Als Weltmeister taut sogar der "Iceman" auf!

Kimi Räikkönen wird nicht umsonst "Iceman" genannt, aber der WM-Titel kehrt selbst beim kühlen Finnen die emotionelle Seite hervor

(Motorsport-Total.com) - Sieben Jahre hat Kimi Räikkönen gebraucht, um endlich Formel-1-Weltmeister zu werden - 2003 und 2005 war er jeweils knapp an diesem Ziel vorbeigeschrammt. Und angesichts dieses Erfolgs in seiner ersten Saison für den Traditionsrennstall Ferrari kamen auch beim sonst so kühlen Finnen einige Emotionen hoch.

Titel-Bild zur News: Kimi Räikkönen

Endlich Formel-1-Weltmeister: Dieser Schluck sei dir vergönnt, Kimi!

Unmittelbar nach der Zieldurchfahrt in São Paulo wirkte er am Boxenfunk zwar noch sehr gefasst, weil er zunächst ja gar nicht wusste, ob es tatsächlich gereicht hat, aber auf dem Podium war sein zufriedenes Grinsen dann schon ungewöhnlich breit - auch wenn der "Iceman" natürlich keine Latino-Weinkrämpfe im Stile eines Rubens Barrichello hinlegte, sondern trotz allem noch sehr gefasst wirkte. Aber: Die Freude war ihm unverkennbar anzusehen.#w1#

Räikkönen-Familie war nicht in Brasilien

Nach der Feier in São Paulo, bei der auch einige Drinks geflossen sind, die er sich redlich verdient hat, landete der neue Weltmeister in Zürich, von wo aus er zunächst einmal seine Villa in der Schweiz aufsuchte, in der seine Eltern Matti und Paula schon auf ihn warteten. Die beiden hatten das Rennen von dort aus verfolgt - in getrennten Zimmern, weil Mutter Räikkönen so euphorisch war, dass Vater Räikkönen seine Ruhe haben wollte, wie man hört.

"Ich bin so glücklich, dass es schon fast weh tut!" Kimi Räikkönen

"Ich bin so glücklich, dass es schon fast weh tut! Das ist ein Traum, der in Erfüllung geht", zeigte sich Räikkönen ungewohnt gefühlsbetont. "Schon seit ich ein Kind bin, wollte ich immer Weltmeister werden. Als ich sieben Jahre alt war, war ich erstmals an einer Rennstrecke - es war eine alte Kartbahn in Bembole, nur fünf Kilometer von unserem Haus entfernt. Das war so etwas wie meine zweite Heimat. Heute habe ich viele Lieblingsstrecken, aber Interlagos ist die wichtigste davon."

"Ich habe immer gesagt, dass es das Ziel meiner Karriere ist, Weltmeister zu werden. Ein paar Mal war ich schon nahe dran - und jetzt hat es geklappt", sagte er. "Wir haben unser Bestes gegeben, um zu gewinnen. In diesem Sport muss man immer bis zum Ende alles geben. Man weiß nie, was in einem Rennen passieren kann - schaut euch nur die letzten drei Rennen an, dann wisst ihr, wovon ich spreche!"

Nach Fuji sah es noch düster aus

In der Tat: In Fuji war Lewis Hamilton zwischendurch schon mal Weltmeister - und vor den letzten beiden Grands Prix in Shanghai und São Paulo hatte Räikkönen bereits 17 Punkte Rückstand auf die Spitze. Doch entgegen aller Erwartungen kämpfte er mit zwei Siegen noch einmal zurück, hatte er gleichzeitig auch das Glück, dass Hamilton in beiden Rennen patzte - und plötzlich war alles anders, reichte es doch noch zum WM-Titel.

"Irgendwie glaubten wir noch an ein Wunder." Kimi Räikkönen

"Fuji", erinnerte sich der 28-Jährige, "war wirklich schrecklich für uns. Wir lagen am Ende des Feldes und unser Rennen war praktisch sofort vorbei. Wir verließen Japan mit 17 Punkten Rückstand - ohne Chance, noch mal zurückzukommen. Ich denke, ich kann sagen, dass nicht mehr als zehn Leute außerhalb des Teams auf uns gewettet hätten. Wir haben aber nicht aufgegeben. Irgendwie glaubten wir noch an ein Wunder."

Hamiltons Boxengassenpatzer in Shanghai sei dann sein "Joker" gewesen, denn dadurch ging er mit rechnerischen Chancen ins WM-Finale - und in solchen Rennen kann bekanntlich alles passieren, wie man am vergangenen Wochenende gesehen hat. Vor dem 17. und letzten Rennen in São Paulo habe er "schon Hoffnung" gehabt, gab Räikkönen zu Protokoll, "aber ehrlich gesagt stand es um unsere Chancen nicht mehr allzu gut".

Erste Runde war entscheidend

"Das letzte Rennen", meinte er, "war sehr emotionell. Die ersten vier Fahrer schieden nicht aus, aber es gab einen harten Positionskampf. Ich hatte den besten Start der Saison und hätte auch Felipe (Massa; Anm. d. Red.) überholen können, aber ich hatte einen Plan - und der beinhaltete keinen Kampf mit dem Teamkollegen." Und als er sah, dass Hamilton in Kurve vier neben der Strecke war, witterte der Ferrari-Pilot noch einmal seine Chance: "Die erste Runde war entscheidend."

Felipe Massa und Kimi Räikkönen

Herzlicher Dank an den Teamkollegen: Kimi Räikkönen mit Felipe Massa Zoom

Räikkönen bedankte sich bei Massa, der ihn freiwillig vorbeiließ, was von Ferrari geschickt eingefädelt wurde - ein Vorgehen, gegen das nicht einmal McLaren-Mercedes-Teamchef Ron Dennis etwas einzuwenden hatte, weil es absolut verständlich war. Als die Ferraris dann ihre Positionen getauscht hatten, war endgültig klar, dass es reichen könnte: "Solche Emotionen hatte ich im Cockpit noch nie, alles lief perfekt. Es war wie ein Geburtstagsgeschenk des Himmels!"

"Ich möchte allen danken, die mir in all den Jahren nahe gestanden sind, auch all meinen Fans. Dank auch ans Team: Es ist fantastisch, ein Teil des großartigsten Teams aller Zeiten zu sein. Dieses Jahr habe ich die Formel 1 mehr genossen als je zuvor. Ich habe davon geträumt, mit Ferrari den Titel zu gewinnen, denn das ist schließlich der Traum eines jeden Rennfahrers", gab der Finne, der erst Ende 2006 McLaren-Mercedes verlassen hat, zu Protokoll.

Neunter Ferrari-Weltmeister der Geschichte

Räikkönen darf mit Recht stolz sein, den nach Alberto Ascari, Juan Manuel Fangio, Mike Hawthorn, Phil Hill, John Surtees, Niki Lauda, Jody Scheckter und Michael Schumacher ist er erst der neunte Weltmeister des Traditionsrennstalls aus Maranello - der erste, der nicht Schumacher heißt, seit 1979. Was nämlich viele vergessen: Die Schumacher-Ära einmal ausgenommen, fuhren die Roten in der Moderne den Erfolgen meistens hinterher.

"Dieses Team gibt nie auf." Kimi Räikkönen

Warum das jetzt anders ist, glaubt der neue Champion zu wissen: "Dieses Team gibt nie auf - sie arbeiten unermüdlich. Wir hatten schwierige Momente, aber wir schlugen immer zurück. Das zeigt die Qualität der Leute, die hier arbeiten. Danke noch mal! Ich möchte mich aber auch bei den Sponsoren und Partnern bedanken - gemeinsam haben wir als Team das Paket eines Weltmeisters auf die Beine gestellt", analysierte Räikkönen.

In den nächsten Tagen wird er gemeinsam mit Ehefrau Jenni in seiner schweizerischen Wahlheimat ausspannen, anschließend stehen wieder Termine auf dem Programm. Zuerst wird er sich bei Ferraris Finali Mondiali in Mugello zeigen, um gemeinsam mit dem Team und den Tifosi zu feiern: "Darauf freue ich mich schon sehr - und dann wird es Zeit für einen Urlaub, meinen ersten als Formel-1-Weltmeister!"