"Unser Auto kann keinen überholen": Abt übt Kritik an Einstufung des Audi

Bei Abt spricht man vor dem Titelfinale Klartext: Warum man sich im Nachteil wähnt, die Lamborghini-Leistung Fragen aufwirft und man vor Spielberg Bauchweh hat

(Motorsport-Total.com) - Die DTM-Saison 2023 geht in die entscheidende Phase: Abt hat mit Ricardo Feller ein heißes Eisen im Feuer, doch der Schweizer muss als Dritter mit 31 Punkten Rückstand auf Leader Mirko Bortolotti zwei Wochenenden vor Schluss in der Meisterschaft Boden gutmachen. Und in einer Woche steht mit Spielberg ausgerechnet die Angststrecke für den Audi R8 LMS GT3 Evo II auf dem Programm.

Titel-Bild zur News: Franck Perera, Ricardo Feller

Vor allem der Lamborghini-Vergleich macht die Abt-Entscheidungsträger stutzig Zoom

"Wir haben etwas Bauchweh vor dem Red-Bull-Ring. Wir lieben die Strecke und sind dort sehr gerne, aber unser Auto liebt den Ring nicht", sagt Abt-Geschäftsführer Thomas Biermaier im Gespräch mit Motorsport-Total.com. "Und da die SRO den unterschiedlichen Fahrzeugen auf jeder Strecke ein bisschen was gibt, erwarten wir natürlich auch, dass am Red-Bull-Ring für den Audi was geht."

Eine Anspielung darauf, dass die SRO Motorsports Group, die in der DTM für die Balance of Performance (BoP) zuständig ist, ab dem Lausitzring bereits dem Ferrari und zuletzt am Sachsenring auch dem Porsche mehr Leistung ermöglichte.

"Wahrscheinlich muss man was am Restriktor ändern"

Und in Spielberg haben die Mittelmotor-Sauger von Audi und Lamborghini traditionell wegen der Höhenluft Schwierigkeiten, während die Turbos wegen der Verdichtung kaum betroffen sind. Und auch der Mercedes-AMG GT3 leidet mit seinem 6,2-Liter-V8-Saugmotor etwas weniger als der Audi mit dem 5,2-Liter-V10-Sauger.

Daher ist auch Abt-Sportdirektor Martin Tomczyk der Ansicht, dass der Audi, der bereits die ganze Saison lang mit einem 36-Millimeter-Restriktor ausgestattet ist, mehr Leistung benötigt.

"Gewichtstechnisch sind wir schon fast ganz unten", verweist er im Gespräch mit Motorsport-Total.com darauf, dass teilweise sogar Kameras ausgebaut werden mussten, damit man das vorgegebene Gewicht erreicht. "Also muss man bei unserer momentanen Einstufung wahrscheinlich was am Restriktor ändern."

"Wie soll der Fahrer so jemals aus Windschatten überholen?

Denn schon am Lausitzring hatte Feller im Siegduell gegen SSR-Lamborghini-Titelrivale Bortolotti trotz Windschattens keine Chance zu überholen, obwohl er merkbar schneller war. "Unser Auto kann keinen überholen", ärgert sich Biermaier. "Lausitzring war das beste Beispiel."

Tomczyk stimmt dem Abt-Geschäftsführer zu. "Um die Rundenzeit geht es vielleicht gar nicht, denn da sind wir ganz gut", holt der Ex-DTM-Champion aus. "Unser Konzept sorgt dafür, dass wir in den Kurven recht zügig sind, nur auf den Geraden geht uns die Luft aus. Wenn man sogar im Windschatten hinter einem anderen Auto eher verliert: Wie soll der Fahrer jemals aus dem Windschatten ein Überholmanöver machen, was im GT3 die einzige Möglichkeit ist, solange der andere keinen Fehler macht?"

"Komisch", wie sich die Lamborghini-Zeiten entwickeln

Überhaupt fühlt man sich in Sachen BoP dieses Jahr im Hause Abt etwas benachteiligt. Das führt man darauf zurück, dass vor allem die neuen Autos wie der für 2023 überarbeitete Lamborghini Huracan GT3 Evo2 im Gegensatz zum ausgereiften Audi oder Mercedes ziemliche Leistungsschwankungen aufweisen.

"Der 'Lambo' fliegt im Vergleich zu gestern", so Tomczyk am Sonntag nach Bortolottis Pole-Runde, die um exakt vier Zehntelsekunden schneller was als am Samstag. "Es ist komisch, wie sich die Rundenzeiten dort entwickeln im Vergleich zu anderen Herstellern. Sowas passiert nicht wegen drei Grad mehr oder weniger Außentemperatur. Es nervt, dass die SRO und der ADAC das nicht in den Griff bekommen, obwohl wir schon am Ende der Saison sind."

Wie Bortolotti seinen Leistungssprung erklärt

Auch Biermaier rümpft in Hinblick auf die Lamborghini-Performance die Nase. "Der ist dann gut, wenn er gut sein muss", sagt er. Wie Bortolotti selbst den Sprung von Samstag auf Sonntag im Qualifying erklärt?

Martin Tomczyk

Martin Tomczyk und Thomas Biermaier sind mit der Audi-Einstufung unzufrieden Zoom

"Gestern hatte ich keine optimale Qualirunde", verweist er am Sonntag darauf, dass er am Vortag um 0,174 Sekunden schneller gewesen wäre, hätte er seine besten Sektorenzeiten in einer Runde gefahren. "Heute haben wir mit den Erfahrungen von gestern einen kleinen Schritt nach vorne gemacht, vor allem ich selbst, und haben die Peak-Runde im Gegensatz zu gestern perfekt getroffen."

Was allerdings bei der Analyse des Sonntags-Qualifyings auffällt: Auch da wäre mit den perfekten Sektorenzeiten in einer Runde bei Bortolotti eine 1:17.212 statt einer 1:17.366 möglich gewesen. Der Unterschied zwischen der perfekten Runde am Samstag und am Sonntag beträgt somit 0,380 Sekunden, also fast vier Zehntel.

Biermaier fordert "professionelle Arbeit" von SRO

Bei Abt sieht man den Audi währenddessen als Basis für alle anderen, was die Einstufung der Fahrzeuge angeht. "Man muss sich einmal unsere Leistung über die ganze Saison anschauen", so Tomczyk. "Da gibt es nicht solche Peaks wie bei den anderen, die aus irgendeinem Grund auf einmal schneller sind. Wir sind sauber konstant. Deswegen hat sich unsere BoP seit dem zweiten Rennen kaum geändert."

Biermaier wirft mit einem Schuss Ironie ein: "Vielleicht sind wir auch zu schlecht als Team. Die anderen Teams finden über Nacht vier Zehntel - wir haben das nicht gefunden."

Der Kemptener hat Verständnis dafür, dass die DTM mit ihrem Ein-Fahrer-Pro-Auto-Konzept und den Topteams und Toppiloten, die das Potenzial der Fahrzeuge ausreizen, auch für die SRO Motorsports Group eine besondere Herausforderung ist. "Trotzdem muss man erwarten können, dass professionelle Arbeit geliefert wird", fordert Biermaier. "Das ist eine professionelle Serie - und das erwartet man auch von uns."