• 21.02.2016 14:00

  • von Craig Scarborough

Technische Analyse des Williams FW38: Rückstand verwaltet?

Obwohl bei den Seitenkästen Neues zu erkennen ist und Mercedes' Veränderungen am Auspuff übernommen wurden, scheint der FW38 kaum Revolutionäres zu bieten

(Motorsport-Total.com) - Williams hat im Winter daran gearbeitet, die Schwächen des Vorjahresmodells FW37 auszubügeln. Ob die Mannschaft aus Grove es geschafft hat, dem am Freitag im Internet gezeigten Nachfolger FW38 (hier die Fotos!) genügend Verbesserungen zu verpassen, um sich darüber hinaus zu steigern, steht in den Sternen. Schließlich wollen Felipe Massa und Valtteri Bottas den zuletzt stagnierten Rückstand zu Mercedes und Ferrari verkürzen, laufen dabei aber Gefahr, von der aufstrebenden Red-Bull-Truppe kassiert zu werden.

Titel-Bild zur News: Präsentation des Williams FW38

Der Williams FW38 im Studio: Revolutionen sind noch keine zu erkennen Zoom

Das neue Auto soll über die gleiche Philosophie verfügen wie der FW36 von 2014, der die Ära der Turbo-Hybrid-Boliden bei Williams einläutete. Kernpunkte damals wie heute: wenig Abtrieb, viel Höchstgeschwindigkeit. Als problematisch erwies sich zuletzt das übernommene mechanische Paket des alten Autos. Insbesondere bei Nässe und auf Strecken mit langsamen Kurven schwächelte das Team. Dazu gab es immer wieder Schwierigkeiten, die Reifen in das richtige Arbeitsfenster zu bekommen.

Das neue Auto soll sich in diesen Punkten verbessert haben. Auf den ersten Blick fallen nur wenige Veränderungen auf. Die Lackierung und die kurze Nase wurden übernommen, aber es gibt klare, wenn auch nicht sofort augenfällige Veränderungen an der Aufhängung, den Seitenkästen und im Heckbereich.

Kommt zu den Testfahrten noch ein neuer Frontflügel?

Präsentation des Williams FW38

Neue Querlenker für den 2016er Williams-Boliden: Mehr Grip ist das Ziel Zoom

Entweder ist die Nase ähnlich der alten Version, die durch ihr kurzes Design und einen Daumen an der Spitze auffiel, oder die Gerüchte über ein neues Bauteil bei den Testfahrten bewahrheiten sich. Der Frontflügel ist zweifelsohne der von 2015 - zumindest, wenn es um das präsentierte Auto geht. Was sich verändert hat ist die Aufhängung: Die Querlenker, die beim alten Wagen noch aggressiver angestellt waren, wurden flacher gestaltet. Die vorderen Querlenker sind zudem weiter unten am Chassis angebracht.

Das Ziel ist es, mehr mechanischen Grip auf die Reifen zu bringen und die Pirelli-Pneus in das gewünschte Arbeitsfenster zu bekommen. Sicher wurde auch bei den Federn und Stoßdämpfern Hand angelegt, sie sind jedoch bislang verdeckt geblieben. Wie bei allen Autos der Saison 2016 wurde der Bereich um das Cockpit überarbeitet, wobei die Seitenwände um den Fahrer herum verstärkt und Gehäuse für die FIA-Sicherheitskameras im vorderen Bereich in das Design implementiert wurden.


Fotostrecke: Williams-Präsentationen seit 1994

Die Seitenkästen sind optisch die auffälligste Veränderung. Lange Zeit setzte Williams auf einen außergewöhnlichen Grundriss der Seitenkästen, der wie abgeschnitten wirkte. Die Kanten liefen verwinkelt im Heck zusammen und ließen das Getriebe sowie die Crashstruktur hervorstechen. Die extrem tiefe Lage begünstigte den Luftstrom um den Diffusor und den Heckflügel herum. Doch jetzt entschied sich Williams für eine konventionellere Herangehensweise - mit Seitenkästen, die bis zur Hinterradaufhängung laufen und am Ende seitlich zwei Ausbuchtungen haben.

Williams verabschiedet sich von radikal flachen Seitenkästen

Präsentation des Williams FW38

Die Seitenkästen sind die auffälligste Änderung im Vergleich zum Vorjahresauto Zoom

Im vorderen Bereich der Seitenkästen gehören höhere und breitere Inlets zu den Veränderungen. Zusätzliche Luftleitbleche auf den Schultern sollen den Luftstrom über dem länglichen Profil nicht abreißen lassen. Eher gewöhnlich sind dagegen die bei Mercedes abgeschauten Luftleitbleche, die von der Motorenabdeckung um die Hinterradaufhängung herum laufen. Eine clevere Interpretation der Regeln, weil die Technik der Kühlung im Bereich der Seitenkästen hilft und den Luftstrom über das Heck leitet.

Interessant: Die hintere Crashstruktur und das Getriebegehäuse sind neu. Sie sind nicht länger radikal flach, sondern konventioneller und stehen damit im Einklang mit den Seitenkästen. Über dem Getriebe zeigen sich die von Mercedes bekannten Auspuffendrohre. Weil der Auspuff für den Turbo und für das Wastegate-System in diesem Jahr getrennt sein müssen, setzen die Stuttgarter auf einen dreifachen Ausgang.

Präsentation des Williams FW38

Alte Nase mit Daumen, alter Frontflügel: Legt Williams in Barcelona nach? Zoom

Der Auspuff für den Turbo ist größer und führt zentral durch die hufeinsenförmige Heckflügel-Befestigung. Die zwei kleineren Endrohre führen um die Strebe herum und enden unter respektive seitlich des Hauptauspuffs. Die Wastegate-Rohre werden dabei kaum Auspuffgase emittieren. Also ist ihre Positionierung eher darauf aus, ein möglichst schlankes Design zu ermöglichen als Leistung zu generieren. Mit stabilem Antriebsreglement lassen sich mit angeblasenen Fahrzeugteilen keine aerodynamischen Vorteile erzielen - auch nicht mit den Wastegate-Endrohren.

Was beim Blick auf den Williams auffällt: Das Team hat seine Fehler bei einem noch immer hervorragenden 2015er Auto akzeptiert und verstanden sowie daran gearbeitet. Mit den Änderungen sollte der Abstand zu Mercedes zumindest identisch bleiben. Dass aber sonst kaum etwas Neues zu erkennen ist, lässt Zweifel daran aufkommen, dass sich die Lücke schließen wird. Doch abwarten, was während der Testfahrten in Barcelona noch an neuen Teilen an den FW38 kommt, um mehr Leistung herauszuholen - statt nur bekannte Probleme auszubügeln.