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1995: Ein Belgien-Grand-Prix für die Ewigkeit
Wie Michael Schumacher nach dem Platzen der Ferrari-Bombe Damon Hill bei Regen in Spa mit Slicks niederkämpft und einen seiner legendärsten Siege feiert
(Motorsport-Total.com) - Spa ist Michael Schumachers Schicksalsstrecke: Dort fuhr er 1991 seinen ersten Grand Prix und beeindruckte auf Anhieb, feierte 1992 seinen ersten von 91 Triumphen und wurde 1994 als Sieger wegen einer abgewetzten Bodenplatte disqualifiziert. Schumachers sportlicher Spa-Höhepunkt war aber die Sternstunde im Jahr 1995, als er von Startplatz 16 mit einer beispiellosen Fahrt zu seinem 16. Sieg raste und dabei Erzrivale Damon Hill bei Regen mit Slicks niederkämpfte. Das Belgien-Wochenende 1995 im Rückspiegel:
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Was für ein Duell: Schumacher wehrt sich auf Slicks im Regen gegen Hill Zoom
Eine Woche vor Spa gibt es in der Formel 1 ein Erdbeben: Den Anfang macht ausgerechnet Superstar und Titelverteidiger Schumacher, der in der WM trotz eines Motorschadens in Ungarn elf Punkte vor Williams-Pilot Hill führt. Per Pressemitteilung wird offiziell, dass der Benetton-Pilot 1996 und 1997 für Ferrari an den Start gehen wird. Für 1998 hat die Scuderia eine Option auf den Kerpener.
Nur 43 Minuten später reagiert Benetton und gibt den Wechsel von Ferrari-Pilot Jean Alesi zu Benetton bekannt - ebenfalls für zwei Jahre. Sieben Minuten später deckt auch Williams die Karten auf und bestätigt Hill, der mit IndyCar-Champion Jacques Villeneuve einen Rookie als Teamkollegen erhält.
Schumacher-Wechsel zu Ferrari sorgt für kritische Stimmen
"Michael wird diese Entscheidung bereuen", ätzt Hill gegen Schumacher, mit dem er in Silverstone kollidierte. "Wenn es um Konkurrenzfähigkeit geht, hätte er Benetton nicht verlassen dürfen. Aber vermutlich wird er über Einzelheiten seines Vertrags sehr glücklich sein."
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Bombe geplatzt: Schumacher wechselt zu Ferrari - als Teamkollege von Berger? Zoom
Eine provokante Anspielung auf die kolportierten 50 Millionen US-Dollar Jahresgage. Schumacher kontert: "Dafür, was ich in ein Team einbringen kann, werde ich angemessen entschädigt. Außerdem reizt mich die Aufgabe, ein Team siegfähig zu machen." Warum er das Williams-Angebot abgelehnt habe? "Jeder hätte erwartet, dass ich immer gewinne. Außerdem investiert Frank Williams sein Geld lieber in die Entwicklung als in die Fahrer. Der Unterschied zwischen seinem Angebot und unseren Forderungen war zu groß."
Dafür wird im Fahrerlager gemunkelt, Schumacher könnte für seinen Wechsel teuer bezahlen: Denn Renault werde sich als Motorenpartner von Williams und Benetton nun auf die Seite Hills schlagen, da man nicht erneut wie 1992 mit Nigel Mansell und 1993 mit Alain Prost den Weltmeister an die Konkurrenz verlieren wolle.
Kostet Wechsel "Schumi" die WM?
"Kompletter Blödsinn", wundert sich Ferrari-Pilot Gerhard Berger, dessen Zukunft noch nicht geklärt ist. "Renault ist ein Weltkonzern. Der beschmutzt sich nicht die Finger, indem er einen Fahrer mit schlechterem Material versorgt." Sauber-Teammanager Max Welti hält eine technische Bevorteilung Hills für "machbar", kann sich aber ebenfalls nicht vorstellen, dass man zu solchen Mitteln greift: "Die Franzosen haben über Jahre bewiesen, welch höchstsportliche Firma sie sind."
Dennoch ist Hills Williams-Verbleib ein psychologischer Vorteil für den vielgescholtenen Briten, der in den Wettbüros gegen Schumacher krasser Außenseiter ist. Ob er selbst Geld auf sich setzen würde? "Ja, das habe ich sogar getan", antwortet er. "Aber nicht zu viel - man weiß ja nie... Es gibt viel Unvorhersehbares in diesem Sport und deshalb keine Gewissheit."
Sauer auf Jean Todt: Alesi fühlt sich von Ferrari "verraten"
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Mit nassem Fetzen davongejagt: Jean Alesi fühlt sich von Ferrari "verraten" Zoom
Das weiß auch Jean Alesi. Der Franzose mit sizilianischem Blut geht nicht ohne Verbitterung von Ferrari zu Benetton. Schuld daran ist Jean Todt, der in Maranello aufräumt. "Es gibt jemanden, der mir das Leben schwer macht", spielt der temperamentvolle Publikumsliebling auf den 1993 von Peugeot gekommenen Rennleiter an. "Ich werde Ferrari ewig lieben, und Präsident Montezemolo ist ein Freund, aber irgendwann habe ich gemerkt, dass man Schumacher haben will. Und ab diesem Punkt fühlte ich mich verraten."
Doch ist Schumacher, dessen Name in Spa von Fans bereits auf den Asphalt vor der Ferrari-Box gepinselt wurde, wirklich die Rettung für die Roten aus Maranello, die seit 16 Jahren auf einen WM-Titel warten? "Mit Michael kauft sich Ferrari zwar eine halbe Sekunde, aber damit sind die anderen Probleme noch lange nicht aus der Welt", gibt Ferrari-Legende Clay Regazzoni zu bedenken.
"Redet zu viel": Todt serviert Berater Lauda ab
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Bruch bei Ferrari: Rennleiter Todt setzt "Piccolo Commendatore" Lauda vor die Tür Zoom
Todt beweist aber, dass er es ernst meint: Regazzonis ehemaliger Ferrari-Teamkollege Niki Lauda hat wie Alesi ausgedient und wird als Berater vor die Tür gesetzt. "Wir brauchen nicht so viele Leute, die reden", argumentiert der kleine Franzose, warum er die Legende abserviert hat. Laudas Erklärung für den Bruch? "Seit einem Jahr gibt es Meinungsverschiedenheiten zwischen Sportchef Jean Todt und mir. Jetzt wird er alleine die Verantwortung tragen. Falls Ferrari auch mit Michael Schumacher nicht siegt, soll Todt zurück nach Paris gehen und sich pensionieren lassen."
Währenddessen holt Todt neben Schumacher auch weniger bekannte Leute ins Team, die noch lange für Furore sorgen werden - wie den 34-jährigen Minardi-Chefdesigner Aldo Costa, der es später in Maranello zum Technikchef und bei Mercedes zum Konstrukteur der Weltmeisterboliden bringen sollte.
Schumacher: Ellbogentechnik gegen Frentzen?
Was bedeutet Schumachers Ferrari-Wechsel für die Piloten, die noch keinen Vertrag in der Tasche haben? Laut italienischen Medien ist sein Landsmann Heinz-Harald Frentzen der große Leidtragende. Denn Schumacher habe in seinem Vertrag bei der Scuderia eine Klausel, die ihn als Teamkollegen verhindere. Außerdem soll sich Schumacher bei Benetton gegen den Sauber-Piloten als Nachfolger ausgesprochen haben, weil dieser Schwierigkeiten bei der Fahrzeugentwicklung und bei der Set-up-Arbeit habe.
Frentzen will das "nicht kommentieren", Schumacher dementiert ein Veto gegen einen anderen Piloten: "So eine Klausel gab es auch bei Benetton nicht, aber ich habe als Nummer-1-Fahrer unterschrieben. Und was meinen Nachfolger betrifft, habe ich keinerlei Tipp oder Hinweis gegeben. Das ist allein Sache des Teams." Dass der Benetton-Abgang ein Nachteil im WM-Showdown sein könnte, glaubt Schumacher nicht: "Ich habe mir Sorgen darüber gemacht, wie das Team auf meinen Abgang reagieren würde, aber er wurde anstandslos akzeptiert. Die Atmosphäre ist weiterhin super."
Noch kein Vertrag für 1996: Berger trumpft auf!
Beim Trainingsauftakt am Freitag bei typischen Ardennenwetter macht ausgerechnet Schumachers zukünftiges Team so richtig Tempo. Berger, der mit Ferrari, Benetton und McLaren um einen Vertrag für 1996 pokert, holt bei Regen dank perfekten Timings die Halbzeit-Pole-Position in Spa-Francorchamps - zum fünften Mal in seiner Karriere. Die wirkliche Spa-Pole fehlt dem Routinier noch in seiner Statistik.
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In Zeiten des Vertragspokers immer besonders schnell: Gerhard Berger Zoom
Erster Verfolger? Der Mann, der 1996 möglicherweise sein Teamkollege wird: WM-Leader Schumacher. Dem Benetton-Piloten fehlen 0,218 Sekunden. Auf Platz drei Schumachers Benetton-Nachfolger Alesi. "Die ersten Drei sind alle Ferrari-Piloten", grinst Berger. Ist der Österreicher, der laut eigenen Angaben derzeit "täglich zehn Stunden am Telefon" hängt, wegen des Vertragspokers besonders motiviert? "Ich gebe immer Gas", dementiert er. "Aber jetzt will ich die Pole. Erst dann arbeite ich für Sonntag."
Schumacher fällt am Freitag auf nasser Strecke auf, dass der Ferrari einen deutlich breiteren Grenzbereich hat als sein eigener Bolide. "Unser Auto hinkt im Regen etwas hinterher, weil es kritischer zu fahren ist", erkennt er. "Mit dem Ferrari kann man hingegen richtige Drifts machen."
Startplatz 16 nach Crash: Bei Schumacher geht alles schief
Eine Beobachtung, die sich am Samstagmorgen auf dramatische Art und Weise bestätigt: Schumacher übertreibt es in Malmedy und fliegt bei Tempo 170 km/h ab. Der Benetton-Pilot hat Riesenglück: Nur einen halben Meter neben der Einschlagstelle wäre der Benetton nicht an den Reifenstapeln abgeprallt, sondern an den Leitplanken zerschellt. Das Auto ist dennoch völlig zerstört.
Schumacher kann aussteigen, doch die Mechaniker müssen nun auf Hochtouren arbeiten, um den Boliden rechtzeitig zum entscheidenden zweiten Qualifying zu reparieren. Dann der nächste Rückschlag: Als das Qualifying beginnt, ist die Strecke gerade noch trocken, der Benetton aber noch nicht einsatzbereit: Schumacher muss zuschauen, wie Berger trotz erster Tropfen erneut eine perfekte Runde hinlegt. Der Bestzeit von 1:54.392 kommt nur Teamkollege Alesi nahe, wodurch erstmals seit Monza 1994 beide Ferrari in der ersten Startreihe stehen.
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Bitter: Michael Schumacher verpasst die Schlüsselphase des Qualifyings Zoom
Schumacher kämpft später bei Regen verzweifelt mit seinem Boliden und kommt nur auf Startplatz 16 - fast drei Sekunden hinter Berger. Es ist der schlechteste Startplatz seiner bisherigen Karriere. Erstmals seit Adelaide 1991 verliert er wieder ein Qualifying-Duell, denn Teamkollege Johnny Herbert wird hinter Mika Häkkinen Vierter. Ist Schumacher sauer auf seine Mechaniker? "Ich war doch der Idiot, der den Wagen rausgeschmissen hat", relativiert er.
McLaren-Gerüchte: Kommt Prost - oder Pole-Setter Berger?
Doch das schlechte Ergebnis ist nicht das einzige Problem: Schumacher, der sich nach dem heftigen Crash nichts anmerken lässt, muss bis 22:30 von seinem österreichischen Physiotherapeuten Harry Hawelka behandelt werden. Die Halsmuskulatur ist nach dem heftigen Einschlag überdehnt, Schumacher wird mit Salben und Pulver wieder fitgemacht.
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Gerhard Berger steht nach seiner ersten Pole in Spa im Mittelpunkt Zoom
Während auch sein Titelrivale Hill mit Platz acht schwächelt, genießt Berger seine erste und einzige Spa-Pole. Und wird am Abend bei Gesprächen mit McLaren-Teamchef Ron Dennis gesichtet. Kehrt Berger also zu seinem Ex-Team zurück und wird Teamkollege von Mika Häkkinen? Diese Frage stellen sich viele im Fahrerlager.
Denn derzeit ist in Woking ein anderer Name in aller Munde: Alain Prost. Der Ende 1993 zurückgetretene viermalige Weltmeister, der nach Ayrton Sennas Tod "ihm zu Ehren nie wieder in einen Rennwagen klettern" wollte, hat bei McLaren eine Sitzprobe absolviert und wird den Boliden nach Spa in Silverstone testen. Selbst Renneinsätze schließt Teamchef Ron Dennis nicht aus. Zudem gibt es Gerüchte, Prost könnte sich im Team einkaufen und die Macht an sich reißen.
Bergers Poker: Wie sich der Ferrari-Abschied abzeichnet
Doch was will nun plötzlich Berger bei McLaren? Dessen Flirt mit Dennis ist ein reines Ablenkungsmanöver, wird er später zugeben. Denn Berger verhandelt längst mit Benetton - er und Teamchef Flavio Briatore sind sich so gut wie einig.
Geht Berger bei Ferrari wegen "Schumi" über Bord? Aus Angst vor der Nummer-2-Rolle? Eine Theorie, die der Pole-Setter nicht bestätigt. Mit Schumacher habe er kein Problem, aber da Ferrari dem Kerpener einige vertragliche Zusicherungen macht, sei er gezwungen, "wirklich in jedes Detail zu schauen, damit ich ja wirklich überall Gleichberechtigung habe und einen Schritt voraus bin", offenbart er gegenüber Formel-1-Reporterlegende Heinz Prüller.
"Als ich diese ganzen Details kontrolliert habe, bin ich draufgekommen, dass technisch gegenüber anderen Teams, die an meiner Tür anklopften, ein großer Unterschied besteht", verrät Berger. "Dass es einen neuen Zehnzylinder-Motor gibt, der eventuell ausfallen, eventuell kaputt werden kann, dass es eventuell bei Benetton und Williams - mit denen ich Kontakt hatte - unter Umständen sportlich viel mehr Erfolg geben könnte."
Weichenstellung bei Berger: Benetton, Ehe und Nachwuchs
Da Berger beim Poker Villeneuve übersieht, "worüber ich mich sehr ärgere", bleibt am Ende Benetton als attraktivste Option. Vor allem der Renault-Motor hat es ihm angetan: "Mit diesem Paket habe ich größte Chancen, 1996 Rennen zu gewinnen." Am 1. September sollte er für 1996 und 1997 unterschreiben, allerdings wegen des "giftigen" Fahrstil des Autos nur noch ein Rennen gewinnen.
Auch am Renntag steht zunächst Ferrari-Star Berger im Mittelpunkt. Der Österreicher feiert nach dem Warm-Up im Fahrerlager seinen 36. Geburtstag. Tochter Christina gratuliert mit einer Portion Sahne aus der Spraydose - direkt ins Gesicht ihres Vaters! Doch das ist nicht das einzige Geschenk, wie die 16-Jährige preisgibt: "Er kriegt eine CD und ein Foto von mir."
Für Berger stehen auch abgesehen vom Transferpoker turbulente Zeiten bevor: Seine portugiesische Langzeit-Freundin Ana erwartet in rund einem Monat das erste gemeinsame Kind, nur drei Tage nach dem Rennen wird in Monaco geheiratet. Auf die Frage, ob er es Schumacher nachmachen wolle, der bei seiner Hochzeit vor einem Monat die Bild- und Videorechte exklusiv an die "Bunte" und "RTL" verkauft hatte, antwortet Berger mit Augenzwinkern: "Meine Trauung verkaufe ich nicht - höchstens dem Playboy."
Start: Ferrari-Piloten verlieren Doppelführung
Die Vorfreude auf die Geburt ist laut eigenen Angaben enorm: "Es gibt nichts Schöneres als ein Kind zu haben - und am liebsten möchte ich noch fünf oder sechs. Mein zweites Kind nach Christina, die schon eine richtige junge Dame geworden ist, ist sicher nicht mein Letztes." Eine gelungene Vorhersage, denn 23 Jahre später sollte der Tiroler tatsächlich fünfmaliger Vater sein.
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Start in Spa-Francorchamps: Berger wird von Alesi und Herbert überrumpelt Zoom
Weniger gelungen ist seine Vorhersage für den Belgien-Grand-Prix: "Es wird bis zur Halbzeit dauern, bis Hill und Schumacher bei mir sind." Denn Berger verpatzt den Start und fällt mit durchdrehenden Rädern hinter Teamkollege Alesi und Benetton-Pilot Herbert zurück. Der Franzose führt das Feld durch die gefürchtete Eau-Rouge-Senke, die dank des neuen Kiesbetts nach einem Jahr Pause wieder gefahren wird. Auf der Kemel-Geraden nutzt Herbert den Windschatten, schnappt sich nach Häkkinen und Berger auch Alesi und geht in Führung. Die Ferrari-Piloten liegen nur noch auf den Plätzen zwei und drei.
Auch die Titelrivalen kommen heil durch das Nadelöhr La Source: Hill ist Sechster, Schumacher bereits 13. Während sich der Himmel verdunkelt, sorgen die Spitzenreiter für Action: Alesi schlägt in der zweiten Runde zurück und verdrängt Herbert wieder auf Platz zwei, doch die Freude der Ferrari-Fans ist nur von kurzer Dauer: Während Berger hinter die Williams-Piloten zurückfällt, rollt Alesi in der vierten Runde plötzlich mit Verdacht auf einen Reifenschaden an die Box. Sein Bolide wird nach einem kurzen Check wieder losgeschickt, doch Alesi stellt ihn kurz darauf mit einer defekten Hinterradaufhängung ab.
So kommt Schumacher von Platz 16 an die Spitze
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Zweite Runde: Alesi erkämpft sich von Herbert die Führung zurück Zoom
Aber auch Leader Herbert kann die Spitzenposition nicht nutzen: Durch zwei Ausrutscher fällt er sogar hinter seinen Teamkollegen Schumacher zurück, der schon Fünfter ist, aber Mühe hat, den Jordan-Peugeot von Eddie Irvine zu überholen. Inzwischen an der Spitze: die Williams-Piloten David Coulthard und Hill.
Doch auch dem Schotten, der eine schnellste Runde nach der anderen fährt, bringt die Führung kein Glück: Sein Williams verliert Öl, weshalb er in der 14. Runde mit Getriebeschaden aufgeben muss. Die Führung erbt Teamkollege Hill, der Berger bereits um 18 Sekunden abgehängt hat. Schumacher bremst Irvine aus und lauert bereits auf Platz drei im Windschatten des Österreichers.
Das Problem erledigt sich rasch, denn durch die ersten Boxenstopps von Berger und Hill geht Schumacher sogar sensationell in Führung. Dann schlägt der Defektteufel auch beim zweiten Ferrari zu: Berger hat Motoraussetzer - selbst der Tausch der Elektronikbox hilft nichts, da der Draht eines Sensors kaputt ist. Er scheidet aus, wodurch bei Ferrari nach der Doppel-Pole schon bei Halbzeit die Rollläden nach unten gezogen werden.
Ereignisse überschlagen sich: Feuer in der Jordan-Box!
Dann überschlagen sich in Spa die Ereignisse: Es beginnt zu tröpfeln, während es an der Strecke noch staubtrocken ist. Jordan-Pilot Irvine ist einer der ersten an der Box, um auf Regenreifen zu wechseln, doch sein Bolide fängt Feuer! Die Formel 1 hält den Atem an, Erinnerungen an das Vorjahr werden wach, als Jos Verstappens Benetton in Hockenheim in Flammen aufging.
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Feuer in der Jordan-Box: Eddie Irvines Bolide brennt lichterloh! Zoom
"Ich sah den Sprit rausschießen und betete, dass sich das Benzin nicht entzünden würde, aber dann brannte es schon lichterloh", schildert Irvine. "Ich wurschtelte hektisch mit den Sicherheitsgurten herum, da beugte sich ein Mechaniker ins Cockpit und half mir. So schnell bin ich noch nie aus einem Auto gehüpft." Wie durch ein Wunder kommen alle mit dem Schrecken davon.
Im Trubel geht beinahe unter, dass sich auch Leader Hill Regenreifen abholt, während Schumacher mit Slicks draußen bleibt und die Führung erneut übernimmt. "Ich wusste, was die Piste erträgt, wenn es regnet und ging das Risiko ein", offenbart er, dass er selbst entschieden hat, nicht zu stoppen. Dadurch entspinnt sich ein Duell mit ungleichen Waffen: Der Williams-Pilot hat auf den feuchten Stellen deutlich mehr Grip und könnte um sechs Sekunden pro Runde schneller fahren, doch Schumacher macht sich so breit wie nur möglich und zieht alle Register seines Könnens.
"Schumis" legendäre Abwehrschlacht mit Slicks bei Regen
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Hill kommt trotz Regenreifen auf feuchter Strecke nicht an Schumacher vorbei Zoom
"Ich war hinter Michael, und nachdem er ständig vor mir Zickzack fuhr, um mich hinter ihm zu halten, hat er mich in Les Combes von der Strecke gerempelt", beschreibt Hill in seiner Biographie "Watching the Wheels" den Zwischenfall, als Schumacher seine Führung mit Zehen und Klauen verteidigt. "Seit dem Kampf zwischen Gilles Villeneuve und Rene Arnoux wurde in der Formel 1 nicht mehr so offensichtlich blockiert."
Im Gegensatz zu den Freunden Villeneuve und Arnoux "hatten Michael und ich allerdings eine Vergangenheit, und seine Einstellung und sein Auftreten ließen ihn komplett rücksichtslos erscheinen." Zwei Runden lang hält Schumacher den Williams hinter sich, ehe er am Ende der Kemel-Geraden im Zweikampf von der Strecke rutscht, durch den Notausgang muss und Hill ziehen lässt.
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Schumachers Taktik ist perfekt, Hill hingegen immer auf den falschen Reifen Zoom
Das ist für Hill aber nicht mehr als ein Etappensieg, denn die Strecke trocknet ab, und Schumacher kann den Rückstand in Grenzen halten. Zwei Runden später folgt für Hill die Höchststrafe: Er muss erneut die Box ansteuern und Slicks aufziehen, wodurch er hinter den Benetton zurückfällt. Und der Wettergott bleibt auf Schumachers Seite: Es beginnt erneut zu regnen, wodurch der bereits eine halbe Minute hinter Schumacher liegende Hill noch mehr Zeit verliert und wieder stoppen muss.
Wie Hill endgültig den Sieg verliert
Ist das Rennen damit gelaufen? Nein, denn die Rennleitung entschließt sich, das Safety-Car auf die Strecke zu schicken. Zur Verwunderung der Piloten. "Ich habe schon viel schlimmere Verhältnisse erlebt, also verstehe ich die Entscheidung nicht ganz", sagt Schumacher, dessen Vorsprung sich in Luft auflöst. Aber auch Hills Hoffnungen, doch noch zu gewinnen, sind nicht von großer Dauer: Dem Briten wird eine Zehn-Sekunden-Stop-and-Go-Strafe aufgebrummt, weil er bei einem seiner fünf Stopps in der Boxengasse zu schnell war.
"Was soll das Theater?", ärgert er sich. "Ich war höchstens drei km/h zu schnell. Wegen Kleinigkeiten sollte man keinen Grand Prix verderben." Schumachers Antwort: "Nun, 1994 kostete mich eine Kleinigkeit an der Bodenplatte das Rennen..." Hill reagiert genervt: "Das war etwas anderes."
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Letzter Podestplatz seiner Karriere: Martin Brundle gibt im Ligier alles Zoom
Hill hat aber auch Glück im Unglück: Da der überforderte Arrows-Pilot Taki Inoue, der in Ungarn vom Safety-Car gerammt wurde und so kuriose Berühmtheit erlangte, diesmal Respektabstand zum Schrittmacherfahrzeug hält und die Lücke von über 30 Sekunden nicht zufährt, können Frentzen und Mark Blundell nicht zum Drittplatzierten Ligier-Piloten Martin Brundle aufschließen. Somit fällt Hill nur hinter seinen Landsmann zurück, kämpft Brundle aber nieder und wird noch Zweiter.
Verbaler Schlagabtausch zwischen Schumacher und Hill
Schumacher, der nur seine zwei Routinestopps einlegte, ist hingegen unerreichbar und passiert nach 44 Runden mit über 19 Sekunden Vorsprung die Ziellinie. Der Jubel bei Benetton und beim Sieger ist grenzenlos. "Von den Verhältnissen her war das mein kompliziertestes Rennen", erklärt Schumacher. "Und ich hätte nie auch nur gewagt, vom Sieg zu träumen. Insgeheim habe ich mir einen Podestplatz gewünscht." Bei seiner Aufholjagd sei ihm die Erfahrung vom Kartfahren entgegengekommen.
Daraufhin giftet Hill zurück: "Formel-1-Autos sind keine Go-Karts! Einige Szenen waren für mich nicht akzeptabel. Wenn das Absicht war, bin ich stinksauer auf Michael." Schumacher lässt sich allerdings nicht aus der Ruhe bringen und provoziert Hill, der über Motorradrennen in die Formel 1 kam: "Du solltest mal Kart fahren - macht echt Spaß!" Als Hill erneut betont, dass es sich nicht um Karts handle, erklärt Schumacher: "Wir haben die Wagen doch auf der Piste gehalten, außerdem hat sich das Duell bei relativ niedriger Geschwindigkeit abgespielt. Vor Eau Rouge oder in Blanchimont würde ich solche Duelle nie wagen."
Untersuchung: Schumacher muss um Sieg bangen
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Schumacher feiert trotz Untersuchung den Sieg, Hill ist die Niederlange anzusehen Zoom
Aussagen, die nicht nur Hill kritisch sieht. Auch die Rennkommissare laden Schumacher vor und konfrontieren ihn mit dem Videomaterial des Duells. Der Sieger verteidigt sich erneut und ist sich "keines Vergehens bewusst". Als verkündet wird, dass Schumacher bei einem weiteren Fehltritt für vier Grand Prix gesperrt werde, fällt er Teamchef Briatore um den Hals: Der Spa-Sieg bleibt unangetastet. Benetton geht zwar gegen das Urteil in die Berufung, zieht diese allerdings später zurück.
Hill zeigt sich enttäuscht, "dass die FIA-Rennkommissare nicht den Mut hatten, dieser Art des Rennfahrens Einhalt zu gebieten". Sein Rückstand in der Konstrukteurs-WM beträgt nun 15 Punkte. Trotz des Ärgers überwiegt nach dem Wochenende im Fahrerlager aber die Begeisterung über Schumachers beeindruckende Leistung in Spa.
Es sollte nicht das letzte Mal sein, dass ein Schumacher auf der legendären Mutstrecke ganz oben auf dem Podest steht: 1996, 1997, 2001 und 2002 erhöht Michael Schumacher sein Siegkonto auf insgesamt sechs Triumphe, 23 Jahre später wird Sohn Mick Schumacher auf dem Ardennenkurs seinen ersten Formel-3-Sieg erringen.
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