• 06.05.2014 08:13

  • von Dominik Sharaf

1996: Ein Spanien-Grand-Prix für die Ewigkeit

Im sintflutartigen Regen von Barcelona feiert Michael Schumacher seinen ersten Ferrari-Erfolg - und schwimmt drei Sekunden schneller als die, die absaufen

(Motorsport-Total.com) - Als die Formel 1 im Jahr 1996 nach Spanien reist, ist die Welt des Motorsports blau-weiß: Damon Hill führt die WM-Tabelle nach vier Siegen in sechs Rennen komfortabel an. Dampf macht ihm nur sein junger Teamkollege Jacques Villeneuve, der mit dem Adrian-Newey-Meisterwerk Williams FW18 auf Anhieb im Windschatten des Teamkollegen klebt. Schon vor der Saison-Halbzeit scheint für den nach zwei Kronen mit Benetton zu Ferrari gewechselten Michael Schumacher der Titel futsch. Aber...

Titel-Bild zur News: Michael Schumacher

Michael Schumacher läutet 1996 in Barcelona die Ferrari-Ära ein Zoom

Obwohl Journalisten, Altstars und sogar manche Fans wegen des unterlegenen F310 schon unken und an eine katastrophale Entscheidung des Kerperners, zur Scuderia zu gehen, glauben, hat der immer noch den Ruf des "Regenmeisters". Dabei scheinen einige vergessen zu haben, was er selbst mit einem knallroten Gummiboot zu leisten imstande ist. In Deutschland ist die "Schumania" aller Ergebniskrise zum Trotz nicht abgeebbt. Geschätzte 30.000 Landsleute sind am 2. Juni 1996 an den Circuit des Catalunya vor den Toren Barcelonas gepilgert.

Nach dem Qualifying droht ihnen noch eine herbe Enttäuschung. Bei strahlendem Sonnenschein bestimmt Williams mit Hill und Villeneuve das Tempo. Schumachers Rückstand als Dritter beträgt fast eine Sekunde, das restliche Feld mit den Benetton Jean Alesis und Gerhard Bergers ist sogar noch weiter ab vom Schuss. Doch Petrus ist mit dem damals 27-Jährigen im Bunde, auch wenn das viele klatschnasse Anhänger auf den Tribünen zunächst anders gesehen haben dürften: Um 14:00 Uhr schüttet es wie aus Kübeln.

Irvine, Berger, Hill, Alesi: "Schumi" vernascht alle

Zunächst soll es nur hinter dem Safety-Car losgehen, weil es immer stärker regnet. Die FIA jedoch entscheidet sich für einen stehenden Start, der seine Opfer fordert: Pedro Lamy, Ricardo Rosset, David Coulthard und Giancarlo Fisichella verabschieden sich nach Kollisionen und Abflügen sofort. Das Feld wird von 20 auf 16 Autos dezimiert. Schumacher fällt auf Rang sechs zurück und alles sieht danach aus, als sollte der junge Villeneuve von der Spitze aus zum zweiten Formel-1-Erfolg seiner Karriere schwimmen. Doch das Drama nimmt seinen Lauf.

Dem ungeliebten Teamkollegen Eddie Irvine beschert Schumacher zunächst so viel Druck, dass der seinen Ferrari in den Kies wirft. Fünfter! Es dauert nicht lange, da macht auch Damon Hill auf Platz drei Bekanntschaft mit der Auslaufzone und beschert seinem Erzrivalen einen weiteren Positionsgewinn. Vierter! In Runde 5 kassiert Schumacher mit spielerischer Leichtigkeit Berger. Dritter! Jetzt trennen ihn nur noch Villeneuve und Alesi vom historischen ersten Sieg im Ferrari.

Start Barcelona 1996

Der Start in Barcelona: Villeneuve vor Alesi, dann kommt nur noch Gischt Zoom

Auch der Franzose tut Schumacher den Gefallen, im Zweikampf einen Fahrfehler zu begehen und ihm einen weiteren Platz zu schenken. Zweiter! Nach nur neun Runden ist der zu diesem Zeitpunkt zweifache Weltmeister in der direkten Verfolgung Villeneuves und fährt teilweise drei Sekunden schneller als der Rest des Feldes. Gefühlte Kilometer dahinter kreiselt Hill zum zweiten Mal und parkt seinen Williams auf der Start- und Zielgeraden. Als er über die Boxenmauer klettert, brandet Jubel der deutschen Fans auf. Über das Gummistiefel-Wetter will keiner mehr klagen.

Der "Regenmeister" beginnt die Ära Ferrari

Irgendwo zwischen Regenfontänen und der scheinbar undurchsichtigen Gischt fährt Schumacher an die Spitze. Es ist ein historisches Manöver, aber es sieht aus wie eine Überrundung. In der Seat-Kurve fährt er an dem scheinbar stehenden Villeneuve innen vorbei und zieht mit einem heftigen Drift weg. Bei Williams ist man bedient. Zehn Runden sind absolviert, die Würfel aber längst Gefallen. Schumacher fährt die restlichen 55 Umläufe wie ein Uhrwerk, am Ende beträgt der Vorsprung auf den zweitplatzierten Alesi über 45 Sekunden. Nur sechs Fahrerer erreichen das Ziel.

Michael Schumacher, Jacques Villeneuve

Die Entscheidung nach zehn Runden: Villeneuve hat keine Chance Zoom

Als die karierte Flagge fällt, sieht es aus wie eine Erlösung, doch es ist der Beginn einer Ära. Für Schumacher endet eine nur ein gutes halbes Jahr währende Durststrecke, die angesichts der Dominanz des Vorjahres schon den Anstrich einer Ewigkeit hat. Die Tifosi haben nach Jahren des Wehklagens wieder Hoffnung und hören die Glocken in Maranello läuften: Nur zwei Grand-Prix-Siege in fünf Jahren definierten eine Periode des Leidens, der Spanien-Grand-Prix einen Silberstreif am Horizont.

Kaum aber jemand ahnt, wie historisch der erste Ferrari-Erfolg Schumachers tatsächlich ist. Dem Chaostriumph von Barcelona folgen 71 weitere Siege für die Mythosmarke. Zwar dauert es noch über vier Jahre, ehe er den ersten WM-Titel in Rot feiert. Der des "Regenmeisters" ist aber schon am 2. Juni 1996 vergeben.