• 12.09.2004 18:25

  • von Marco Helgert

Barrichello: "Das Gefühl ist unbeschreiblich"

Rubens Barrichello über seinen ersten Saisonsieg, seine mutige Strategie, die Tifosi und sein Bangen zur Rennmitte

(Motorsport-Total.com) - Frage: "Ein großartiges Rennen. Am Ende der ersten Runde lagst du schon 6,9 Sekunden in Führung und bist dann in der fünften Runde an die Box gefahren."
Rubens Barrichello: "Beim Start war es eine schwierige Entscheidung, denn als wir in der Startaufstellung standen, war es noch ziemlich nass. Die Sonne schien und insgesamt begann es zu trocknen, aber es war schwierig zu wissen wann. Ich dachte mir, dass ich mit Regenreifen in den ersten fünf Runden vielleicht eine Lücke auffahren könnte. Aber es war schwierig, im Boxenfunk zu verstehen, ob ich hereinkommen sollte oder nicht: 'Alonso schlägt sich gut - nein, bleib draußen!' Ich denke, dass wir eine Runde zu lange draußen blieben, aber es ging sich ja aus. Es gab zur Rennmitte eine Phase, da dachte ich, alles sei verloren, weil mich Michael überholte, dann auch Pizzonia. Ich bin gestern ein Risiko eingegangen und habe auf ein leichtes Regensetup gesetzt. Aber es wurde so schnell trocken, dass ich viel Untersteuern hatte. Als das Benzin im Auto aber immer weniger wurde, wurde mein Auto schneller und schneller. Ich konnte angreifen."#w1#

Titel-Bild zur News: Rubens Barrichello

Rubens Barrichello und der "magische Moment" auf dem Podest

Frage: "Vor deinem dritten Boxenstopp warst du auch unglaublich schnell."
Barrichello: "Da habe ich auf nichts mehr geachtet, einfach nur Gas gegeben. Es war wie in der Qualifyingrunde gestern. Ich habe zu mir selbst gesagt, dass ich es verdiene, habe das Gaspedal einfach durchgedrückt und bin einfach so schnell gefahren wie ich konnte. Als ich wieder aus der Box kam, war niemand vor mir und auch keiner dahinter. Ich habe dann gefragt, wo ich denn wieder rausgekommen sei. Als sie dann sagten 'Platz eins', da habe ich etwas auf Portugiesisch gesagt, was ich hier nicht sagen kann. Es war ein phänomenales Gefühl, daher fühle ich mich auch so glücklich und erleichtert."

Frage: "Am Ende hattest du Michael Schumacher aber wieder groß in deinen Rückspiegeln."
Barrichello: "Zu diesem Zeitpunkt hat uns das Team gesagt, dass wir die Motoren schonen sollten, weil wir zur Mitte des Rennens sehr hart angegriffen haben. Aber da war ich mir schon sehr sicher."

Ferraris beste Saison

Frage: "Es muss ein emotionaler Tag für dich sein. Ein Hattrick (Pole Position, Sieg und schnellste Rennrunde) in Monza und der achte Doppelerfolg der Saison für Ferrari."
Barrichello: "Ich kann von ganzem Herzen sagen, dass es die beste Saison ist. Mir mangelte es zumindest an einem Sieg, aber von den Punkten her und den Siegen, die Michael einfuhr, die Art, wie wir die Herstellerwertung gewannen, ist es die beste Saison. Das Team ist sehr gut, der Sieg gehört also auch ihnen. In einer halben Stunde haben wir bereits ein Meeting und denken an das nächste Rennen, das zeigt die Stärke. Ich möchte also dem Team und den Tifosi danken, es war ein tolles Wochenende. Ich liebe jeden Moment davon. Auch wenn es einen Zeitpunkt zur Mitte des Rennens gab, an dem wir glaubte, dass wir verlieren würden. Aber wir kamen zurück, daher muss man einfach daran glauben."

Frage: "Wie war es, wieder auf dem Podest zu stehen und für Ferrari hier in Monza zu gewinnen?"
Barrichello: "Es ist magisch. Ich hatte einige Siege in meinem Leben und dieses Rennen habe ich als erstes zwei Mal gewonnen und es ist genau so magisch wie beim letzten Mal. Einige sagen, die Formel 1 sei langweilig, aber heute war sie das gewiss nicht. Vielleicht auch, neben anderen Gründen, wegen des Regens. Aber wohin man auch blickte, überall waren Leute. Das Gefühl ist unbeschreiblich, denn es sind Italiener. Sie haben ein großes Herz, genau wie die Brasilianer."

Start auf Intermediates war richtig

Frage: "Die Strecke trocknete nach dem Start schnell ab. War es eine schwierige Entscheidung, auf Regenreifen zu bleiben? Hättest du fast deine Meinung geändert?"
Barrichello: "Ich wusste, dass die Strecke wahrscheinlich eher als gedacht trocken sein würde, aber die Entscheidung viel auf der Runde in die Startaufstellung, da war die Strecke noch ganz schön nass. Das war auch gefährlich, denn bei solchen Bedingungen können die Michelins etwas schneller sein als wir. Von der Pole Position aus zu starten und nicht zu wissen, wo man bremsen muss, ist schwer. Hinten könnte sich ja auch jemand drehen und einen abräumen. Ich habe also einfach versucht, so schnell zu fahren, wie ich konnte, um mich von ihnen zu lösen. Das hat in den ersten beiden Runden gut funktioniert. Die Strecke trocknete unheimlich schnell ab. Es war schon die richtige Entscheidung, aber vielleicht hätten wir eine Runde eher an die Box kommen sollen, dann hätte ich es zur Rennmitte wohl einfacher gehabt."

Frage: "Hast du da gedacht, dass nun alles vorbei sei?"
Barrichello: "Als ich Michael kommen sah und ich die Plätze neun und zehn für uns entdeckte, da wusste ich nicht, wo genau wir stehen. Dann kam Pizzonia stark auf, aber er fuhr gerade aus und ich überholte ihn wieder, doch dann schnappte er mich erneut. Der Kampf zog sich hin, aber ich musste versuchen, so schnell wie möglich zu sein, weil ich ja auf einer anderen Strategie war. Zu Beginn hatte ich viel Benzin an Bord, dann änderten wir die Strategie, die für Regenwetter gedacht war. Da dachte ich, nun sei es vorbei. Doch in der nächsten Runde sah ich nicht mehr 'Platz neun', sondern ich war Vierter und die Jungs waren direkt vor mir. Da dachte ich mir, dass nun alles wieder besser werden wird, auch wenn ich Montoya nicht überholen konnte, denn beim Anbremsen war es ziemlich rutschig. Da war es gut, dass Ross Brawn und das Team die Strategie umgestellt haben."

Barrichello und die Ungewissheit

Frage: "Und wie war es, als du nach deinem letzten Stopp wieder auf die Strecke bist?"
Barrichello: "Das war unglaublich. Ich fuhr raus und bremste so spät wie möglich für die erste Schikane. Ich habe versucht, in das Publikum zu blicken, um zu sehen, ob sie aufstanden oder nicht. Das hätte mir gezeigt, ob ich einer guten Position liege. Aber ich konnte nichts sehen. Dann fragte ich über Funk nach, auf welchem Platz ich sei. Bei der 'Ascari'-Schikane riss die Funkverbindung ab, gerade als sie sagten: 'Rubens, beruhig dich, die bist auf Platz eins.' Ich konnte es nicht glauben und habe laut etwas in Portugiesisch geschrieen."

Frage: "In Runde 37 war dein Vorsprung auf Jenson Button noch nicht groß genug, um nach einem Boxenstopp gewinnen zu können. In Runde 42 hat es dann gepasst. Kannst du uns erklären, was in diesen fünf oder sechs Runden geschah?"
Barrichello: "Wie ich schon sagte, ich wusste nicht, wo ich stand und habe einfach alles gegeben. Die Balance des Autos war nicht fantastisch, als die Reifen vier oder fünf Runden alt waren. Vom Cockpit aus musste ich da etwas verändern. Das Auto wurde besser und besser, speziell beim Bremsen. Ich konnte einen sehr schnellen Rhythmus finden. Ich habe überall angegriffen, bis ich in die Box einbog, da ich ja nicht genau wusste, wo ich mich befinde."

Frage: "Was erwartest du von Schanghai?"
Barrichello: "Unsere Erwartungen sind so hoch wie möglich. Man sagt, dass die Anlage und die Strecke aufregend sein sollen. Ich hoffe, dass wir dort ein gutes Rennen haben können. Ich habe den Kurs bisher nur auf dem Papier gesehen, daher freue ich mich darauf."