Adrian Sutil im großen 'F1Total.com'-Interview
Big in Japan: Adrian Sutil ganz persönlich über sein Leben fernab der Heimat, seinen Traum von der Formel 1 und seinen ungewöhnlichen Werdegang
(Motorsport-Total.com) - Als Adrian Sutil im Freitagstraining am Nürburgring zweimal Zehnter wurde und seine beiden Teamkollegen bei MF1 Racing jeweils recht deutlich hinter sich lassen konnte, wurden im Fahrerlager einige Augenbrauen merklich nach oben gezogen: Mit einer solch starken Vorstellung des 23-jährigen Gräfelfingers hätte kaum jemand gerechnet.

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Deutschlands nächste Hoffnung für die Formel 1: Japan-Export Adrian Sutil
Mit etwas Abstand zur großen Formel-1-Premiere nahm sich Sutil diese Woche Zeit, um den 'F1Total.com'-Lesern Einblick in sein Leben in Japan zu geben, wo er derzeit in der Formel Nippon um den Durchbruch kämpft. In dem sehr persönlichen Interview sprach der MF1-Racing-Testfahrer unter anderem über seinen Traum, eines Tages für Toyota Grands Prix zu bestreiten, seine Leidenschaft für das Klavierspielen und vieles mehr.#w1#
Langsam freundet sich Sutil mit Japan an...
Frage: "Adrian, du bist jetzt schon seit einigen Wochen in Japan, wo es sehr große kulturelle Unterschiede zu Deutschland gibt. Hast du dich schon ein bisschen eingelebt?"
Adrian Sutil: "Ja, doch. Inzwischen habe ich mich schon ein bisschen eingelebt. Ich weiß jetzt, wie hier alles funktioniert, denn am Anfang kommt man nach Japan und man weiß gar nicht, wie man überleben soll! Man kann nicht lesen, man kann sich nicht verständigen - das ist echt schwierig. Jetzt haben sie mir aber alles gut gezeigt. Ich fange an, mich wohl zu fühlen."
Frage: "Wo lebst du genau?"
Sutil: "In Gotemba. Das ist 100 Kilometer von Tokio entfernt, direkt am Fuji. Ich kann von meinem Wohnzimmerfenster aus direkt den Fuji-Berg sehen. Das ist eine tolle Aussicht! Es ist eigentlich ganz schön hier, da kann man nichts sagen. Man kann auch Sport machen. Es ist bestimmt besser als die extrem verrückte Stadt Tokio."
Frage: "Du sitzt also quasi im japanischen Silverstone, im Motorsportzentrum, richtig?"
Sutil: "Ja, genau. Hier wohnen viele Fahrer, hier sind viele Teams und auch der 'Fuji Speedway'. Das kann man schon als Silverstone von Japan bezeichnen."
Frage: "Viele Rennfahrer, die vor dir in Japan waren, sind in ein Loch gefallen, weil sie sich wegen der Verständigungsprobleme nur noch in der Wohnung verkrochen haben. Fällt es dir schwer, abseits der Leute, mit denen du an der Rennstrecke sowieso zu tun hast, jemanden kennen zu lernen? Bist du eigentlich alleine in Japan?"
Sutil: "Japaner kennen zu lernen ist auf jeden Fall sehr schwierig, weil fast kein Japaner Englisch spricht. Wenn man sich nicht verständigen kann, dann bringt es auch nichts, miteinander irgendetwas zu machen. Das ist echt schwierig, aber zum Glück habe ich hier in Gotemba auch noch ein paar andere Fahrer, zum Beispiel Fabio Carbone und Marco Asmer. Wir drei machen eigentlich jeden Tag etwas zusammen. Das ist eigentlich immer ziemlich lustig."
Frage: "Wie sieht denn dein klassischer Tagesablauf aus, wenn du nicht mit Testfahrten oder Rennen eingespannt bist?"
Sutil: "Wenn ich so richtig frei habe, dann ist natürlich ein eher relaxter Tag angesagt. Ich stehe spätestens um 9:00 Uhr auf und mache in der Früh mein ganzes Internetzeugs, E-Mails und so weiter. Nachmittags gehe ich dann meistens trainieren - entweder mit den anderen Fahrern zusammen oder alleine. Ich habe hier ein Fitnessstudio, wo ich hingehen kann, und ich habe hier direkt einen Wald, wo ich super laufen kann. Ich schaue halt, dass ich mich so viel wie möglich bewege und die Zeit irgendwie nutzen kann."
Sushi nur einmal pro Woche - ansonsten 'McDonald's'
Frage: "Wie kommst du mit der japanischen Küche klar? Wie schmecken dir zum Beispiel Sushi?"
Sutil: "Es geht. Sushi kann ich maximal einmal die Woche essen, aber dann wird es ein bisschen viel. Ich mag die japanische Küche ehrlich gesagt auch nicht so gerne, aber hier gibt es auch ganz normales Essen. Wo man immer hingehen kann, ist der gute alte 'McDonald's'. Den gibt es überall. Es gibt auch Pizzerias hier. Es ist eigentlich so wie in Europa."
Frage: "Ist es vielleicht sogar auf einer gewissen Ebene eine spirituelle Erfahrung, wenn man als junger Mann wie du fernab von der Heimat und Bekannten in Japan ist, denn du kommst sicher viel zum Nachdenken, nehme ich an? Im Vergleich zu Europa, wo du auch andere Beschäftigungsmöglichkeiten hast, müsste sich jetzt eigentlich alles nur um den Motorsport drehen, oder?"
Sutil: "Ja, klar. Man hat hier schon ein bisschen mehr Zeit zum Nachdenken, man hat mehr seine Ruhe. Ich habe aber jetzt hier auch ein paar Freunde. Im Prinzip mache ich dasselbe wie zu Hause."
"Zu Hause hat man schon ein bisschen mehr zu tun, das ist ein bisschen anders, aber ich genieße eigentlich die Zeit hier - mal ein bisschen Ruhe zu haben. Manchmal wird es mir in München schon zu viel, denn da gibt es jeden Tag ein paar Leute, die mich anrufen und irgendetwas wissen wollen. Das ist hier ganz gut; hier ist das Telefon sehr schweigsam. Man kann sich einfach top vorbereiten und ein bisschen Ruhe haben, was für den Rennsport nicht schlecht ist."
Frage: "Wie hoch ist denn deine Telefonrechnung momentan, wenn ich so neugierig fragen darf?"
Sutil: "Es geht, es hält sich in Grenzen! Die Person, die mich am meisten anruft, ist meine Freundin, und die ruft mich immer auf mein Haupttelefon an. Sie hat einen speziellen Tarif, also ist es für sie auch nicht so teuer, und meine Telefonrechnung ist nicht sehr hoch. Manchmal ruft mich schon jemand am Handy an, aber dann schreibe ich denen halt eine SMS, dass sie mich zu Hause anrufen sollen. Sonst explodiert die Telefonrechnung. Darauf muss man schon Acht geben."
Frage: "Telefonierst du denn auch regelmäßig mit MF1-Racing-Teamchef Colin Kolles, was weitere Freitagseinsätze angeht?"
Sutil: "Ja. Ich schreibe meistens E-Mails. Da frage ich ihn jede Woche, wann es das nächste Mal geht, ob er nicht vielleicht doch mal einen halben Tag für einen Test hat. Ich bin da immer am Nachfragen und am Bohren. Anders geht es ja nicht. Mein Förderer Manfred Zimmermann macht da auch seine Arbeit immer gut. Natürlich halte ich aber immer den Kontakt, auf jeden Fall."
Schöne Erinnerungen an den Nürburgring

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Am Nürburgring durfte Sutil vor einer beeindruckenden Heimkulisse fahren Zoom
Frage: "Womit wir auch schon beim Thema sind: Du warst am Nürburgring erstmals an einem Grand-Prix-Wochenende im Einsatz. Seither sind ein paar Tage vergangen. Was ist dir denn von diesem Ersteinsatz am stärksten in Erinnerung geblieben?"
Sutil: "Das ganze Wochenende war allgemein etwas ganz Besonderes. Es war das erste richtige Rennwochenende, wo ich selber dabei war und selber gefahren bin. Es gibt viele verschiedene Dinge, die jetzt noch im Kopf sind: die Zuschauer, diese Rennstimmung - das war schon etwas ganz Besonderes. Natürlich auch die schönen Runden, die ich gefahren bin - und am Ende war es ja auch ziemlich erfolgreich. Es hat mich natürlich auch gefreut, dass dann viele Leute zu mir kamen und viel Presse um mich war. Ich habe eigentlich jede Sekunde genossen."
Frage: "Du warst zweimal Zehnter, im ersten Freien Training um eine halbe Sekunde schneller als Christijan Albers, im zweiten dann um drei Zehntelsekunden. Du kennst ja die Benzinmengen. Wie hättest du denn gewichtsbereinigt und unter annähernd gleichen Bedingungen ausgesehen?"
Sutil: "Das waren gleiche Bedingungen! Ich hatte halt mehr Reifen zur Verfügung, hatte sieben Sätze Reifen, die ich alle am Freitag verbrennen konnte. Die Stammfahrer mussten ihre Reifen für das Qualifying aufteilen und hatten am Freitag nur je einen weichen und einen harten neuen Satz. Von den Benzinmengen her hatten wir am Ende für die schnelle Runde alle ein gleiches Auto - also Albers, Monteiro und ich. Ich konnte mich aber natürlich ein bisschen mehr auf die neuen Reifen vorbereiten. Sie hatten nur einen weichen und einen harten Satz. Vielleicht war es dadurch für sie schwieriger. Im Prinzip war das Auto ziemlich gleich, nur hatte ich ein bisschen mehr Praxis mit den neuen Reifen."
Frage: "Du bist recht zufrieden mit deiner Leistung, warst wie gesagt zweimal Zehnter und hast keine groben Fehler gemacht - und das in einem Auto, das nicht zur Elite der Formel 1 gehört. Was ist denn danach von Colin Kolles und auch von deinem Ingenieur an Feedback gekommen?"
Sutil: "Mein Ingenieur ist schon seit meinen ersten Tests in Valencia sehr überzeugt von meiner Arbeit, weiß, was ich kann - und ist sehr stolz darauf, wie ich fahre. Er sagt mir immer: 'Super gemacht!' Von ihm kommen eigentlich immer nur positive Sachen rüber. Colin Kolles war das erste Mal dabei, als ich gefahren bin, denn in Valencia war er nicht dabei, aber er hat mir auch gratuliert, hat gesagt: 'Super gemacht!' Er sagt ja immer so ein bisschen, dass er das ohnehin erwartet hätte..."
"Er hat mir damals auch geholfen, als ich bei meinem ersten Formel-3-Test Green und Huisman geschlagen habe. Gleich am nächsten Tag hat er mich zu Mercedes nach Stuttgart geschleppt, zu Gerhard Unger, und hat mir dort den Mercedes-Vertrag beschafft. Das war dasselbe. Ich habe ihn auch jetzt wieder richtig überzeugt, daher sagte er, dass er es ohnehin gewusst hat."
Freude über das Lob von Surer, Haug und Co.
Frage: "Angefangen bei der Presse über Norbert Haug bis hin zu unserem Experten Marc Surer haben sich alle recht lobend über dich geäußert, weil man das nicht unbedingt erwartet hatte. Freut einen das als junger Fahrer oder geht das beim einen Ohr rein und beim anderen wieder raus?"
Sutil: "Das freut einen schon! Mich freut es sehr. Ich weiß ja selber am besten Bescheid, was ich kann, und ich kann meine Leistungen ganz gut einschätzen. Ich hatte mir schon vorgenommen, eine gute Vorstellung abzugeben. Dass es gleich für Platz zehn reicht, hätte ich natürlich nicht gedacht. Das ganze Ergebnis war ziemlich toll für mich - und auch die Reaktionen waren ganz toll. Das hat mir auf jeden Fall sehr viel Ansporn gegeben. Es war eine super Motivation."
Frage: "Wie geht es jetzt in der Formel 1 weiter für dich? Magny-Cours ist ja der nächste geplante Einsatz, aber wie sieht es mit regulären Testfahrten aus und vielleicht auch mit dem geografisch nahe liegenden Freitagstest in Suzuka?"
Sutil: "Nach dem guten Test am Nürburgring hat Colin schon mal gefragt, wann ich denn Zeit hätte für andere Freitagstests. Es kann auch sein, dass ich noch vor Magny-Cours vielleicht irgendwo drin hocke oder nach Magny-Cours. Wir haben noch ein paar Freitage, die übrig sind und die noch keiner bezahlt hat, die frei sind. Colin Kolles versucht bestimmt, mich da reinzusetzen. Das machen wir diese Woche. Wir werden bestimmt anfragen, wie es aussieht für die nächste Zeit - auch mit dem ganzen Testen. Das ist aber alles nichts Festes. Fest ist nur Magny-Cours. Das ist ganz sicher, aber es kann gut sein, dass ich noch ein paar mehr Einsätze am Freitag bekomme und noch ein paar normale Tests. Das werden wir in den nächsten Wochen sehen."
Frage: "Um das Geld für den Freitagsplatz hättest du dir viel 'Capri-Sonne' kaufen können. Ohne Geld geht es heute in der Formel 1 nicht mehr. Ist unter deinen Sponsoren jemand, der unter Umständen auch mehr Geld auf den Tisch legen würde, um ein Stammcockpit möglich zu machen?"
Sutil: "Naja, ich hoffe es! Man weiß nie, was die wirklich ausgeben, aber man kann diese Sponsoren nur überzeugen und mit Resultaten versuchen, sie auf seine Seite zu bekommen, damit sie mir das ermöglichen. Eigentlich ist mein Ziel aber, nächstes Jahr in ein Werksteam zu kommen und dann gar nichts bezahlen zu müssen. Das ist eher mein Wunsch."
Frage: "Meinst du damit schon die Formel 1 oder eine andere Rennserie?"
Sutil: "Klar, auf jeden Fall die Formel 1! Vielleicht kann ich 2007 bei irgendeinem anderen Team als Freitagstester fahren und muss nichts bezahlen."
Toyota wäre für Sutil eigentlich das logische Formel-1-Team
Frage: "Wie realistisch schätzt du denn die Chancen ein, dass wir dich 2007 regelmäßig in der Formel 1 sehen werden?"
Sutil: "Das ist immer schwer zu sagen, denn man weiß nie, was da passiert. Ich sage mal: Es ist bestimmt möglich. Ich sage aber bestimmt nicht: Ich werde auf jeden Fall dabei sein! Ich werde alles dafür geben, dass ich nächstes Jahr dabei bin. Ob es dann Freitagstester wird oder Grand-Prix-Fahrer, das ist mir eigentlich egal. Ich möchte dabei sein - und am besten in einem Werksteam, zum Beispiel Toyota, BMW oder sonstige Teams, die einen Freitagstester einsetzen und wo der Fahrer meistens kein Geld mitbringen muss."
Frage: "Ohne dich auf eine Aussage festnageln zu wollen, wäre Toyota die nahe liegende Variante, nicht wahr?"
Sutil: "Genau. Das wäre das Schönste für mich, wenn ich bei Toyota Testfahrer wäre, denn hier in Japan bin ich ja auch in Toyota-Händen - und das gefällt mir sehr gut. Das sind sehr nette Leute. Wenn ich dort in der Formel 1 weitermachen könnte, wäre das die ideale Lösung."
Frage: "Die Konkurrenz ist in der Formel 1 unglaublich stark. Jedes Jahr wollen 50 oder mehr Bewerber eines dieser 22 Cockpits haben. Sogar bei MF1 Racing hast du mit Markus Winkelhock einen starken Konkurrenten, und dann gibt es auch noch Mondini und Del Monte, die viel Geld auf der Kante haben. Legst du dir im Wissen, dass es nicht so einfach ist, auch einen Alternativplan zur Formel 1 zurecht, falls es nicht klappen sollte, oder bist du völlig auf die Formel 1 fokussiert?"
Sutil: "Ich bin schon völlig darauf fokussiert, denn wenn man sich nicht hundertprozentig dazu entschließt, da reinkommen zu wollen, dann schafft man es nicht. Ich denke zu hundert Prozent, dass ich es schaffen werde, und ich arbeite deswegen ganz hart dafür, aber im Hinterkopf denkt man schon darüber nach, wo es für einen weitergehen könnte, falls es mit der Formel 1 nicht klappen sollte."
"Sich da jetzt schon eine Notlösung bereit zu halten, so weit sind wir aber noch nicht. Alle Weichen sind für die Formel 1 gestellt. Wenn wir Ende des Jahres sehen, dass es gar keine Chance gibt, dann schauen wir, was neben der Formel 1 sonst noch möglich wäre."
Frage: "Was wären denn abseits der Formel 1 andere Rennserien, die dich reizen würden?"
Sutil: "Ich würde schon gerne im Formelsport bleiben. Was mich reizen würde, ist auf jeden Fall ChampCar in Amerika. Die IRL würde mich auch reizen, mal ein paar Ovalrennen zufahren, aber ich möchte schon auch ein paar Rennen auf einem ganz normalen Rundkurs haben. ChampCar wäre meine zweite Wahl nach der Formel 1."
Schwieriger Auftakt in der Formel Nippon

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'Capri-Sonne' und 'Medion' ermöglichen Sutil seine Freitagstests in der Formel 1 Zoom
Frage: "Für deinen Lebenslauf ist wichtig, zunächst mal die Meisterschaft in Japan zu gewinnen. Von den Resultaten her war das erste Rennwochenende recht positiv, das zweite nicht ganz so. Wie läuft es denn bisher für dich?"
Sutil: "Es läuft eigentlich gut. Das erste Wochenende war ziemlich gut. Leider hatte ich im zweiten Rennen das Pech, dass mir einer hinten reingefahren ist, wodurch ich den Sieg verloren habe. In Suzuka hatte ich ein paar Probleme. Es war Pech, dass sie mir die Runden im Qualifying gestrichen haben, weil die letzten drei Runden lang gelbe Flaggen waren. Dann musste ich von hinten starten. In Suzuka kann man schwer überholen, aber ich bin trotzdem noch einmal auf den dritten Platz gekommen. So gesehen war es dann doch nicht so schlecht."
"Das Team ist auf jeden Fall sehr gut und das Auto ist im Normalfall immer siegfähig, wenn alles klappt. Es passiert aber immer etwas, was man nicht vorhersehen kann. Es ist auch viel vom Wetter abhängig - manchmal regnet es, manchmal ist es trocken. Wenn man nicht gerade in der letzten Sekunde, in der die Strecke am besten ist, eine gute Runde hinbekommt, dann steht man nicht ganz vorne. Ich bin auf jeden Fall sehr zufrieden mit den Resultaten, aber ich weiß, dass es eigentlich noch besser geht. Es wird auf jeden Fall in den nächsten Rennen noch weiter nach vorne gehen."
Frage: "Ist der Titel in Japan entscheidend für deine weitere Karriereplanung? Wie groß ist der Druck von deinem Management und von den Sponsoren, dass es damit klappt?"
Sutil: "Druck ist immer ein bisschen da, aber ich spüre den nicht so sehr. Ich möchte natürlich für mich selber den Titel unbedingt gewinnen, aber ob es entscheidend ist für die Formel 1, weiß ich nicht. Ich sehe nur, dass die Formel 1 sehr wenig auf Nachwuchsserien wie die Formel 1 guckt - besonders in Japan. Die schauen ein bisschen auf die GP2, aber sie sind alle so fokussiert auf ihr Formel-1-Thema, dass sie von anderen Serien fast gar nichts mitbekommen."
Frage: "War die GP2 auch ein Thema für dieses Jahr?"
Sutil: "Die war auch ein Thema. Wir hätten bei einem guten Team fahren können, aber eigentlich wollten wir bei ART fahren. Das ging nicht. Also sagten wir: Okay, wenn wir nicht beim besten Team fahren können, dann müssen wir schauen, dass wir irgendetwas anderes bekommen. Es ist fast überall so, dass die Chancen einfach schlechter sind, wenn man nicht gewinnt. Also fährt man lieber irgendwo, wo man gewinnt. Dann haben wir bei Midland angefragt, ob ein Testfahrerjob möglich wäre, und dann kam das allmählich zustande. Wir hatten ein gutes Angebot von Colin Kolles - und zeitgleich wurde ich von Toyota in Japan angerufen, die mich gefragt haben, ob ich Formel 3 fahren kann. Das erschien uns wie eine super Kombination. Am Ende haben wir dann auch gesagt: Okay, machen wir das!"
Rückkehr nach Europa ist für 2007 geplant
Frage: "Wie lange möchtest du denn in Japan bleiben? Soll es bei diesem einen Jahr bleiben oder kannst du dir auch vorstellen, noch ein zweites anzuhängen?"
Sutil: "Nein, es sollte schon bei einem Jahr bleiben. Ich würde gerne wieder nach Hause kommen. Ich möchte in Europa Rennen fahren und in Zukunft auch dort wohnen und leben. Man weiß nie, was kommt. Ich würde sicher auch noch ein Jahr hier bleiben, wenn es keine andere Möglichkeit gibt, aber mein Ziel ist auf jeden Fall, in Europa zu fahren."
Frage: "Du bist mit 14 Jahren in den Motorsport eingestiegen, was für heutige Verhältnisse recht spät ist, und dein Hintergrund ist auch ziemlich ungewöhnlich. Vielleicht kannst du einfach mal kurz erzählen, wie deine Kindheit war und wie du zum Motorsport gekommen bist!"
Sutil: "Meine Kindheit war sehr musikalisch. Ich habe mit vier Jahren zum Klavierspielen angefangen. Meine ganze Familie besteht aus Musikern. Mit zehn, elf Jahren hatte ich schon ziemlich große Auftritte - sogar in Italien und im Ausland! Meine Mutter, die Klavierlehrerin war und mir das beigebracht hat, wollte natürlich, dass ich später auch was mit der Musik mache, aber mit 13 hat mich mein Bruder mal auf die Kartbahn mitgenommen. Er hatte davon von einem Freund erfahren. Also bin ich mal mitgekommen. Es hat mir so gut gefallen, dass ich mit meinem Bruder in der nächsten Woche gleich wieder auf die Kartbahn gegangen bin - und schließlich fast jeden Tag dort verbracht habe! Nach ungefähr einem Jahr hatte ich dann auch schon Formel-1-Rennen gesehen. Das fand ich alles ganz toll, und dann entstand der Traum, dass ich mal Rennfahrer werden möchte."
Frage: "Motorsport ist auch bei den Karts keine billige Sache mehr. Wie würdest du deine Familienverhältnisse beschreiben? War es anfangs ein Problem, deine Kartkarriere zu finanzieren?"
Sutil: "Ja, das war schon ein Problem. Am Anfang hatte ich auch gar keine Unterstützung von meinem Vater und meiner Mutter, denn sie wollten nicht, dass ich Rennen fahre. Dann habe ich mir das selber finanziert, indem ich auf der Kartbahn kleine Arbeiten gemacht habe. Mit 14 darf man ja nicht normal arbeiten, aber ich habe gefragt, ob ich Reifen aussaugen darf oder Karts putzen kann, um mir meine Fahrten zu verdienen. Das habe ich zwei Jahre so gemacht, bis ich meinen Vater überzeugen konnte, dass ich es mit diesem Sport wirklich ernst meine. Dann hat er allmählich angefangen, mich auch ein bisschen zu unterstützen."
Ohne fremde Hilfe wäre Sutil das Geld ausgegangen
"Trotzdem hatte ich immer ein paar Leute, die mir ein bisschen geholfen haben, zum Beispiel jemanden, der mir als Mechaniker und mit den Motoren geholfen hat. Das hat er umsonst gemacht. Das ist jetzt ein guter Freund. Der nächste Teamchef hat es mir dann billiger gegeben, so dass ich es mir gerade mal so leisten konnte. Es war aber wirklich immer an der Grenze. Mein Vater hat am Ende alles dafür getan und sehr viel gearbeitet, damit ich das machen kann. Es war auf jeden Fall nicht einfach, das alles zu finanzieren."
Frage: "Wie du sagst, waren deine Eltern anfangs nicht so begeistert. Musstest du das Kartfahren vor ihnen verheimlichen?"
Sutil: "Am Anfang vielleicht ein bisschen. Zu sagen, dass ich schon wieder auf der Kartbahn war, war mir immer ein bisschen unangenehm. Natürlich habe ich gemerkt, dass sie das nicht mochten. Aber das war mir eigentlich egal, denn ich wollte das unbedingt machen. Es war das Schönste auf der Welt für mich. Ich musste das machen, also konnte ich es dann auch nicht mehr verheimlichen. Am Ende haben sie es dann auch verstanden."
Frage: "Inzwischen hat die Sache finanzielle eine ganz andere Dimension angenommen. Kannst du deine Karriere komplett über Sponsoren finanzieren oder steckt da auch eigenes Geld mit drin?"
Sutil: "Nein, eigenes Geld könnte ich auch gar nicht auftreiben. Das kommt alles von Sponsoren und meinem Management - auch privates Geld vom Herrn Zimmermann, der immer noch selber ein bisschen mitbezahlt, wenn es nicht reicht. Wir selbst bezahlen aber gar nichts. 'Capri-Sonne' und 'Medion' bieten mir eine super Unterstützung. Ich selber bin total entlastet."
Frage: "Noch mal kurz zum Klavier zurück: Du hast vorhin erwähnt, dass du auch schon Auftritte in Italien hattest. Was war denn bisher dein größtes Publikum?"
Sutil: "Das waren so 400, 500 Leute in einem großen Saal. Da stand nur das Klavier auf der Bühne. Ich bin dann hingegangen, habe mich gesetzt und mein Programm abgespielt."
Frage: "Du warst ganz alleine auf der Bühne?"
Sutil: "Genau, ganz alleine."
Klavierspielen kommt momentan viel zu kurz
Frage: "Wie oft spielst du heute noch Klavier?"
Sutil: "Wenn ich Zeit habe, spiele ich schon ein paar Mal, aber in Japan habe ich leider gar keine Chance, Klavier zu spielen."

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Sutils Leidenschaft ist schon seit seiner frühen Kindheit das Klavierspielen Zoom
Frage: "Du hast also keinen Flügel in deiner Wohnung?"
Sutil: "Nein. Ich würde mich aber glatt freuen, wenn ich hier ein Klavier stehen hätte. Ich würde auf jeden Fall spielen. Momentan spiele ich ziemlich selten, aber wenn ich zu Hause bei meiner Mutter bin, dann spiele ich eigentlich immer."
Frage: "Gibt es denn einen Song, den du besonders gerne spielst?"
Sutil: "Mein Lieblingsstück - eigentlich auch jetzt noch mein Lieblingsstück am Klavier - war die 'Rhapsody in Blue' von Gershwin. Das ist etwas Moderneres, ein sehr langes Stück, sehr schwierig. Ich konnte das mit zwölf Jahren schon unglaublich gut spielen. Das ist immer noch mein Lieblingsstück."
Frage: "Der Motorsport hat für die Aktiven eine gewisse Halbwertszeit. Kannst du dir vorstellen, danach die Klavierkarriere wieder zu verfolgen?"
Sutil: "Nein, eigentlich möchte ich das nicht machen. Ich möchte schon irgendwas mit Rennautos in meinem Leben zu tun haben. Die Karrieren sind ja meistens so mit 45, 50 Jahren spätestens zu Ende. Danach würde ich trotzdem schauen, im Rennsport zu bleiben. Eine Musikkarriere kann ich mir eher nicht vorstellen."
Frage: "Eine letzte Frage noch: Wo siehst du dich im März 2008, wenn alles so läuft, wie du es dir realistisch vorstellst?"
Sutil: "Ich sehe mich in meinen Gedanken auf jeden Fall in der Formel 1. Ich weiß nicht, bei welchem Team, aber es wäre mein Wunsch, mit Toyota in der Formel 1 zu sein."

