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  • 25.05.2007 14:24

  • von Britta Weddige

Im Trubel fokussiert bleiben

In der Startaufstellung wimmelt es nur so von Leuten: Mechaniker, Promis, Journalisten - und mittendrin müssen die Piloten zur Konzentration kommen

(Motorsport-Total.com) - Sonntag, früher Nachmittag, kurz vor dem DTM-Rennen: Die DTM-Boliden haben ihren Platz auf der Startaufstellung eingenommen. Und um die Autos herum wuselt es nur so: Mechaniker und Ingenieure machen die Autos startklar, zwischendrin posieren Stars und Sternchen, geben Interviews und begutachten die Boliden, Journalisten sind auf der Jagd nach Meldungen und Hintergrundinformationen, Fotografen suchen das beste Motiv. Die Piloten bekommen noch den einen oder anderen Glückwunsch zugerufen und müssen auch noch die eine oder andere Hand schütteln.

Titel-Bild zur News: Startaufstellung

In der Startaufstellung kann es viele Ablenkungen für die Piloten geben

Aber eigentlich ist das die Phase, in der die Fahrer so kurz vor dem Rennen schon all ihre Konzentration sammeln müssen. Denn gleich geht es los, jede Ablenkung stört eigentlich. Wie schafft man es, in all dem Trubel fokussiert zu werden? 'Motorsport-Total.com' hat sich im Fahrerlager umgehört.#w1#

Totale Ruhe bei la Rosa

Beinahe meditativ geht Mücke-Pilot Daniel la Rosa diese letzten Minuten an: "Das ist ganz komisch bei mir, ich habe mir über die Jahre angeeignet, dass ich um mich herum alles vergesse und ganz tief in mich gehe", erklärt er uns. "Dabei bin ich so konzentriert, dass mich eigentlich auch nichts mehr stören kann und ich gar nicht mehr aus der Ruhe zu bringen bin."

Diese totale Konzentration macht sich bei la Rosa dann sogar körperlich bemerkbar: "Ich werde dann so ruhig und fahre dann auch mit dem Puls runter", schildert er. "Ich mache noch einmal die Augen zu und gehe noch mal alles durch und bin dann so konzentriert, da könnte vor mir jemand nackt rum rennen - mir würde es gar nicht auffallen." Damit dürften sich dann wohl auch insgeheime Hoffnungen manch hübscher Gridgirls, der Pilot könne auf sie aufmerksam werden, zerschlagen haben.

"Da könnte vor mir jemand nackt rum rennen - mir würde es gar nicht auffallen." Daniel la Rosa

Ekström: Grüßen und Hallo sagen reicht

Für Audi-Pilot Mattias Ekström ist es reine Gewöhnungssache: "Das gehört dazu", sagt der Schwede. "Ich bin schon lang in der DTM dabei und da lernt man, damit umzugehen. Wenn ich allein im Auto sitze und meine Ruhe habe, dann konzentriere ich mich." Völlig abschotten tut sich Ekström allerdings nicht, bevor er ins Auto steigt. Für die Live-Übertragung im Fernsehen gibt er dann auch noch gern ein Interview, ansonsten mag es Ekström dann aber lieber nur noch kurz und knapp: "Auf der Startaufstellung reicht es glaube ich, zu grüßen und Hallo zu sagen."

Genauso macht es Mercedes-Pilot Bruno Spengler: "Ich sehe die Leute, sage Hallo, aber mit meinem Kopf bin ich schon beim Rennen", erklärt der Kanadier. "Ich bin ein bisschen in einer anderen Welt. Ich bin voll auf das Rennen konzentriert, geistig schon im Auto und auf den Start konzentriert."

Kollege Gary Paffett stimmt zu: "Klar sind da viele Leute und jeder will mit dir reden", so der Brite. "Und oft sprichst du auch mit Leuten, aber eigentlich redest du nicht wirklich mit ihnen. Du bist schon total auf das Rennen fokussiert. Da sagst zwar Hallo, aber danach weißt du meistens nicht einmal mehr, zu wem du da eigentlich Hallo gesagt hast."

"Du weißt meistens nicht einmal mehr, zu wem du da eigentlich Hallo gesagt hast." Gary Paffett

Zur Sicherheit noch einmal auf die Toilette

Die Phase vor dem Start ist bei Paffett genau durchgeplant: "Du schaust auf die Uhr um zu sehen, wie lange du noch hast", beschreibt er sein Vorgehen. "Du solltest keine Hektik haben. Normalerweise solltest du etwa sieben Minuten vor dem Start so weit fertig sein und ins Auto steigen. Davor gehst du noch mal in die Box und gehst noch einmal auf die Toilette. Das ist glaube ich nicht aus Nervosität, sondern einfach nur um sicher zugehen."

Etwa sieben Minuten vor dem Start steigt Paffett dann ins Auto, dort beginnt die heiße Phase der Konzentration: "Du musst dich etwas umschauen, schauen, wer da neben dir steht, wo du auf dem Grid stehst. Du überlegst, wie dein Auto zuletzt war. Dann denkst du an die Aufwärmrunde und dann natürlich an den Start und bereitest dich vor. Es kommt nur darauf an, dass man sich auf seinen Job konzentrieren kann. Wenn du zu sehr gestört wirst, dann ist es schwer, seine Konzentration wieder zu bekommen."

"Du musst dich etwas umschauen, schauen wer da neben dir steht, wo du auf dem Grid stehst." Gary Paffett

Die letzten Worte gehen ans Auto

Einen festen Zeitplan hat auch Audi-Pilot Timo Scheider: "In den ersten paar Minuten versuche in zumindest noch locker zu bleiben und mit meinen Mechanikern und den Leuten in der Startaufstellung zu reden." Das ist für ihn die beste Möglichkeit, den Trubel nicht allzu sehr an sich heran zu lassen.

Die wirkliche Konzentrationsphase beginnt für Scheider wie für Paffett, wenn er etwa sieben bis acht Minuten vor dem Start ins Auto steigt: "Da bin ich für mich allein, da steht nur mein Mechaniker neben mir und gibt mir ein paar Glückwünsche vom Team mit auf den Weg", schildert er. "Aber da bin ich im Großen und Ganzen für mich allein, von daher ist das eigentlich die beste Situation und Zeit, um mich zu konzentrieren." Dabei versucht er dann ruhig zu werden und sich die ersten Kurven vorzustellen.

Und: Wie so viele andere Sportler hat auch Scheider feste, eingespielte Rituale: "Bevor ich ins Auto steige, ziehe ich die Handschuhe nicht an", verrät er. "Die Handschuhe werden erst ins Auto gelegt und dann im Auto angezogen."

"Bevor ich ins Auto steige, ziehe ich die Handschuhe nicht an." Timo Scheider

Noch interessanter ist aber, was er macht, kurz bevor er einsteigt: "Zwei, drei Sekunden bevor ich einsteige, spreche ich noch einmal mit meinem Auto, da bespreche ich sozusagen das ganze Paket." Ob er seinem Auto, wenn er schon mit ihm spricht, dann auch einen Namen gegeben hat, will Scheider nicht verraten, er fügt aber schelmisch lachend hinzu: "Wir haben eine ganz innige Beziehung, wir beide..."