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  • 16.03.2011 15:19

  • von Christian Nimmervoll & Dieter Rencken

2013: Weniger Vollgas, mehr Ground-Effect

Luftwiderstand auf Monza-Niveau, weniger Anpressdruck und weniger Vollgas: So soll das neue Gesicht der Formel 1 ab 2013 aussehen

(Motorsport-Total.com) - Die fortschreitende Beschneidung der Motoren und die aerodynamische Weiterentwicklung haben in den vergangenen Jahren dazu geführt, dass in der Formel 1 immer mehr Vollgas gefahren wurde. Rennstrecken mit 70 Prozent Volllastanteil sind längst keine Einzelfälle mehr und selbst frühere Mutkurven wie Eau Rouge oder Blanchimont gehen inzwischen locker voll.

Titel-Bild zur News: Sebastian Vettel

Die Formel 1 könnte ab 2013 ein komplett neues Gesicht bekommen

Doch das könnte sich schon bald wieder ändern, denn hinter den Kulissen planen die Teams in Zusammenarbeit mit der FIA die neue Formel 1, die ab 2013 ein ganz anderes Gesicht bekommen wird. Bereits im vergangenen September hat 'Motorsport-Total.com' die Rückkehr der Turbomotoren enthüllt, aber erst nach und nach sickern auch zum künftigen Chassisreglement Details durch. Offenbar ist auch in diesem Bereich eine umfangreiche Reform geplant.

Reform des Chassisreglements

"Das Reglement, wie es im Moment steht, sieht Ground-Effect-Autos vor, 15-Zoll-Felgen, einen Standard-Heckflügel, längere Seitenkästen und ein paar andere Details", verrät Williams-Technikchef Sam Michael im Gespräch mit 'Motorsport-Total.com'. "Die Diskussionen darüber laufen gerade und ich rechne bei der nächsten Sitzung der Technischen Arbeitsgruppe am Ende dieses Monats mit einer Entscheidung."

Die Zustimmung der Technischen Arbeitsgruppe für die im Auftrag der FIA von Rory Byrne (Ferrari) und Patrick Head (Williams) entwickelten Pläne einzuholen, ist reine Formsache; anschließend müssen die Änderungen im Mai vom Motorsport-Weltrat der FIA endgültig abgesegnet werden. Von da an können die Teams erste Studien über das Reglement 2013 anstellen. Michael: "Sobald das Reglement feststeht, werden wir uns mit dem 2013er-Auto beschäftigen."

Die Ziele des Reglements sind klar definiert: Reduktion des Benzinverbrauchs um ungefähr 30 Prozent, Reduktion des Luftwiderstands und Anpressdrucks, weniger Volllastanteil, damit die Autos schwieriger zu fahren sind, und KERS, um ein Zeichen für den Umweltschutz zu setzen. "Der Luftwiderstand soll auf Monza-Niveau reduziert werden", bestätigt Michael und erläutert, dass dies eine Beschneidung der heutigen Aerodynamik um 50 Prozent bedeuten würde.

¿pbvin|512|3511||0|1pb¿Gleichzeitig glauben die Teams, dass es der richtige Weg zu mehr Überholmanövern ist, den einst verteufelten Ground-Effect nicht nur zuzulassen, sondern sogar zu forcieren. "Anstatt eines flachen Unterbodens werden wir auf jeder Seite des Unterbodens einen Kanal haben", sagt Michael. Vorteil: Durch den Ground-Effect entstehen für den hinterherfahrenden Piloten keine so starken Luftverwirbelungen, wie dies bei einer aerodynamisch ausgefeilten Karosserie der Fall ist.

Außerdem behauptet der Williams-Technikchef, dass die Teams voraussichtlich sogenannte Turbo-Compound-Motoren einsetzen werden. "Es spricht nichts dagegen", erklärt er. "Erlaubt ist, einen Elektromotor hinter dem Turbolader zu haben." Bei Turbo-Compound-Motoren handelt es sich laut Wikipedia "um einen Verbrennungsmotor, bei dem die Energie der Abgase außer durch die Turbine eines Turboladers auch durch eine nachgeschaltete Nutzturbine verwertet wird".

Teams tappen noch im Dunkeln

Für die Chassisdesigner wird sich durch das neue Motorenreglement einiges ändern - alleine schon die Einbauarchitektur wird komplett anders sein. "Das ist sicher eine Herausforderung", erwartet Sauber-Technikchef James Key, räumt aber im Gespräch mit 'Motorsport-Total.com' ein, dass man derzeit nicht genau wisse, was sich alles ändern wird. Ein Beispiel: "Mit welchem Vibrationsniveau müssen wir rechnen? Fest steht nur, dass es ein anderes sein wird."

"Faktoren wie die Belastungen für die Kraftübertragung sind ebenfalls Unbekannte. Da kommt also eine Riesenherausforderung auf uns zu. Nur: Teams wie wir können nur Schätzungen anstellen, aber es ist zum jetzigen Zeitpunkt sehr schwierig, genau zu wissen, worauf wir uns einstellen müssen", sagt der Brite und fügt an: "Leistungs- und Drehmomentkurve der Motoren werden sich wahrscheinlich ebenfalls ändern."

Dazu erläutert Key: "Wir waren damit vertraut, Autos rund um einen V10-Motor zu bauen. Dann kam der V8, der nicht komplett anders war. Die Art und Weise, wie wir mit der Getriebeübersetzung reagieren mussten, mit der Effizienz des Autos, mit den Fahrstilen der Fahrer, wird sich sicher verändern. Es gibt also sicher große Herausforderungen, die vor uns liegen, aber die müssen wir erst einmal hundertprozentig verstehen."


Fotos: Testfahrten in Barcelona


"Wir bekommen Chassis- und Motorenregeln, die völlig anders sein werden, legen sie zusammen und sollten dann verstehen, wie das Paket in diesem und jenem Bereich aussehen soll. Man muss fast separate Programme für Chassis und Motor vorantreiben, verstehen, was das Optimum für jedes der beiden ist, und sie dann zusammenlegen", meint Key, der davor warnt, sich nur auf einen Bereich zu konzentrieren und damit vielleicht in einer Sackgasse zu landen.

"KERS", fährt er fort, "wird eine viel größere Bedeutung für die Rundenzeit bekommen, ebenso wie die Benzineffizienz." Und damit die Aerodynamik an Bedeutung verlieren, James? "Ein bisschen was könnte sich ändern", glaubt er. "Mechanischer Grip über die Reifen wird auch eine Rolle spielen, aber ich glaube, dass die Aerodynamik immer ihren Platz haben wird. Denn sind wir mal ehrlich: Die Teams sind derzeit ja auch darauf ausgerichtet."

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