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HWA oder japanischer Hersteller: DTM-Boss Berger spricht Klartext über 2020

DTM-Boss Gerhard Berger im Interview: Wie unerwartet ihn das R-Motorsport-Aus traf und wie die Chancen stehen, dass zusätzliche Autos 2020 das Feld aufwerten

(Motorsport-Total.com) - Der drohende Audi-Ausstieg nach der Saison 2020 ist das große Thema in der DTM, doch zunächst gilt es einmal, die bevorstehende Saison zu stemmen. Nach derzeitigem Stand wird diese mit 15 Boliden über die Bühne gehen, doch DTM-Boss Gerhard Berger hatte nach dem Aus für Aston-Martin-Lizenznehmer R-Motorsport von "guten Gesprächen mit mehreren Automobil-Herstellern und Teams" gesprochen und kündigte ein "volles Starterfeld" an.

Titel-Bild zur News: Gerhard Berger

Gerhard Berger stellt klar: 2020 wird keine japanische Marke in die DTM einsteigen Zoom

Zudem machte HWA-Boss Hans Werner Aufrecht Berger das Angebot, die nach dem R-Motorsport-Aus in Affalterbach stehenden Aston-Martin-Vantage-Boliden bei gewährleisteter Finanzierung selbst einzusetzen, obwohl R-Motorsport im Besitz der exklusiven Aston-Martin-Lizenz für die DTM steht.

Und auch über ein kurzfristiges Engagement der japanischen Super-GT-Hersteller Honda, Toyota und Nissan gab es Spekulationen. Im zweiten Teil des Interviews mit 'Motorsport-Total.com' (hier geht's zu Teil 1 über das mögliche Audi-Aus) nimmt DTM-Boss Berger zu den brennenden Themen vor der Saison 2020 Stellung und spricht Klartext.

Frage: "Herr Berger, ist die fehlende Aston-Martin-Lizenz ein Hindernis für den Einsatz der Boliden durch HWA?"
Gerhard Berger: "Meiner Ansicht nach, nein. AF Racing (Dachfirma von Rennteam R-Motorsport; Anm. d. Red.) behauptet zwar, ihre Lizenz stünde dem Einsatz entgegen, aber ich denke, dafür braucht man keine Lizenz. Wenn HWA die Autos einsetzen will, dann kann er sie einsetzen."

"Wenn ich die Autos heute kaufen würde und dann der rechtmäßige Eigentümer bin, dann glaube ich, dass mir niemand verbieten kann, dass ich damit an einem Rennen teilnehme. Es ist ja mein Auto."

Frage: "Wäre sonst eine Lösung mit dem Konzern machbar?"
Berger: "Das weiß ich nicht."

Frage: "Wie realistisch ist ein Einsatz?"
Berger: "Realistisch ist so ein Einsatz aktuell leider nicht. Hans Werner Aufrecht war bemüht, uns da zu unterstützen. Wir waren auch bemüht, aber am Ende gab es zu viele Hürden."

"Das Kernproblem liegt in der Finanzierung. Das kriegt man in der kurzen Zeit nicht hin. Das andere Thema ist die Beschaffung der Teile. HWA müsste Teile bestellen und man wäre damit jetzt wahrscheinlich schon in der zweiten Saisonhälfte."

Gerhard Berger

DTM-Boss und Formel-1-Legende Gerhard Berger in seinem Büro in Wörgl in Tirol Zoom

Frage: "Ist der Aston-Martin-Ausstieg vergleichbar mit dem von Mercedes 2018?"
Berger: "Die Situationen unterscheiden sich grundlegend voneinander. Wir reden in diesem Zusammenhang immer von Aston Martin, aber ausgestiegen ist das Kundenteam AF Racing. Beim Mercedes-Ausstieg bekamen wir eineinhalb Jahre vorher die Nachricht. AF Racing hat im Januar gesagt, dass sie im März nicht mitfahren."

Frage: "Das war also tatsächlich so, dass sie zu Ihnen immer gesagt haben, alles sei auf Schiene?"
Berger: "Absolut. Und nicht nur zu mir, sondern auch zu unseren Partnern. Somit ist es natürlich schwierig, mit dieser Situation umzugehen. Aber auch das werden wir hinkriegen. Ich bin optimistisch."

Frage: "Helmut Marko hat gesagt, Sie sind inzwischen öfter in Japan als er selbst. Wie sieht die DTM-Rettung aus? Worauf konzentrieren Sie sich?"
Berger: "Die DTM braucht keine Rettung. Auch 2019 lief in dieser Phase der Kartenvorverkauf schon wesentlich besser als im Vorjahr, obwohl Mercedes ausgestiegen war. Aktuell läuft es wieder deutlich besser als im vergangenen Jahr."

"Es hat ja schon einige erfolgreiche Perioden in der DTM gegeben, in der zwei Hersteller das gesamte Teilnehmerfeld gestellt haben. Und das wird auch in diesem Jahr so sein. Aber wir arbeiten weiter fest daran, den nächsten Hersteller auf die Plattform zu bringen."

"Dieses Jahr werden zwei Hersteller das gesamte Teilnehmerfeld stellen." Gerhard Berger

"Ich bin mir sicher, für die Zuschauer wird die Saison 2020 mindestens so spannend wie 2019, wenn nicht noch spannender. Wir planen ein paar Dinge, die für noch mehr Würze sorgen. Unsere Fans werden eine Bombensaison sehen."

Frage: "Die Hersteller haben gesagt, dass ein Übergangsjahr vorstellbar wäre, aber grundsätzlich verlangen sie einen dritten Hersteller."
Berger: "Das ist nicht richtig. Wir hatten ursprünglich einen längerfristigen Plan mit AF Racing, der 2020 hätte beginnen sollen. Wir hatten mit Audi und BMW vereinbart, 2019 ein Übergangsjahr zu machen - und ab 2020 kommt Aston Martin. Dass AF Racing schon ein Jahr früher gekommen ist, war eine gelungene Fleißaufgabe."

"Ich habe mich sehr darüber gefreut, aber das war eigentlich gar nicht so vereinbart. Im Grunde genommen wäre jetzt der Startschuss."

Frage: "Wäre es vielleicht sogar nachhaltiger gewesen, ein Jahr später einzusteigen?"
Berger: "Klar, denn vorher war alles für ein Übergangsjahr vorbereitet. Jetzt ist die Situation anders. Das macht es für uns nun schwieriger."

Frage: "Aber es gab ja einen Notfallplan: Wäre R-Motorsport nicht eingestiegen, dann hätten Audi und BMW zusätzliche Autos gebracht. Gibt es diesen Notfallplan wieder für diese Saison?"
Berger: "Um zusätzliche Autos in die Startaufstellung zu bringen, muss man sie bauen. Man benötigt Motoren, man muss Teile und Chassis' bestellen. Das braucht ja alles die notwendige Vorlaufzeit."

Frage: "Klar, aber es gibt ja diese zwei Testautos."
Berger: "Ja, das ist richtig. Diese beiden Testautos standen im vergangenen Jahr für Gaststarter bereit. Jetzt versuchen wir, sie in die Startaufstellung zu bringen."

Aston Martin, Honda

Ein Einsatz des Aston Martin oder ein Super-GT-Einstieg ist 2020 unrealistisch Zoom

Frage: "Wie könnte eine mittelfristige Lösung aussehen?"
Berger: "Ein Szenario könnte sein: Europäische Hersteller schicken Autos nach Japan, asiatische Hersteller schicken Autos nach Europa. Diese Markenvielfalt würde die beiden Plattformen von DTM und Super GT unglaublich stärken. Und gleichzeitig könnte dadurch ein relativ günstiger Return on Investment für die Hersteller entstehen."

"Das ist auch unser ursprünglicher, mittelfristiger Plan, an dem wir weiterhin festhalten möchten. Nicht zuletzt aus diesem Grund haben wir ja auch in den vergangenen Jahren die technischen Reglements sukzessive angeglichen und Class 1 geschaffen."

Frage: "Es gibt aber noch den ausrangierten Mittelmotor-Honda, den alten Lexus und den Nissan. Da in der Super-GT-Serie dieses Jahr neue Autos kommen, werden sie nicht mehr gebraucht. Wäre es vorstellbar, so ein Auto über ein Privatteam in der DTM einzusetzen oder ist das komplett unrealistisch?"
Berger: "Der Mittelmotor-Honda passt nicht ins Class-1-Reglement. Die Japaner und wir bauen weiterhin Schritt für Schritt Vertrauen zueinander auf. Wir arbeiten an einem Übergangsszenario, verlieren aber den ursprünglichen Plan nicht aus den Augen."

Frage: "Für den Mittelmotor-Honda könnte man ja eine Lösung finden, wenn es das Ziel ist, das Feld etwas zu vergrößern."
Berger: "Ja, das wäre theoretisch zwar denkbar - aber nicht in dieser kurzen Zeit."