Schneider: Mit Geduld zurück an die Spitze
Das große 'Motorsport-Total.com'-Interview mit DTM-Champion Bernd Schneider, der seit dem Rennen am Norisring wieder Spitzenreiter ist
(Motorsport-Total.com) - Zu Beginn dieser Saison gab es schon vereinzelte Stimmen, die Rekordmeister Bernd Schneider allmählich abschrieben. Die Resultate kamen nicht so, statt dem Saarländer platzierten sich andere ganz oben in den in den Ergebnislisten. Den Kampf um den Meistertitel schienen andere auszufechten. Doch nun ist die Saisonmitte erreicht und andere Stimmen fragen sich: Was kann diesen Champion aufhalten?

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Bernd Schneider hat sich zurückgemeldet: Nach fünf Rennen ist er Spitzenreiter
Mit dem ersten Saisonsieg in Brands Hatch sprach Schneider plötzlich wieder ein lautes Wort mit im Titelkampf, zwei Wochen später am Norisring reichte Platz zwei, um die Führung in der Gesamtwertung zu übernehmen. Jetzt ist er wieder der Gejagte. Im Interview mit 'Motorsport-Total.com' sprach Schneider über seine ungebrochene Zuversicht und den extrem spannenden Kampf in der Meisterschaft, er verriet aber auch, warum Rente für ihn ein Fremdwort ist und warum sein Sohn mehr nach seinem Schwager Oliver Bierhoff kommt.#w1#
Brands Hatch war "die schiere Freude"
Frage: "Wie war das Gefühl beim Zieleinlauf in Brands Hatch - der erste Saisonsieg?"
Bernd Schneider: "Das war die schiere Freude, weil es ein Sieg war, der nicht vorhersehbar war, von Platz sechs in Brands Hatch zu gewinnen ist nicht unbedingt etwas, was man vorher erwarten konnte. Von daher hat mir das Rennen wahnsinnig viel Spaß gemacht, auch weil das Auto sehr gut war und ich eine sehr gute Strategie hatte. Ich wusste schon nach halber Renndistanz, dass ich aufs Podium fahren kann und dass es dann zum Sieg gereicht hat, war natürlich außergewöhnlich schön und hat mich wahnsinnig gefreut."
Frage: "Der Saisonauftakt lief - rein von den Ergebnissen her - nicht so gut für dich. Hattest du immer die Zuversicht, dass du dich im Titelkampf zurückmelden wirst und auch die Geduld?"
Schneider: "Nach dem zweiten Rennen habe ich zu meinen Jungs gesagt 'Macht euch keine Sorgen, es kommt dieses Jahr noch'. Dass es in Brands Hatch schon geklappt hat, freut mich. Aber ich hatte die Saison gar nicht so schlecht gesehen. In Hockenheim war ein bisschen Pech dabei, wo ich im Qualifying nur Neunter war und von dieser Position ist es nicht so leicht nach vorn zu kommen. In Oschersleben bin ich am Start stehen geblieben, dort bin ich als Letzter los gefahren und bin Sechster geworden. Das war für mich ein superschönes, geiles Rennen, aber es hat keiner so mitbekommen, weil die meisten nur auf die ersten Fünf schauen. Aber da wusste ich: Der Speed ist da und wenn alles klappt, dann passt es auch."
"Lausitzring war dann ein chaotisches Rennen, aber die Performance war gut. Ich hätte auch gewinnen können oder Zweiter oder Dritter werden, da war alles drin. Und in Brands Hatch hat alles zusammengepasst. Aber ich glaube, dass diese Saison sowieso eine Entwicklung nimmt, die die DTM noch nicht gesehen hat, denn wenn man jetzt schon sieht, dass ich als Führender jetzt gerade 25,5 Punkte habe, dann weiß man wie viel Punkte der Meister am Ende des Jahres haben wird."
Zehn Piloten mit Titelchancen
Frage: "Wir haben jetzt Saisonmitte - wer denkst du denn, wird am Ende der Saison noch alles mit dabei sein im Kampf um den Titel?"
Schneider: "Meine Befürchtung ist, dass es mindestens noch zehn Leute sein werden. Also die Spannung für Fahrer und Zuschauer ist garantiert."
Frage: "Welche Faktoren könnten dir dabei entgegenkommen?"
Schneider: "Das ist sehr schwer zu sagen. Alles wird auch ein bisschen davon abhängig sein, wie viele Punkte man machen kann, wenn man ein schweres Auto hat und wie viele Punkte man mit einem leichten Auto mitnehmen kann, wenn man also die Chance hat, zu gewinnen. Derjenige, der dieses System von Punkten und Gewicht am besten für sich nutzen kann, der wird Meister werden."
Frage: "Die kommenden Rennstrecken - liegen die dir?"
Schneider: "Ich mag alle Strecken, von daher habe ich da kein Problem. Es gibt Strecken, auf denen man ein bisschen Glück braucht und es gibt Strecken, auf denen man sagt 'es ist das oder jenes möglich, wenn es normal läuft'. Ich jedenfalls mag alle Strecken."
Denke überhaupt nicht ans Aufhören"
Frage: "Was entgegnest du Leuten, die sagen, dass es mit fast 43 Jahren bald mal Zeit für die Rennfahrerrente wäre?"
Schneider: "Wenn jemand an seinem Job wenig Spaß hat, dann kann ich verstehen, wenn er mit 43 in den Ruhestand gehen will. Ich aber liebe meinen Job, es macht mir Spaß und von daher werde ich erst dann aufhören, wenn ich denke, dass für mich die Zeit gekommen ist. Aber momentan denke ich da noch überhaupt nicht daran."
Frage: "Du selbst hast im Alter von fünf Jahren mit dem Kartfahren angefangen, stark unterstützt von deinem Vater. Jetzt hast du selbst Kinder - zeigen die auch Rennsportambitionen?"
Schneider: "Mein Sohn ist mehr Fußballer, er kommt nach meinem Schwager (Oliver Bierhoff; Anm. d. Red.), also nach der Familie meiner Frau und er hat keine Ambitionen. Die Kinder fahren zwar Kart und haben dabei auch Spaß, aber es fehlt ganz klar der Wille, es wirklich machen zu wollen. Bei jeder Sportart, die man professionell betreiben will und die man als Kind schon beginnt, muss der Wille, das absolut machen zu wollen, extrem ausgeprägt sein. Und das ist bei meinen Kindern nicht so. Die haben Spaß, die machen es gern, aber sie sind absolut nicht so, dass sie sagen 'Das ist jetzt meine Berufung'. Meine ältere Tochter reitet lieber, daran hat sie Spaß und mein Sohn ist der Fußballer. Bei der ganz Kleinen kann es allerdings noch gefährlich werden, denn die ist autoverrückt."
"Mugello ist unglaublich schön"
Frage: "Das nächste Rennen ist in Mugello. Du kennst den Kurs noch von der 'alten' DTM, du hast dort 1995 und 1996 gewonnen. An was kannst du dich sonst noch erinnern?"
Schneider: "Mugello ist eine unglaublich schöne Rennstrecke, es ist eine der wenigen Strecken, die so, wie sie früher mal gebaut wurden, geblieben ist. Sie hat wirklich schnelle Kurven, eine schnelle Schikane, eine langsame Schikane, man hat dort alles, was man braucht und was eine Rennstrecke ausmacht. Deshalb denke ich, dass sich die meisten Fahrer auf Mugello freuen."
Frage: "Zum Schluss noch etwas ganz anderes: Dario Franchitti ist ein sehr guter Freund von dir. Hast du die Indy 500 und seinen Sieg dort mitverfolgt?"
Schneider: "Ich habe das Rennen live bei 'Premiere' angeschaut und ja, das war schon ein absoluter Traum zu sehen, dass mein alter Teamkollege das geschafft hat. Ich war bei seinem ersten Sieg in der ChampCar dabei, als er damals in die USA gegangen ist und sein ganz großer Traum war natürlich der Sieg bei den Indy 500. Das ist das große Ziel für jeden, der da drüben in den USA fährt. Das war für mich sehr schön, seinen Sieg zu sehen."

