1982: Ein Deutschland-Grand-Prix für die Ewigkeit

"Ring frei" in Hockenheim: An einem dramatischen Rennwochenende fliegen beim Großen Preis von Deutschland die Fäuste - und endet Didier Pironis Karriere

(Motorsport-Total.com) - Der Große Preis von Deutschland 1982 auf dem Hockenheimring reihte sich nahtlos in eine bis dahin dramatische Formel-1-Saison ein. Während im Rennen ein neuer Stern in der Formel 1 aufging, nahm eine andere Karriere ein tragisches Ende. Und zwei heißblütige Südamerikaner sorgen für eine Szene, über die Formel-1-Fans auch mehr als 30 Jahre später immer noch sprechen.

Titel-Bild zur News: Patrick Tambay, Rene Arnoux

Tambay gewann 1982 in Hockenheim, doch Schlagzeilen schrieben andere Zoom

Als die Formel 1 am ersten Augustwochenende 1982 zum zwölften Saisonlauf an den Hockenheimring kommt, liegt über der Saison bereits ein dunkler Schatten. 14 Tage nach dem Skandal-Grand-Prix von Imola, bei dem aufgrund eines Boykott der in der Konstrukteursvereinigung FOCA organisierten Teams nur 14 Autos an den Start gegangen waren, kommt Ferrari-Star Gilles Villeneuve bei einem Trainingsunfall in Zolder ums Leben.

Nur fünf Wochen später stirbt der junge Italiener Ricardo Paletti, nachdem er beim Start zum Großen Preis von Kanada auf den stehengebliebenen Ferrari von Didier Pironi aufgefahren war. Der Franzose, der den Unfall in Montreal unbeschadet überstanden hatte, reist als WM-Führender an den Hockenheimring, der im Vergleich zum Vorjahr an zwei Stellen verändert wurde.

Neue Schikane in der Ostkurve

Um die immer höheren Tempi auf dem Hochgeschwindigkeitskurs einzubremsen, wurde die erste Schikane enger und damit langsamer gemacht. Zudem wurde in der schnellen Ostkurve eine neue Schikane installiert, die später noch für Schlagzeilen sorgen wird. Trotz dieser Maßnahmen ist gegen die turbobefeuerten Autos im ersten Qualifying am Freitag kein Kraut gewachsen.

¿pbfs||pb¿Ferrari, Renault und Brabham-BMW dominieren das Geschehen und belegen mit ihren sechs Autos die ersten sechs Plätze. Michele Alboreto (Tyrrell-Ford) hat als Siebter und schnellster Saugmotor-Fahrer einen Rückstand von fast drei Sekunden auf Riccardo Patrese (Brabham-BMW) im langsamsten Turbo-Auto.

Da es am Samstag regnet, steht die Startaufstellung und damit die Pole-Position von Pironi fest. Doch auf dem ersten Startplatz wird der rote Ferrari mit der Startnummer 28 niemals stehen. Denn im dritten Trainings schlägt das Schicksal zu. Pironi fährt im Regen in einer Gischtwolke am Williams von Derek Daly vorbei, sieht jedoch nicht, dass vor dem noch Alain Prost fährt.

Pironi ringt nach Unfall mit dem Tod

Der Renault des Franzosen wird für einen Landsmann zur Sprungschanze. "Ich spürte plötzlich von hinten einen harten Schlag. Dann flog der rote Ferrari mit 225 km/h über mich", erinnert sich Prost an die Szene. Pironis Ferrari steigt auf und überschlägt sich nach der Landung mehrfach, wobei der Vorderwagen des Autos abgerissen wird. Pironis Beinverletzungen sind so schwerwiegend, dass Formel-1-Arzt Sid Watkins noch an der Unfallstelle eine Amputation in Erwägung zieht.

Didier Pironi

Der Ferrari von Didier Pironi - oder vielmehr das, was davon übrig blieb Zoom

Nach dem Transport in die Uniklinik Heidelberg kämpfen die Ärzte um Pironis Leben, erst am Renntag kommt endgültige Entwarnung. Es gelingt den Medizinern sogar, die zertrümmerten Beine zu retten und wiederherzustellen, doch ein Formel-1-Rennen wird Pironi nie wieder fahren (Alle Rennen von Didier Pironi in der Formel-1-Datenbank). Prost übersteht den Unfall zwar unverletzt, entwickelt nach dem Zwischenfall aber eine Abneigung gegen nasse Bedingungen, die den "Professor" Zeit seiner Karriere verfolgen soll.

Am Rennsonntag zeigt sich das Wetter am Hockenheimring wieder von seiner schönen Seite. Nach dem Aus für Pironi stehen die beiden Werks-Renault von Prost und Rene Arnoux in der ersten Startreihe. Beide führen das Feld nach dem Start in die 45 Runden, können die Führung aber nur kurz behaupten, denn von hinten stürmt Nelson Piquet in seinem Brabham heran.

Salazar wird für Piquet zum Stolperstein

Der amtierende Weltmeister ist deutlich schneller als die Renault-Fahrer, denn sein Team hat - was damals noch nicht die Regel war - einen Boxenstopp eingeplant, wodurch der Brasilianer mit weniger Benzin an Bord und weicheren Reifen ins Rennen geht. Schon in der zweiten Runde übernimmt Piquet die Führung und setzt sich rasch von seinen Verfolgern ab.

Eliseo Salazar

An Eliseo Salazar erinnert man sich vor allem wegen dieses Rennens Zoom

Bald schon ist sein Vorsprung groß genug, um die Führung auch nach dem Boxenstopp zu behaupten, Piquet steuert seinem zweiten Saisonsieg entgegen. Doch dann kommt in der 19. Runde ein Chilene ins Spiel, der an diesem Tag unfreiwillige Berühmtheit in der Formel 1 erlangen sollte. Vor der neuen Schikane in der Ostkurve läuft Piquet auf den zur Überrundung anstehenden ATS-Ford von Eliseo Salazar auf.

Piquet setzt sich außen neben Salazar und lenkt in die Schikane ein, doch da ist noch das Auto des Chilenen, der Piquet offenbar übersehen hat - angeblich, weil ihm auf dieser Seite der Außenspiegel fehlt. Beide Autos kollidieren miteinander, drehen sich in die Reifenstapel und bleiben beschädigt liegen. Der souverän führende Piquet wird von einem Hinterbänkler aus dem Rennen gerissen.

Faustkampf in der Ostkurve

Was dann folgt, wird kein Formel-1-Fan, der es gesehen hat, jemals vergessen. Beide Fahrer springen aus ihren Autos, Piquet gestikuliert wütend in Richtung Salazar. Nachdem dieser auf ihn zukommt, fliegen plötzlich die Fäuste. Piquet attackiert seinen Unfallgegner mit einigen Schlägen und Tritten, bevor Streckenposten die Streithähne trennen.

"Natürlich war ich sauer! Das wärest du auch. Ich hatte das Rennen in der Tasche, und dann schießt mich dieser Idiot von der Strecke", blafft Piquet den Journalisten nach dem Rennen in die Notizblöcke. Salazar hingegen ist untröstlich und spricht von einem großen Missverständnis mit seinem "Freund" Piquet. "Ich hatte großen Respekt vor Nelson, er hat mir in der Anfangsphase meiner Karriere sehr geholfen", sagt der Chilene, der vor allem wegen dieses Vorfalls und weniger wegen seiner sportlichen Leistungen in Erinnerung geblieben ist (Alle Rennen von Eliseo Salazar in der Formel-1-Datenbank).


Nelson Piquet geht auf Eliseo Salazar los

Auch der "Boxkampf von Hockenheim" gehört seitdem fest zur Geschichte der Formel 1, und Niki Lauda wäre es manchmal Recht, wenn auch heute Streitfälle auf diese Weise anstatt durch Strafen geregelt werden."Ich bin zu Charlie (Whiting, Renndirektor) und Bernie (Ecclestone; Anm. d. Red.) gegangen und habe gesagt, wir müssen die alten Tage zurückbringen, wo Piquet dem anderen Typen in Hockenheim eins auf die Rübe gegeben hat", sagte der Österreicher vor wenigen Wochen nach dem Grand Prix von Kanada.

"Wir müssen die alten Tage zurückbringen, wo Piquet dem anderen Typen in Hockenheim eins auf die Rübe gegeben hat." Niki Lauda

Nachdem vor Piquet auch schon Alain Prost ausgefallen war, gewinnt Patrick Tambay im einzig verbliebenen Ferrari den Großen Preis von Deutschland. Der Franzose triumphiert vor Arnoux und dem späteren Weltmeister Keke Rosberg (Williams-Ford) und feiert am Hockenheimring seinen ersten Grand-Prix-Sieg. Doch der gerät an diesem geschichtsträchtigen Wochenende fast schon zur Nebensache.