Wer letzte Nacht am besten geschlafen hat: Thomas Preining

Wie Thomas Preining das vermeintliche Jubeljahr von Porsche im letzten Moment mit dem Titel rettete und was für die Kultmarke beim DTM-Finale auf dem Spiel stand

Titel-Bild zur News: Thomas Preining

Porsches Jubeljahr endlich mit Jubel: Thomas Preining erlöst die Chefetage Zoom

Liebe Leserinnen und Leser,

wer letzte Nacht am besten geschlafen hat, darüber besteht nach dem DTM-Saisonfinale in Hockenheim nicht der geringste Zweifel. Denn was "Grello"-Pilot Thomas Preining da abgeliefert hat, war mustergültig. Vor allem für einen gerade mal 25-Jährigen, der sich nun im erst zweiten Jahr in der Serie zum DTM-Champion krönt.

Zwei Siege, zwei Poles an einem Wochenende - das hat es seit dem Wechsel auf das GT3-Reglement Anfang 2021 noch nicht gegeben. Denn durch den Erfolgsballast von 20 Kilogramm am Sonntag ist es in der Regel fast unmöglich, beide Renntage komplett zu dominieren. Dass Preining aber gerade in diesem Moment unter Hochdruck seine Bestleistung abruft und nervlich dermaßen souverän wirkt, beweist seine Klasse.

Denn vielen ist gar nicht bewusst, was auf dem Spiel stand: Porsche benötigte diesen DTM-Titel unbedingt, nachdem man 2023 trotz der hohen Ansprüche keine ganz großen Erfolge eingefahren hatte. Und das im Jahr der 75-Jahr-Feierlichkeiten der Marke - und des 60-Jubiläums des Kultautos Porsche 911.

Porsche-Vorstandsbesuche zeigen, was auf dem Spiel stand

Le Mans geriet mit dem neuen LMDh-Auto zum Fiasko, auch in der eben zu Ende gegangen IMSA-Sportwagen-Serie in den USA entglitt der Prototypen-Titel beim Finale. Aber auch die GT-Klassiker auf dem Nürburgring, in Spa, in Daytona oder in Bathurst gingen ohne Sternstunde für die Kultmarke über die Bühne. Nur in der Formel E holte das Porsche-Kundenteam Andretti den Fahrertitel.

Wie wichtig der Triumph in der DTM beim Finale in Hockenheim war, zeigte alleine das Konzernaufgebot aus Zuffenhausen: Angereist war nicht nur Porsche-Motorsportchef Thomas Laudenbach, sondern auch Entwicklungsvorstand Michael Steiner und Personalvorstand Andreas Haffner. So etwas kann einen jungen Fahrer schon mental überfordern.

Preining vollzieht Anweisung von Porsche-Sportchef

Doch Preining bescherte ihnen mehr, als sie erwarten durften: Am Samstag gelang der erste DTM-Doppelsieg des Manthey-EMA-Teams, das zu 51 Prozent im Besitz von Porsche steht. Damit stellte man schon mal den Titel in der Team- und in der Herstellerwertung sicher. Daraufhin flüsterte Laudenbach Preining ins Ohr: "Morgen nur noch einlochen!"

Denn der Porsche-Werksfahrer hatte zu diesem Zeitpunkt schon 27 Punkte Vorsprung auf Titelrivale Mirko Bortolotti. Tatsächlich befolgte Preining die Anweisung des Chefs - und entriss dem SSR-Lamborghini-Piloten im Qualifying die Pole nach dessen bärenstarker Runde in einem historischen Showdown um sechs Tausendstel. Mit den drei Punkten war Preining vorzeitig uneinholbar. Die Porsche-Party war perfekt.

Warum der Triumph gegen SSR besonders süß schmeckt

Dass Manthey ausgerechnet die finanzstarke SSR-Mannschaft besiegte, die im Vorjahr selbst zwei 911 GT3 R eingesetzt hatte, war für einige im Porsche-Lager eine zusätzliche Genugtuung.

SSR nutzte im Vorjahr sogar noch Renningenieure von Manthey, ehe es dann zum Klimawandel kam. Durch den DTM-Einstieg des eng mit Porsche verbundenen "Grello"-Teams wechselte SSR zu Lamborghini und soll - wie man hört - beim Personal des Ex-Partners gewildert haben. Auch im Tuning-Bereich, in dem auch SSR aktiv ist, gab es Konflikte.

Und dann wäre da noch die leidige Gurt-Affäre, als SSR wegen eines nicht performance-relevanten Teils gegen Sieger Preining Protest einlegte. So etwas hatte es selbst in Zeiten der Hersteller-DTM nicht gegeben. Einige sahen eine rote Linie im Umgang mit sportlichen Gegnern überschritten, zumal SSR ein Jahr davor noch Manthey-Know-how und Personal genutzt hatte.

Wie Porsche die DTM dank Preining lieben lernte

Aber genug der Politik: Spannend ist auch, wie Porsche die DTM in den vergangenen zwei Jahren lieben lernte - und welche Schlüsselrolle dabei Preining spielt. Denn nachdem man jahrelang mit dem Carrera-Cup nur im Rahmenprogramm mitspielte, weil die DTM mit ihren Coupe-Prototypen nicht zum Sportwagen-Image von Porsche passte, trat mit dem GT3-Wechsel ein langsamer Sinneswandel ein.

Im ersten GT3-Jahr gab es nur einen Gaststart, aber spätestens als Preining mit Timo Bernhards Team wider Erwarten vor SSR auf dem Norisring den ersten DTM-Triumph für Porsche einfuhr, erkannte Porsche, welches mediale Potenzial die DTM birgt.

Gereifter Preining überzeugt auch anfangs kritischen Olaf Manthey

Preining wechselte nach der ersten DTM-Saison - übrigens trotz anfangs mäßiger Begeisterung von Gründer und Berater Olaf Manthey - zu DTM-Neueinsteiger Manthey EMA. Preining haftete eine Zeitlang der Ruf an, er würde übers Limit gehen und teils zu egoistisch agieren.

Doch der Österreicher überzeugte auch die Legende mit seinem Speed - und seiner Kritikfähigkeit. Denn Preining ist einer, der sich was sagen lässt - und der nichts unversucht lässt, wenn es auch nur einen kleinen Vorteil bringt.

Thomas Preining

Größter Triumph: Der Linzer Thomas Preining ist Österreichs erster DTM-Meister Zoom

Der Reifeprozess, den viele Kenner bei Preining seit seinem DTM-Einstieg Anfang 2022 wahrnehmen, ist beeindruckend. Noch vor einem Jahr ging er beim DTM-Finale in Hockenheim, bei dem er sich Außenseiterchancen ausrechnen durfte, volles Risiko und crashte am Samstag in der Anfangsphase so heftig, dass sein Auto ein Totalschaden war - und er am Sonntag mit Schmerzen zuschauen musste, anstatt den Titel zu bejubeln.

Nach dem DTM-Titel winkt das LMDh-Cockpit

Ein Jahr später feiert der Sohn des österreichischen Ex-Motorrad-WM-Piloten Andreas Preining, der den Sohn lange in die Formel 1 bringen wollte, aber am Geld scheiterte, an selber Stelle den größten Triumph seiner Karriere. Und zwar mit einer dermaßen souveränen Performance, die der Konkurrenz den Nerv zog.

Preining, dessen damals stockende Karriere 2017 von der Salzburger Racer-Familie Lechner gerettet wurde, ist damit der erste österreichische DTM-Champion der Geschichte. Wie es jetzt weitergeht? Man hört im Fahrerlager, dass Preining schon in zwei Wochen beim Rookie-Test der WEC in Porsches LMDh-Boliden sitzen wird, womit ein Traum in Erfüllung gehen würde. Davor ist er beim Mexiko-Grand-Prix der Formel 1 Co-Kommentator im ORF. Zum Feiern bleibt also kaum Zeit.

Werden wir Preining nächstes Jahr trotzdem als Titelverteidiger in der DTM sehen? Auch wenn er das noch nicht bestätigen will, deutet alles darauf hin. Es würde für alle Beteiligten Sinn ergeben: für Porsche und für DTM-Promoter ADAC aus Marketinggründen, für Manthey, weil es bei Porsche für die DTM wohl kaum einen besseren gibt.

Matt Campbell, Felipe Nasr, Michael Christensen, Porsche 963

Zukunftsperspektive: In Kürze könnte Preining in Porsches LMDh-Auto sitzen Zoom

Und auch für Preining selbst, der schon als Kind von der DTM träumte und 2019 einen Rookie-Test bei HWA absolvierte, ist die DTM der richtige Ort. Denn er wächst als Einzelkämpfer, der das Auto kompromisslos auf sich abstimmen kann und auf sich allein gestellt ist, über sich hinaus.

Sven Haidinger

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