Schneider über Tim Heinemann: "Fährt nicht mit Popo, sondern mit den Augen"

Sim-Racer-Tim Heinemann tut sich seit dem DTM-Sensationsstart schwer: Woran das liegen könnte und was laut Bernd Schneider klassische Fahrer anders machen

(Motorsport-Total.com) - Sim-Racer und DTM-Trophy-Champion Tim Heinemann erlebte in der DTM in Oschersleben einen Einstieg nach Maß, als er nach zwei Podestplätzen sensationell in der Meisterschaft in Führung ging. Obwohl es für ihn und sein Toksport-WRT-Team seitdem nicht mehr nach Wunsch läuft und er nur noch sechs Punkte am Nürburgring holte, glaubt "Mr. DTM" Bernd Schneider weiter an den 25-jährigen Rohdiamanten.

Titel-Bild zur News: Tim Heinemann

Tim Heinemann am Limit: Wie sehr nutzt der Sim-Racer seinen "Popometer"? Zoom

"Ich habe es noch nie erlebt, dass sich einer so schnell so gut zurechtfindet", erinnert sich der DTM-Rekordmeister bei ran.de an einen Test in Hockenheim im Jahr 2018, als ihn der damalige "Nobody" ohne Erfahrung im Mercedes-AMG GT3 um eine Zehntelsekunde schlug. "Er war auf Anhieb auf unseren Zeiten, obwohl er noch nie im Rennauto war. Deshalb habe ich auch gesagt: Ich muss ihm helfen, Fuß zu fassen."

Bemerkenswert sei aber, dass Heinemann völlig anders fahre als ein herkömmlicher Rennfahrer. "Tim Heinemann fährt nicht mit dem Popometer, sondern mit den Augen", erklärt Schneider, der den Youngster zu Beginn der Karriere unterstützte. "Er sagt, er würde am liebsten gar nichts vom Auto spüren, er sieht alles. Das ist der Unterschied zwischen einem reinen Simulatorfahrer und einem Autofahrer."

Schneider über Heinemann: "Damit hat er zu kämpfen"

Denn Piloten, die im Kartsport und später im echten Rennauto ihre ersten Erfahrungen gesammelt haben, lernen, den sogenannten "Popometer" - also das Gefühl im Hintern - zu nutzen, um das Fahrzeug unter Kontrolle zu halten. Heinemann, der erst 2018 erste reale Rennen fuhr, spulte tausende Runden im Simulator ab, wodurch er schon in jungen Jahren viel Erfahrung sammelte. Das Körpergefühl fehlt allerdings in der virtuellen Welt.

"Jetzt lernt er natürlich, seinen Popometer einzusetzen, denn ich weiß nicht, ob man die Bodenwellen und all das so sehen kann", so Schneider. "Er sagt, er kann sie sehen, aber er muss sie auch spüren. Und damit hat er glaube ich noch ein bisschen zu kämpfen."

Der fünfmalige Meister ist aber davon überzeugt, dass Heinemann durch die Erfahrung, die er jetzt bei Toksport WRT sammelt, eine große Karriere bevorsteht. "Wenn er das dort alles aufnimmt, dann wird das einer von den Topjungs im Motorsport, weil er auch Spaß an diesen Simulatoren hat, mit denen man heute extrem viel macht und tun muss, um erfolgreich zu sein."

Heinemann: Simulator-Racing "digital" und "zweidimensional"

Abgesehen davon kenne Heinemann, dem Schneider enormes Talent attestiert, durch das Sim-Racing "jede Strecke auf der ganzen Welt, auch wenn er noch nie da war, und kann sich perfekt adaptieren".

Heinemann selbst ist bewusst, dass beim Fahren im Simulator das Gefühl eine untergeordnete Rolle spielt. Auf die Frage, was jenen Sim-Racern fehlt, die den Sprung ins echte Rennauto nicht schaffen, antwortet er: "Vielleicht ist es am Ende dann doch der Popometer, was einige Menschen haben und andere nicht."

Das Racing im Simulator sei "schon sehr digital, sehr zweidimensional", sagt er im Gespräch mit Motorsport-Total.com. "Man muss offen dafür sein, dass im Rennauto oft Dinge passieren, die man nicht in der Hand hat."

Am Simulator sei die Strecke "nahezu immer perfekt. Im Rennauto ist es so, dass man sich nicht aussuchen kann, wann oder mit welchem Reifensatz man fährt - oder wie der Reifendruck eingestellt ist. Man ist auf ein Team angewiesen. Es sagt einem, wann man wie wo zu fahren hat."

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