"Spielberg wie gemacht für sie": Sheldon van der Linde am Sonntag DTM-Meister?

Sheldon van der Linde könnte schon dieses Wochenende DTM-Meister werden: Wieso seine Herausforderer den BMW-Piloten in Spielberg klar im Vorteil sehen

(Motorsport-Total.com) - Große Spannung vor dem vorletzten DTM-Wochenende der Saison - denn Schubert-BMW-Pilot Sheldon van der Linde, der in der Meisterschaft 32 Punkte vor Winward-Mercedes-Pilot Lucas Auer führt, könnte den Sack theoretisch schon am Sonntag in Spielberg zumachen.

Titel-Bild zur News: Sheldon van der Linde

Sheldon van der Linde hat in Spielberg seinen ersten Titel-Matchball Zoom

Gewinnt der BMW-Werksfahrer am Samstag und Sonntag, würden zwei dritte Plätze seinem ärgsten Verfolger nicht reichen, um seinen vorzeitigen Titelgewinn zu verhindern.

Rein theoretisch ist in der DTM aber noch alles offen, denn es sind insgesamt noch 116 Punkte - inklusive Top 3 im Qualifying und schnellster Runde - zu holen. Und 19 Piloten - also alle bis zu Mikael Grenier, der 17 Punkte hat - haben noch die Chance auf den Titel.

"In Spielberg gewinnen sogar Rookies mit dem BMW"

Sheldon van der Linde, der 130 Punkte auf dem Konto hat, geht aber tatsächlich mit hervorragenden Vorzeichen ins Red-Bull-Ring-Wochenende, denn der Kurs in Spielberg gilt als absolute BMW-Strecke. "Ich rechne dort vor allem mit einer bayrischen Marke", prognostiziert Teamchef Gottfried Grasser im Gespräch mit 'Motorsport-Total.com'.

Er hat mit dem viertplatzierten Mirko Bortolotti, dem 36 Punkte auf van der Linde fehlen, auch noch einen Piloten im Titelkampf. Dennoch habe der DTM-Leader im Schubert-BMW alle Trümpfe in der Hand.


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"Für sie ist diese Strecke wie gemacht. Das hat man auch in anderen Serien gesehen, die dieses Jahr schon in Spielberg gefahren sind - und da gewinnen sogar die Rookies mit diesem Auto", spielt Grasser, dessen Team nur wenige Kilometer von der Strecke entfernt ansässig ist, auf den überraschenden Schubert-Doppelerfolg im ADAC GT Masters im Mai durch Niklas Krütten und Ben Green im BMW M4 GT3 an.

Wird die Konkurrenz nach dem Start vom BMW "gefressen"?

Für Bortolotti werde es hingegen eine schwierige Aufgabe - vor allem wenn beim Start ein BMW, der auf der Bremse und bei der Traktion Zeit verliert und daher mit mehr Leistung eingestuft wird, neben ihm steht. "Wenn du neben dem BMW starten musst, dann hast du kaum eine Chance", sagt Grasser.

"Direkt beim Start hast du bei der Beschleunigung schon ein bisschen einen Nachteil. Und dann kommen im Prinzip drei lange Geraden. Was willst du da machen? Wenn du dich da verteidigen musst, möchte ich bei unserem Auto nicht in der Fahrerrolle sein."

Dennoch traut er Bortolotti, der zuletzt durch zwei Kollisionen am Nürburgring und Qualifying-Pech in Spa kaum punktete, nach wie vor alles zu: "Mirko ist im Kopf stark. Für einen Profi wie ihn ist das kein Thema. Er hat das abgehakt."

Der in Wien lebende Italiener weißt, dass es in Spielberg "schwierig" wird - und verweist auf den Leistungsnachteil: "Speziell in Sektor 1 und am Ausgang von Kurve 2 gilt: Je mehr Power man hat, desto besser ist das für deine Rundenzeit."

Auer: "Dann kriegen wir eine Ohrfeige von den Turbo-Autos"

Interessant ist, dass auch die anderen Herausforderer Sheldon van der Linde klar die Favoritenrolle zuschieben. Winward-Mercedes-Pilot Lucas Auer meint, dass er jedes Jahr voller Vorfreude zum Heimrennen nach Spielberg komme - "und dann kriegen wir eine Ohrfeige von den Autos mit Turbomotor". Er hat neben dem BMW mit dem Ferrari auch das zweite Turbo-Auto klar auf der Rechnung.

Was sich Auer, der nach dem Nürburgring-Wochenende mit seinem Winward-Team zwei Testtage in Spielberg - bei Regen und trockener Strecke - absolvierte, ausrechnet? "Ein Sieg wäre ein voller Erfolg, aber wenn ich am Podium stehe, wäre ich auch schon happy", so der Neffe von DTM-Boss Gerhard Berger, der in Spielberg noch nicht gewonnen hat.

Seine Prognose: "Die Meisterschaft wird glaube ich am Sonntag in Hockenheim entschieden. Wenn nicht sogar in den letzten paar Runden, weil wir alle so eng beieinander hängen."

Pessimismus bei Abt: "Unsere Schwäche ist Beschleunigung"

Während Auer immerhin Siegchancen sieht, malt Abt-Audi-Pilot Rene Rast, der als Drittplatzierter in der Meisterschaft 34 Punkte Rückstand hat, ein düsteres Bild. Der dreimalige DTM-Champion geht mit einer Gridstrafe von drei Startplätzen in das Spielberg-Wochenende.

Marco Wittmann, Liam Lawson

Auch im Vorjahr siegfähig: Vor allem in der Bergauf-Passage ist der BMW stark Zoom

Zudem fürchtet man, dass der Audi, der die gleiche Basis wie Bortolottis Lamborghini hat, auf dem Red-Bull-Ring eine stumpfe Waffe ist. "Der Red-Bull-Ring war leider noch nie eine gute Strecke für den Audi R8 LMS, deshalb wird es dort extrem schwierig für uns", so Rast.

Und sein Renningenieur schlägt in die gleiche Kerbe wie Gottfried Grasser. "Unsere größte Schwäche ist die Beschleunigung aus den langsamen Kurven heraus - das hat man in Spa vor allem am Start gesehen", meint Felix Fechner.

Wettergott Sheldon van der Lindes größter Feind?

"Am Red-Bull-Ring gibt es mit der ersten Kurve und Kurve drei gleich zwei Kurven, in denen die Rundenzeit sehr sensitiv auf die Beschleunigung und die Leistung reagiert. Dort müssen wir schauen, wie das mit der neuen Einstufung für uns funktioniert", spielt er damit auf die Balance of Performance an. Der Wunsch nach mehr Leistung wurde in Spielberg von AVL Racetech nicht erwidert.

Man darf also gespannt sein, ob Auer, Rast und Bortolotti - oder gar ein anderer - Sheldon van der Linde noch einmal so richtig unter Druck setzen können. Womöglich kommt ihnen dabei sogar der Wettergott zur Hilfe: Denn für den Sonntag ist Regen angesagt - und der behagte dem favorisierten BMW M4 GT3 in Spa-Francorchamps gar nicht ...