TV-Kritik: Gelungenes Sat.1-Debüt mit Luft nach oben

So macht DTM live im Fernsehen wieder Spaß: Sat.1 hat ein gelungenes Übertragungs-Debüt abgeliefert, kann sich aber trotzdem noch steigern

Titel-Bild zur News: Edgar Mielke, Timo Schneider, Andrea Kaiser und Matthias Killing

Das Sat.1-Team: Edgar Mielke, Timo Schneider, Andrea Kaiser, Matthias Killing Zoom

Liebe Leser,

ich muss mich vorweg outen: Ich war nie ein großer Fan der DTM. In meiner Funktion als Chefredakteur beobachte ich natürlich die politischen Spielchen hinter den Kulissen sehr genau. Aber um auch das Racing zu verfolgen, fehlte mir in den vergangenen Jahren a) die Zeit und b) war es mir schlicht und einfach zu langweilig. Was mit Sicherheit zu einem sehr großen Teil an der wirklich einschläfernden Live-Leistung der ARD lag.

Das ist jetzt anders. Zum Glück!

Das "anders sein" beginnt schon bei der Kleidung der Crew. Statt im angestaubten Anzug der ARD kommt Sat.1 lässig-locker in Jeans und T-Shirt daher. Das ist per se noch kein Qualitätsmerkmal. Aber es ist ein subtiles Signal für einen Paradigmenwechsel in der Präsentation der DTM nach außen. Und bei jüngeren Menschen kommt dieser Style sicher besser an.

Die Kommentarleistung von Edgar Mielke und Experte Timo Scheider war exzellent. Schon nach dem Start des Sonntagsrennens hatten mir die beiden mehr Emotion von der DTM vermittelt als die ARD in 18 Jahren. Und das ist gut. Denn Emotion ist im Motorsport das Salz in der Suppe.

Und, mal ganz polarisierend gesagt: Wäre Philipp Sohmer am ARD-Mikrofon auch nur ein einziges Mal so abgegangen wie das neue Sat.1-Duo, wäre ich in der Vergangenheit wahrscheinlich nicht ganz so oft eingeschlafen ...

Keine Angst vor mehr Detailtiefe!

Natürlich gibt es trotzdem Dinge, die noch besser werden können. Scheider ist ein hervorragender Co-Kommentator und macht seine Sache gut. Wünschenswert wäre jedoch, etwas mehr Detailtiefe vermittelt zu bekommen. Dafür sind Experten schließlich da.

Sat.1 sollte sich nämlich davor hüten, den gleichen Fehler wie RTL in der Formel 1 zu machen und das Publikum für oberflächlich zu halten. Das Motorsport-Publikum verträgt mehr Fachkompetenz, als man annehmen würde. Das zeigt das Userverhalten auf unseren Portalen, auf denen Hardcore-Analysen und Hintergründe zu sportpolitischen Vorgängen mit Abstand am besten klicken.

Was man sich auch hätte schenken können, ist das In-Car-Interview mit Mattias Ekström während der Aufwärmrunde. Nur weil man kann, sollte man es nicht zwangsläufig tun. Diese kurzen Interviews haben keinen Mehrwert für die Zuschauer. Sie nicht mehr zu senden, wäre kein Verlust.

Und auch sonst gibt es die eine oder andere Kleinigkeit, die mich an einer ansonsten rundum gelungenen Premieren-Übertragung gestört haben.

Zum Beispiel, dass sich Mielke und Schneider aus Werbepausen zurückgemeldet haben, obwohl sie in gar keiner waren. Was daran liegen mag, dass auf mehreren Plattformen übertragen wird. Ich für meinen Teil war über das österreichische Sat.1-Fenster live dabei. Kann passieren, gerade bei einer Premiere.

Andrea Kaiser: Von Kritikern unterschätzt

Die sicher größte Baustelle ist die Nachberichterstattung nach dem Rennen. Erfrischend, wie sich Andrea Kaiser auf dem Podium zwischen Timo Glock und Gary Paffet gesetzt und die beiden interviewt hat. Wer Kaiser auf ihr blendendes Aussehen reduziert, sollte spätestens jetzt die Klappe halten. Ihre Interviews waren keineswegs schlechter als die von Claus Lufen.

Und trotzdem im Detail noch ausbaufähig. Zum Beispiel wäre für viele Fans sicher interessant gewesen, Hintergründe über Paffetts DRS-Strategie im Finish zu erfahren oder warum Glock in der Haarnadel nicht auf der Innenseite zugemacht hat. Stattdessen hat man sich in Floskeln über das tolle Racing verloren.

Es ist leider eine Seuche im Motorsport-Fernsehen, dass vermutet wird, man könne dem Publikum nicht mehr Tiefe zumuten. Die wenigen Ausnahmen, die es gibt - zum Beispiel Sky Sports F1 in Großbritannien -, sind die besten und erfolgreichsten Übertragungen.

Gerhard Berger und Chefredakteur Christian Nimmervoll

Chefredakteur Christian Nimmervoll im Interview mit DTM-Chef Gerhard Berger Zoom

Aber sonst lief da noch nicht viel zusammen, als das Rennen beendet war. Das beginnt bei der Kurzversion der deutschen Bundeshymne: Es ist ein Trauerspiel, dass die ITR den ehrenvollsten und bewegendsten Moment des Rennwochenendes immer noch entwertet und die Hymnen verkürzt!

Nahaufnahmen von gerührten Champions, denen bei ihrer Hymne Tränen über die Backen kullern, sind das, was Sportfans am Live-Fernsehen begeistert. Olympia lässt grüßen. Die ITR nimmt sich hier selbst das Potenzial für eine emotionale Bindung der Fans an die Rennserie weg, indem sie die Hymnen verkürzt und den Moment emotional kastriert. Auch wenn Sat.1 selbst dafür natürlich nichts kann.

Nachberichterstattung noch ausbaufähig

Und dann wirkte es auf mich ziemlich deplatziert, dass meine brennende Lust auf Interviews, Analysen und Nachberichte dramatisch reduziert wurde, indem mitten in der Phase der höchsten Emotionen ein belangloser Einspieler mit einem DTM-Arzt gezeigt wurde, gefolgt von einem Interview mit David und Ralf Schumacher.

Das Formel-4-Rennen mag ja ganz interessant gewesen sein, aber es darf nicht Platz wegnehmen für die ersten fachkompetenten Interviews und Analysen nach dem DTM-Zieleinlauf. Eine Tiefenanalyse des epischen Duells Glock vs. Paffett am "Skypad", wie das bei den britischen TV-Kollegen heißt, wäre viel spannender gewesen.

Und kaum kam Freude darüber auf, dass die Formel 4 zwar etwas abrupt unterbrochen wird, dafür aber die ersten Reaktionen von Glock und Paffett in der Pressekonferenz zu sehen sind, war die Freude auch schon wieder dahin: Der Einspieler wurde offenbar irrtümlich gesendet und nach ein paar Sekunden gleich wieder ausgeblendet. Also weiter mit Familie Schumacher. Auch nett, aber all diese Beiträge wären in einer Vorberichterstattung viel besser aufgehoben gewesen.


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Was Sat.1 dafür richtig gut macht, sind Interviews mit englischsprachigen Fahrern: Anstatt auf einen peinlichen Synchronübersetzer über die Tonspur zu legen, der im besten Fall sehr ungenau übersetzt und im schlechtesten das, was da gerade gesagt wird, komplett faktenverdreht (wie wir das von anderen deutschen Motorsport-Übertragungen kennen), fasst Andrea Kaiser die Antworten kurz selbst zusammen.

Das gibt den vielen, die der englischen Sprache mächtig sind, die Chance, die Aussagen ungefiltert und authentisch zu hören. Und die wenigen, die gar kein Englisch verstehen, werden auch nicht ganz im Regen stehen gelassen.

Auch wenn da jetzt viele Kleinigkeiten erwähnt wurden, die Sat.1 noch besser machen kann: Der Gesamteindruck der DTM-Premiere war ein sehr positiver. DTM schauen am freien Wochenende ist jetzt wieder eine echte Alternative, die richtig Spaß macht! Bislang half es mir bestenfalls dabei, ein Nickerchen auf der Couch einzulegen ...

Ihr

Christian Nimmervoll

PS: Folgen Sie mir oder meinen Kollegen auf Twitter unter @MST_ChristianN!

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