• 05.11.2001 17:32

  • von Fabian Hust

Arrows-Chefdesigner Sergio Rinland im Interview

Ex-Sauber-Designer Sergio Rinland spricht im Interview ausführlich über seine neue Aufgabe beim Arrows-Team

(Motorsport-Total.com) - Bei Sauber war Sergio Rinland in diesem Jahr noch maßgeblich am Erfolg des C20 beteiligt, jetzt zeichnet er bei Arrows am neuen Arrows A22. Der Argentinier hatte Sauber Anfang des Jahres aus privaten Gründen verlassen. Rinland, der 1952 in Argentinien geboren wurde und an einer argentinischen Universität seinen Abschluss im Fach Maschinenbau machte, begann 1970 mit dem Chrysler Formel-2-Team seine Erfahrungen im Motorsport zu sammeln. 1980 zog es den Argentinier dann nach England. Als Chefdesigner von Pro Racing Services zeichnete er für viele Autos der kleineren Formel-Klassen verantwortlich und nur drei Jahre später begann er seinen ersten Formel-1-Boliden bei RAM Automotive zu konstruieren.

Titel-Bild zur News: Arrows A22

Sergio Rinland wird in den kommenden Jahren die Autos für Arrows designen

Der hoch geschätzte Argentinier arbeitete bislang schon für viele Formel-1-Teams. 1986 bei Williams, anschließend bei Dallara und Brabham, wo er bis 1992 blieb. Nachdem das Team Brabham geschlossen wurde, gründete er sein eigenes Designteam, genannt Astauto, und arbeitete mit dem Fondmetal Formel-1-Team zusammen. Auf der Suche nach einer neuen Herausforderung zog es Rinland in die Vereinigten Staaten, wo er ein Jahr blieb und 1994 den Eagle-Toyota Indycar entwickelte. Anschließend kehrte er nach Europa zurück und schloss sich Keke Rosbergs Opel-Team in der Deutschen Tourenwagenmeisterschaft an. 1996 wurde er von Benetton als Senior Composite Ingenieur verpflichtet und blieb dort bis 1999. Danach nahm er den Posten des Chefdesigners bei Sauber an und stellte den in dieser Saison beeindruckenden Sauber C20 auf die Beine.
Im Interview mit der Website des Arrows-Team sprach Sergio Rinland über seine Arbeit im Arrows-Team von Teamchef Tom Walkinshaw.

Frage: "Wie würdest du deine Rolle als Chefdesigner in der modernen Formel 1 beschreiben?"
Rinland: "Der Begriff Chefdesigner hat in unterschiedlichen Teams andere Bedeutungen. Und der Titel Chefdesigner hat sich während der Jahre gewandelt. Ursprünglich gab es nur eine Person, die die technische Seite des Teams betreute und es gab den Chefdesigner, der ich bei Brabham in den 80ern bis 1991 war. Die Änderungen in den letzten zehn Jahren im Sport haben jedoch dazu geführt, dass die Rolle in die Position des Technischen Direktors und die des Chefdesigners aufgeteilt wurde. Während der Technische Direktor den ganzen technischen Aspekt des Teams übersieht, konzentriert sich der Chefdesigner auf das Design des Autos selbst."

"Als Chefdesigner muss man eine gute Beziehung zu allen Designern, Zeichnern und Ingenieuren haben, die am Design beteiligt sind, während man auch die Informations-Ressourcen aus der Aerodynamik, dem Fahrwerksdesign und der Rennentwicklungsabteilung zusammentragen muss. All dieses Wissen wird dann bei der Design-Gruppe angewandt, die vom Chefdesigner geführt wird, um ein starkes Auto zu konstruieren."

Frage: "Und wie bist du dazu gekommen?"
Rinland: "Wenn man von den alten Tagen des Motorsports spricht, so war es damals nicht notwendig, einen Abschluss oder eine Ausbildung zu haben. Grundsätzlich hatten die Leute, die technische Zeichnungen anfertigen konnten um ein gutes Auto auf die Beine zu stellen, die notwendigen Fähigkeiten. Es war deutlich einfacher. Leute mit einem Universitätsabschluss waren nicht üblich. Aber in den letzten 25 Jahren wurde es mehr und mehr wichtig, einen soliden Hintergrund zu haben, der einen Abschluss im Ingenieurswesen beinhalt. Und man braucht auch einen guten theoretischen Hintergrund in der Physik und Mathematik, um zu verstehen, wie das Auto funktioniert, wie es arbeitet und wie man es zum Laufen bringt."

"Es gibt keine Komponente im Auto, die nicht bis an das Limit belastet wird, um es so leicht wie möglich zu machen und um dies machen zu können, benötigt man einen Abschluss. Man kann so etwas nicht einfach zeichnen und dann das Beste hoffen. Aus diesem Grund bin ich auf die Universität gegangen, um Ingenieurswesen zu studieren, weil ich Autos entwerfen wollte. Das war das Ziel. Ich konnte mir aber nicht vorstellen, dass jemand zu mir kommt und sagt 'Hey, willst du ein Formel-1-Autos designen?'. Ich wollte schon Autos entwerfen, als ich klein war. Und alle meine Karriereschritte, in der Grundschule, auf dem College und der Universität zielten auf das Training zum Design von Autos ab."

Frage: "Bevor du zu Arrows kamst, hattest du bei einigen anderen Teams in einer bedeutenden Position Autos entworfen, mit besonderem Augenmerk auf den in diesem Jahr so erfolgreichen Sauber C20. Warum hast du das Team verlassen?"
Rinland: "Ich hatte Sauber schon vor dem ersten Rennen der Saison verlassen. Als das Auto erst einmal fertig war und wir es das erste Mal getestet hatten, ging ich. Das war eine Entscheidung, die ich bereits früh getroffen hatte. Jeder sagte, wie kann Sauber nur ohne einen Chefdesigner Rennen fahren? Aber man braucht einen Chefdesigner, um ein Auto zu entwerfen, nicht, um es zu fahren. Während der Saison hilft der Chefdesigner bei der Entwicklung, aber das Team spürt so einen Weggang nicht wirklich, erst 12 bis 18 Monate danach."

"Ich habe ein paar Möglichkeiten abgewogen, mir die Angebote angeschaut und mich dann für Arrows entschieden, weil ich denke, dass ich hier erhalte, wonach ich suche. Es ist eine große Herausforderung. Das vor allem wegen dem Beitrag, den man hier leisten kann. Es gibt Teams, da kannst du einen geringen Beitrag leisten und welche, da kannst du viel bewegen."

Frage: "Angesichts der Tatsache, dass du zu Arrows zu einem Zeitpunkt gekommen bist, an dem die Entwicklung des A23 schon ziemlich weit fortgeschritten ist, wie groß denkst du wird dein Beitrag im Hinblick auf den Start der Saison 2002 sein?"
Rinland: "Ich werde Einfluss auf die nächste Saison haben aber nicht so sehr, wie wenn ich vom Anfang an dabei gewesen wäre und wenn ich vom Anfang rede, dann rede ich über den Mai. Da beginnt man, an das neue Auto zu denken. Für das Auto der Saison 2003 werde ich also voll verantwortlich sein. Da ich schon in die letzten Schritte der Entwicklung des A23 involviert sein werde, so werde ich noch mehr an der Entwicklung des A24 beteiligt sein."

Frage: "Was würdest du als dein Ziel für 2002 ansehen?"
Rinland: "Ich würde gerne in der Gruppe hinter der Top 3 kämpfen. Das ist ein realistisches Ziel. Arrows ist kein großes Team, auch wenn wir ein großes Unternehmen sind. Wir haben eine Menge von Anlagen, aber wir sind noch nicht groß genug im Bezug auf das Budget und eine Menge anderer Dinge, die ein Team erfolgreich machen. So können wir nicht mit Sicherheit sagen, dass wir im nächsten Jahr Vierter werden. Aber das sollte unser Ziel sein, angesichts der Position, auf der wir momentan stehen."

"Aber wir müssen uns auch vor Augen rufen, dass es auch Benetton, Jaguar, BAR, Jordan und Sauber gibt, die alle um diese eine Position kämpfen. Es wird kein einfacher Fight sein, aber es ist ein Ziel, nach dem wir streben müssen. Wir werden einen guten Motor, hoffentlich gute Fahrer haben und das wird uns die Möglichkeit geben. Dann liegt es an uns. Mit den drei Teams, die mit ihren Fahrern, Motoren, dem Budget, der Infrastruktur und der verfügbaren Technologie über uns stehen, ist das das Ziel, das wir verfolgen müssen."

Frage: "Mit diesem Ziel im Hinterkopf, wie stellst du sicher, dass du das meiste aus dem neuen Auto herausholst?"
Rinland: "Man muss ein Auto bauen, das auf 80 Prozent aller Strecken Leistung zeigt, nicht auf 20 Prozent aller Strecken. Das ist eine Grundsatzentscheidung, die man fällen muss und da muss man sich eigentlich auch keinen Kopf zerbrechen. Man muss da gar nicht zu sehr grübeln, wenn 80 Prozent aller Kurven in der Formel mit 150-180 km/h durchfahren werden, warum soll man dann ein Auto bauen, das in 240-km/h-Kurven gut ist, wenn es davon nur zwei in der Meisterschaft gibt?"

Frage: "Was denkst du darüber, dass sich das Reglement im Vergleich zum vergangenen Jahr nur so wenig verändert hat?"
Rinland: "Das ist eine gute Frage. Die Sache ist die, dass die FIA ein Reglement machen sollte, das mindestens drei Jahre stabil bleibt, aber das machen sie nicht, weil die Autos jetzt schneller sind als jemals zuvor. Ihre Änderungen haben nicht das Ziel erreicht. Und, als sie dies gemerkt haben, war es schon zu spät, denn die Leute hatten schon am nächstjährigen Auto gearbeitet. Sie sprechen über neue Modifikationen für 2003 und das wird eine große Veränderung geben ? das muss auch so sein. Sie werden die Aerodynamik wie immer kastrieren, um die Geschwindigkeiten der Autos zu senken und um die Sicherheit zu erhöhen. Das Ziel wird es sein, die aerodynamische Leistung zu senken, dann werden sie wieder Millionen im Windkanal ausgeben, um den Verlust wett zu machen."

Frage: "Was das Design angeht, hast du das Gefühl, dass die immer komplexer werdende Computertechnologie im Sport das Risiko mit sich bringt, dass das Design der Autos zu kompliziert wird?"
Rinland: "Ich würde nicht sagen zu kompliziert. Wir spielen doch gar nicht auf dem höchsten Level, wegen des Reglements. Wir verwenden die neuste CAD-Technologie, um die Autos zu entwerfen und wir verwenden die letzte CFD-Technologie für die Aerodynamik, wir verwenden die letzte Fahrwerksprüfstands-Software, um das Verhalten der Autos zu überprüfen. Aber man muss sich zum Beispiel einmal die Luftfahrtindustrie anschauen. Sie sind uns in vielen, vielen Gebieten wegen ihrer anderen Anforderungen voraus."

"Was die Technologie der Straßenautos und Elektroniken angeht, so gibt es Dinge wie das ABS, die nicht erlaubt sind. Jetzt dürfen wir die Traktionskontrolle verwenden, aber diese unterscheidet sich von den Straßenautos und wird deshalb anders umgesetzt. Ich denke, dass es ein Grund der FIA war, die Elektronik etwas freizugeben, damit die Autos profitieren, die dort draußen auf der Straße fahren. Ob ich da dafür bin oder dagegen, das wäre ein Thema für ein weiteres Interview?"

"Die Straßenautos tendieren auch dazu, zum Beispiel aktive Aufhängungen zu haben, die nicht erlaubt sind. Wenn diese Dinge erlaubt wären, dann wären die Autos zu schnell für die Strecken, auf denen wir fahren müssen. Es wäre wie in diesem Film 'Rollerball' und das wäre zu schnell, zu gefährlich und einfach verrückt, also müssen wir die Autotechnologie für die Strecken, auf denen wir fahren, anpassen."

Frage: "Du liebst ja wohl die Autos schon seit deiner Jugend. Es sieht so aus, als sei dies schon immer dein Traumjob gewesen?"
Rinland: "Das Lustige ist, dass ich nie von Autos umgeben war und in einem Gebiet Argentiniens aufwuchs, in dem Autos sehr wenig verbreitet waren. Fakt ist, dass es ein sehr kleines Dorf war, wo man eine Weile auf der Straße stehen musste, bevor man ein Auto vorbeifahren sehen konnte, ich nehme also an, dass sie mich in meinem jungen Alter fasziniert haben."

"Ich muss von meinem Vater beeinflusst worden sein, der Ingenieur war und Brücken, Häuser, Straßen und was auch immer entworfen hat? was er übrigens heute immer noch macht, obwohl er Mitte 70 ist. Wenn man etwas macht, was einem Spaß macht, warum soll man dann damit aufhören? Man tritt doch auch vom Leben nicht zurück, oder?"