1

Frage: "Gerhard, was machst du eigentlich derzeit den ganzen Tag, wenn du nicht das Leben genießt?"
Gerhard Berger: "In der Zwischenzeit habe ich mich an den etwas ruhigeren Tagesablauf gewöhnt. Mein Leben macht mir einen Riesenspaß. Weil wir so einen wunderschönen Winter hatten, war ich viel Skifahren. Nächste Woche fliege ich nach Kanada zum Helikopter-Skifahren. Natürlich beobachte ich auch ganz gespannt die Abläufe in der Formel 1, vor allem den Riesenerfolg von Red Bull. Ich bin schon ganz gespannt auf Malaysia."#w1#

Berger genoss das erste Rennen mit einem Bier auf der Couch

Frage: "Wie hast du das erste Rennen verfolgt?"
Berger: "Ich habe mir das Rennen zuhause angeschaut, auf der Couch und mit einem Bier am Tisch. Natürlich war ich Freitag, Samstag und Sonntag live dabei, weil ich unbedingt wissen wollte, wie es ausgeht."

Frage: "Hast du mit den Plätzen vier und sieben für Red Bull Racing gerechnet?"
Berger: "Nein, damit hat man nicht rechnen können. Das war ein besonderer Auftritt, das muss man wirklich sagen. Der erste Eindruck ist immer einer der wichtigsten. Es ist schon toll, was da der Truppe rund um 'Didi' Mateschitz gelungen ist. Es war ein besonders erfolgreiches Rennen. Wenn man auf so einem hohen Niveau einsteigt, gibt es natürlich auch Rückschläge, gar keine Frage, aber man hat schon erkennen können, dass diese Truppe diese Performance halten wird können. Sie werden das ganze Jahr hindurch immer wieder auf sich aufmerksam machen."

Klien "hätte seinen Job nicht besser machen können"

Frage: "Was bedeutet der siebente Platz von Australien für Christian Klien im Kampf um das Cockpit gegen Vitantonio Liuzzi?"
Berger: "Das Wichtigste ist, dass Christians österreichischer Pass nicht unbedingt die Eintrittskarte in das Red-Bull-Team war, sondern dass er sich seinen Platz hart erarbeiten müssen hat. Das hat er geschafft und darum ist er in Melbourne im Auto gesessen. Dass er mit den Punkten seine Leistung bestätigt hat, war für ihn irrsinnig wichtig und für das Team. Darauf kann er stolz sein, gar keine Frage, und ich bin überzeugt davon, dass er weiterhin gute Leistungen bringen wird. Man muss aber auch sagen, dass Vitantonio Liuzzi am Freitag mit der Bestzeit sofort auf sich aufmerksam gemacht hat. Daher ist das sicher noch nicht vorbei. Man kann noch nicht sagen, dass Christian das ganze Jahr im Auto sitzen wird. Er hätte seinen Job aber nicht besser machen können."

Frage: "Der andere Österreicher, Patrick Friesacher, fährt für Minardi-Cosworth. Was läuft da für ein Theater ab?"
Berger: "Einer der schwierigsten Momente für einen Rennfahrer ist es, die Eintrittskarte in die Formel 1 zu lösen. Das hat Patrick jetzt geschafft, auch wenn es Minardi ist. Das ist kein Traumteam, aber andererseits haben viele Fahrer ihren Weg über Minardi gemacht und sind dann bei den Spitzenteams gelandet. Mark Webber ist ein gutes Beispiel. Friesacher muss jetzt nur schauen, dass er die zwei oder drei Momente in diesem Jahr, in denen es für ihn läuft, ausnutzt. Das kann ein Regenrennen sein oder ein günstiges Rennergebnis. So muss er auf sich aufmerksam machen, dann kommt vielleicht nächstes Jahr das eine oder andere Team und sagt, 'Okay, der Friesacher hat jetzt ein bisschen Erfahrung, er kennt die Rennstrecken und wäre auch für uns gut genug'."

Berger vermisst noch die Überholmanöver vergangener Tage

Frage: "Du hast immer gesagt, dass in der Formel 1 wieder mehr überholt werden muss. Wie hat dir die Formel 1 mit ihrem neuen Reglement gefallen?"
Berger: "Man hat gesehen, dass das Feld wesentlich näher zusammengerückt ist. Ich glaube, dass das mit den härteren Reifen zu tun hat. Erfrischend fand ich, dass zwischen Platz eins und drei oder vier keine großen Abstände waren, sondern dass eigentlich jeder in Schlagdistanz geblieben ist - auch Coulthard mit dem Red Bull. Das ist super, ich glaube, das ist der richtige Weg. Nur die Überholmanöver selbst haben immer noch gefehlt. Da ist sicherlich noch die eine oder andere Regeländerung notwendig, damit wir das Überholen so zurückbekommen, wie es in früheren Jahren war."

Frage: "Beim nächsten Rennen in Malaysia werden alle auf die Motoren schauen, weil es ein enorm heißes Rennen wird und weil die Motoren schon ihren zweiten Einsatz vor sich haben. Was ist da zu erwarten?"
Berger: "Zuerst einmal ist mir aufgefallen, dass es beim ersten Rennen sehr wenige Ausfälle gegeben hat. An so etwas kann ich mich kaum erinnern, nur vor ein paar Jahren sind auch einmal 17 oder 18 Autos ins Ziel gekommen. Das war beeindruckend, aber man darf nicht vergessen, dass das Material jetzt nach Malaysia geschickt wird und dort wieder zum Einsatz kommt. Die Motoren dürfen nicht gewechselt werden. Daher rechne ich gerade zu Saisonbeginn, dass beim jeweils zweiten Rennen mit einem Motor der eine oder andere Fahrer mit einem Motorschaden stehen bleibt. Umso gespannter schauen wir alle jetzt nach Malaysia."