• 24.06.2012 20:08

Alonso: "Schwierig, in Worte zu fassen, was ich fühle"

Ferrari-Pilot Fernando Alonso spricht über seinen emotionalen Heimsieg in Valencia und dankt den Fans und seinem Team für diesen Rennsonntag

(Motorsport-Total.com) - Nach Startplatz elf war die Enttäuschung groß, doch umso größer war die Freude über Platz eins: Fernando Alonso machte beim Großen Preis von Europa in Valencia das schier Unmögliche noch möglich und holte sich den Sieg vor Kimi Räikkönen (Lotus) und Michael Schumacher (Mercedes) - und das auch noch vor seinen spanischen Fans. In der Pressekonferenz zeigt sich Alonso daher sehr gerührt und spricht ganz offen über seine Gefühle. Für ihn war dieser Sieg ungeheuer wichtig.

Titel-Bild zur News: Fernando Alonso

Ein Küsschen in Ehren: Fernando Alonso mit dem Siegerpokal von Valencia

Frage: "Fernando, in Valencia standen drei ehemalige Weltmeister auf dem Podest, doch an diesem Wochenende ist es besonders gut, ein spanischer Sportler mit dem Namen Alonso zu sein. Ein klasse Sieg für dich ..."
Fernando Alonso: "Ja. Es ist schwierig, in Worte zu fassen, was ich gerade fühle. Seinen Heim-Grand-Prix zu gewinnen, ist etwas Einmaliges. Das ist ein ganz besonderes Gefühl. Ich hatte schon 2006 die Gelegenheit, dergleichen mit Renault in Barcelona zu erleben. Ich kann mich noch immer sehr gut an diesen Tag erinnern. Jetzt gelang mir das Gleiche hier in Valencia. Und mit einem besonderen Team, nämlich Ferrari."

"Die Tribünen waren ganz in Rot getaucht und es wurden spanische Flaggen gezeigt. Und weil gerade die Fußball-EM läuft, haben wir alle eine sehr spanische Atmosphäre in uns. Ich fühle mich sehr stolz, ein spanischer Sportler zu sein. Dieses Rennen in Spanien zu gewinnen, ist emotional gesehen wahrscheinlich mein bester Sieg. Damit ist nichts zu vergleichen."

Frage: "Wie viel Vergnügen hat es dir bereitet, hier zu siegen?"
Alonso: "Ich weiß gar nicht, was ich dazu sagen soll. Es ist ein prima Gefühl. Wie ich schon vorher sagte: Ich kann mich noch gut an Barcelona 2006 erinnern, selbst so viele Jahre danach. Mit der Zeit werde ich vielleicht noch bessere Erinnerungen an Valencia haben."

"Im Augenblick gehen mir aber alle möglichen Gefühle durch den Kopf. Ich möchte mich einfach bei meinem Team und den Fans für die Unterstützung bedanken, die ich während dieses Wochenendes gespürt habe. Vor allem nach dem Qualifying am Samstag hatten wir eigentlich nicht geglaubt, noch um das Podest oder dergleichen kämpfen zu können."

"Im Augenblick gehen mir alle möglichen Gefühle durch den Kopf." Fernando Alonso

"Als ich mich nach der Safety-Car-Phase aber an dritter Stelle wiederfand, dachte ich nur: 'Hoffentlich ist das Rennen jetzt zu Ende, dann kann ich das Podest genießen.' Zwei Runden später überholte ich Grosjean und dachte erneut an das Rennende. Dann schied Vettel aus. Es war noch ganz schön lang bis zur Zielflagge, doch ich genoss diesen Augenblick sehr. Aber wie ich schon sagte: Es ist schwierig, meine Gefühle in Worten auszudrücken."

Erst Startplatz elf, dann Sieg in Spanien

Frage: "Nach dem enttäuschenden Qualifying am Samstag sprudelst du nun schier über vor Freude. Wie erklärst du dir all dies? Liegt das einfach nur an der Formel 1 in diesem Jahr?"
Alonso: "Das ist die Formel 1. Besser kann man es nicht ausdrücken. Sie ist unvorhersehbar. Es gibt gute Ergebnisse, doch sie ist noch immer ein Sport."

"Darum geht es im Sport. Im Sport hast du Höhen und Tiefen. Der Samstag war eine bittere Pille für uns. Wir waren niedergeschlagen, denn wir hatten es nicht in Q3 geschafft. Du darfst aber niemals aufgeben, denn im Sport kann alles Mögliche passieren. In der Formel 1 ist das vielleicht noch mehr der Fall. Da gibt es so viele Faktoren wie die Autos, die Bremsen, die Motoren."

"All dies kann während eines Rennens kaputtgehen. Es gibt viele Dinge, um die wir uns kümmern müssen: den Start, das Überholen, sonstige Manöver. Wenn du all dies zusammennimmst, dann erhältst du einen Formel-1-Grand-Prix. Wir hatten heute ein klasse Rennen, einen guten Start, ein paar tolle Duelle. Ich kann mich an sechs oder sieben Überholszenen erinnern, bei denen es wirklich eng war."

"Wir hatten heute ein klasse Rennen." Fernando Alonso

"Wir berührten uns sogar. Zwischen Grosjean und mir kam es beim Restart zu einer Berührung. All diese kleinen Augenblicke können auch schiefgehen. Und dann landest du in der Mauer - oder stehst am Ende als Sieger da. Heute hatten wir alle guten Faktoren und natürlich auch das Glück auf unserer Seite. Das müssen wir jetzt genießen."

Frage: "Nach dem Qualifying hattest du noch darauf verwiesen, dass das wichtige Rennen noch ausstehen würde. Man weiß ja nie, was noch alles passiert - und es ist einiges passiert ..."
Alonso: "Ja. Das war ein weiteres Beispiel von Freitagen und Samstagen in der Formel 1, die ordentlich sind und Spaß machen."

"Du kannst die Hackordnung im Feld anhand der Leistung der Fahrzeuge einschätzen. Es ist ein guter Check, um zu sehen, wo du stehst. Unterm Strich ist das Freitagstraining aber eine Sache, bei der wir unterschiedliche Teile des Autos testen. Samstags ist es dann ganz okay."

"Es ist natürlich viel einfacher, wenn du aus den vorderen Startreihen losfahren und ein sauberes Rennen haben kannst. Bis zur Zielflagge kann aber alles Mögliche passieren. Bis 14 Uhr hatten wir ein schlechtes Wochenende gehabt. Jetzt haben wir ein sehr gutes Wochenende. Das dürfen wir nie vergessen: Bis zur letzten Rennrunde musst du positiv gestimmt bleiben und an dich glauben."

Alonso ist wieder einmal zu Tränen gerührt

Frage: "In Abu Dhabi 2010 hast du zum letzten Mal ein paar Tränen vergossen. Jetzt war es wieder so weit. Kannst du uns die Atmosphäre im Team erläutern und sagen, wie hart dort im vergangenen Monat gearbeitet wurde?"
Alonso: "Nein, da ging es mehr um meine eigenen Gefühle und um die Menschen auf den Tribünen. Ich weiß, es ist nicht gerade die beste Zeit in Spanien."

"Wir haben eine Krise und die Leute haben viele Probleme. Wenn du dann noch einen Grand Prix besuchen willst, musst du schon tief in die Tasche greifen. Es gibt Familien, die eine weite Reise auf sich genommen haben, um hier dabei zu sein. Sie schlafen in ihren Autos oder in ihrem Wohnmobil oder wo auch immer. Sie versuchen, das Rennen zu genießen. Und am Samstag ..."

"Nun, du fühlst dich nicht traurig. Wir hatten nur nicht gezeigt, was sie sich vielleicht erhofft hatten. Dafür zahlten wir ihnen heute einiges zurück. Es war ein kleines Stück - für die Unterstützung, die sie uns haben zuteil werden lassen, und all die Probleme, denen sie sich gegenübersehen, all die Sorgen der Spanier."

"Wir, gemeinsam mit der Fußball-Mannschaft. Am Samstag sahen wir viele Fahnen in den Fenstern und auf der Straße. Man ist derzeit sehr stolz, Spanier zu sein, vor allem im Sport: Da wären Nadal, das spanische Fußball-Team und dergleichen. Ich hatte das Gefühl, etwas tun zu müssen. Heute ist ein sehr emotionaler Tag."

"Heute ist ein sehr emotionaler Tag." Fernando Alonso

Frage: "Wie schätzt du diesen Sieg im Vergleich zu deinen anderen Formel-1-Siegen ein? Du hast jetzt die WM-Führung inne, die Reifen haben wieder einmal nachgelassen und du hast vor heimischem Publikum gewonnen ..."
Alonso: "Rein emotional gesehen ist dies hier mein bester Sieg."

"Die Gefühle, die ich auf der Ehrenrunde und bei der Siegerehrung hatte oder jetzt gerade habe, lassen sich mit nichts Früherem vergleichen. Dieser Sieg vermittelt mir das bisher beste Gefühl. Das liegt an der gesamten Situation in Spanien. Ich sagte es ja schon: die Tribünen, das gesamte Wochenende, die Unterstützung. Wir haben Druck gemacht."

"Doch wie ich schon sagte: Die Rennen werden heutzutage von kleinen Faktoren entschieden. Grosjean und Vettel schieden aus. Wir hatten die Reifen, es gab eine Safety-Car-Phase und wir nutzten diese Möglichkeit zu einem Reifenwechsel - wie wahrscheinlich jeder. Ich denke, es gab schon Rennen - wie zum Beispiel dieses Jahr in Malaysia -, bei denen ich auf das reine Fahren noch stolzer war."

Welche Szene war die entscheidende?

Frage: "Gab es einen Schlüsselmoment im Rennen? Gab es eine Szene, in der du dich entscheiden musstest, die dir letztendlich den Sieg bescherte?"
Alonso: "Ich denke, da gab es vier oder fünf Augenblicke in diesem Rennen, die das Ergebnis verändert haben. Wahrscheinlich zunächst der Start."

"Die ersten Runden waren sehr aggressiv. Ich hatte in der ersten Kurve beinahe eine Berührung. In Kurve vier überholte ich dagegen, glaube ich, gleich zwei Autos auf der Außenseite. Das hat sicher etwas verändert. Mit Button hatten wir nämlich in Kurve eins ein Duell gehabt."

"Danach lag er an 14. Stelle oder dergleichen. Wenn du an einer solchen Position ankommst, ist dein Rennen viel schwieriger. Da hatten wir also Glück. Auch beim Überholen. Ich denke da an Maldonado, Webber und auch Michael, als wir aus der Box kamen. Natürlich: Wie mich Grosjean nach dem Restart überholte, war sehr risikoreich. In den beiden ersten Kurven berührten wir uns sogar."

"Danach fühlte ich, dass das Auto nicht mehr sehr gut war. Nach einer Berührung mit jemandem denkst du - aus welchen Gründen auch immer -, dass etwas kaputt ist. Das hält dann zwei Kurven lang an. Du machst dir einfach Sorgen, dass etwas passiert sein könnte. Du musst dich dann erst wieder davon überzeugen, dass alles okay ist."

"Du machst dir einfach Sorgen, dass etwas passiert sein könnte." Fernando Alonso

"Nach einer Runde waren die Zeiten aber okay und das Auto war in Ordnung. Das waren die Schlüsselmomente des Rennens. Hinzu kommt noch der letzte Stint, in dem die Reifen hinüber waren. Wir müssten den Verschleiß kontrollieren und gleichzeitig dem Druck von Grosjean, von Hamilton, von Kimi standhalten. So oder so - es gab keine Runde, in der wir hätten entspannen können."

Frage: "Hattest du dir Sorgen gemacht, die Reifen könnten erneut in die Knie gehen, wie schon in Kanada?"
Alonso: "Nein, doch sie ließen nach. Ich hatte mir keine Sorgen gemacht. Mein Team war schon in Sorge. Acht Runden vor dem Ende waren die Reifen allmählich hinüber. Ich sagte dem Team per Funk: 'Die Reifen sind am Ende. Wir müssen etwas tun.' Sie sagten nur: 'Warte noch einen weiteren Sektor ab, denn im Augenblick sind deine Hintermänner nicht schneller als du.'"

"Im nächsten Sektor sagten sie mir das Gleiche. Danach hieß es: 'Warte noch eine Runde, um zu sehen, wie viel schneller sie sind.' Sie fuhren genau gleich schnell wie wir. Wir warteten also eine weitere Runde. Plötzlich waren nur noch drei Runden zu fahren. Alle fuhren die gleichen Zeiten. Die Reifen waren aber so am Ende wie in Kanada. Nur dieses Mal galt das für alle."

Frage: "Hat dir dein Team mitgeteilt, dass Hamilton einen Zwischenfall mit Maldonado gehabt hatte?"
Alonso: "Sie sagten mir, es gäbe gelbe Flaggen in Kurve zwölf. Ein Auto stand dort auf der Außenseite. Ich sah, dass es ein McLaren war."


Fotos: Fernando Alonso, Großer Preis von Europa


Alonso stellt den Ferrari plötzlich ab

Frage: "Du hast schon früh gefeiert, nachdem du dein Auto abgestellt hattest. Gab es ein Problem, dass du schon auf der Ehrenrunde aussteigen musstest? Oder wolltest du einfach nur Party machen?"
Alonso: "Nein, nein. Wir hatten ein Problem mit dem Auto. Deshalb hielt ich an."

"Vielleicht war das genau die richtige Stelle dafür, denn dort befanden sich zwei Tribünen. Das Medical-Car ließ ein bisschen auf sich warten. Acht bis zehn Minuten lang feierten mich die Fans, gratulierten mir. Sie wollten mich herumhüpfen sehen. Du weißt schon: Sie wollten Spaß und Spielchen haben. Wir haben diese Minuten ein bisschen genossen."

Frage: "Du hast ein Problem in der Auslaufrunde angesprochen. Hatte dich das schon in den letzten Runden beeinträchtigt?"
Alonso: "Nein, ich denke nicht. Das Auto fühlte sich okay an. Auf der Ehrenrunde erhielt ich dann aber einen Notruf, wonach ich das Fahrzeug abstellen sollte. Es hatte sich aber gut angefühlt."

"Auf der Ehrenrunde erhielt ich dann einen Notruf." Fernando Alonso

Frage: "Weißt du schon, wo der Fehler lag?"
Alonso: "Nein. Ich hatte so viele Dinge, die ich in diesem Moment genießen wollte. Ich fragte daher nicht nach, was mit dem Auto los war."

Frage: "Glaubst du nun an den WM-Titel? Du hast jetzt zwei Siege eingefahren und scheinst auch das Glück auf deiner Seite zu haben?"
Alonso: "Ich denke, wir müssen immer vorsichtig sein. Zunächst einmal sollten wir immer ehrlich zu uns selbst und zu unseren Anhängern sein."

"Wir müssen sagen, dass wir kämpfen und hart arbeiten werden, damit wir konkurrenzfähig sind und um den Titel fahren können. Das ist natürlich das große Ziel von Ferrari. In jeder Meisterschaft, an der wir teilnehmen, sollte der Titel das Ziel sein, wenn man die Geschichte und das Niveau des Teams bedenkt. Am Samstag waren wir Elfter und 13. Daran müssen wir arbeiten."

"Es stimmt: Wir glauben fest daran und geben nicht auf. Wir haben Selbstvertrauen und sind bei jedem Grand Prix optimistisch. Gleichzeitig und trotz des Sieges wissen wir natürlich, dass wir uns noch nicht in der Position befinden, in der wir sein wollen. Es gibt einige schnellere Autos und davor können wir unsere Augen nicht verschließen. Wir müssen hart arbeiten."