• 02.07.2008 11:50

  • von Britta Weddige

Halbzeitbilanz eines prominenten Fahrschülers

Fünf Rennen hat Ralf Schumacher schon bestritten - Inzwischen stellt sich eine gewisse Routine ein und der Neuling fühlt sich aus vielen Gründen wohl

(Motorsport-Total.com) - So schnell vergeht die Zeit: Eben noch stand Ralf Schumacher vor seinem Debüt in der DTM, jetzt gilt es für den prominenten "Fahrschüler" bereits, eine erste Halbzeitbilanz zu ziehen. Fünf Rennen sind absolviert, die Saisonmitte ist erreicht. Der Mercedes-Pilot konnte sich von Rennen zu Rennen etwas steigern. Am Norisring wäre sogar sein erstes einstelliges Ergebnis drin gewesen, wenn er nicht fünf Runden vor Schluss im wahrsten Sinne des Wortes "ausgebremst" worden und mit defekter Bremse in der Grundig-Kehre gestrandet wäre.

Titel-Bild zur News: Ralf Schumacher

Ralf Schumacher genießt sein neues Leben als DTM-Pilot

Vor der Saison hatte sich Schumacher entschieden, seine ersten Schritte in der DTM im Gebrauchtwagen zu machen: "Ich habe nach dem ersten Test Norbert Haug angerufen und ihm gesagt: 'Das geht ganz gut, aber ich bin noch weit, weit weg, da muss ich noch viel lernen und bevor ich irgendeinem hier die Chance wegnehme - oder auch Mercedes ein Auto weniger hat, das um die Meisterschaft fährt, lassen wir das sein'." Heute würde er "genau dieselbe Entscheidung treffen", betonte Schumacher, "aus dem einfachen Grund, weil man hier nicht herkommt und Bäume ausreißt."#w1#

Mittendrin im Lernjahr

Auch jetzt sei es noch nicht an der Zeit "Bäume auszureißen" - er sei "noch mittendrin" in seinem Lernjahr, erklärte Schumacher an seinem fünften Rennwochenende als DTM-Pilot. Für ihn selbst sei es schwer zu beurteilen, wie viele Fortschritte er schon gemacht habe: "Man natürlich hat man immer das Gefühl, dass alles ganz gut läuft. Aber erst am Ende des Jahres oder wahrscheinlich noch besser nächstes Jahr um diese Zeit wird mir auffallen, was ich jetzt alles falsch gemacht habe."

Nach wie vor sei "alles neu" für ihn, "am Norisring musste man das Auto jetzt aerodynamisch wieder ganz anders abgestimmen, dann kommen noch neue Rennstrecken, die ich noch nie gesehen habe. Also da wird noch einiges auf mich zukommen", so Schumacher.

Aber das mache den Reiz der Aufgabe aus: "Es ist interessant, wenn man versucht, sich zurechtzufinden und zu verbessern. Mir persönlich macht es auch wenig aus." Für ihn sei wichtig, dass er eine vergleichbare Leistung bringe wie die Piloten, die auf gleichem Material unterwegs sind: "Das ist in diesem Fall allen voran die Mercedes-C-Klasse. Damit bin ich bis jetzt sehr zufrieden. Der eine oder andere Start hätte besser sein können, aber auch das gehört zum Lernprozess, weil das in der DTM nun mal sehr kompliziert ist. Von daher bin ich da sehr zufrieden."

Starten und schnell fahren will gelernt sein

Das Startprozedere in der DTM samt Vorspannen sei etwas, woran er besonders arbeiten müsse: "Man ist natürlich vorsichtig, am Anfang spannt man weniger vor, weil man Angst hat einen Frühstart zu machen und so weiter und so fort. Aber der perfekte Start ist auch ein bisschen Glücksache."

Zur Lernphase gehöre auch, herauszufinden, wie man in einem Tourenwagen schnell fährt: "In manchen Kurven muss man aggressiver fahren, als ich es gewohnt war, in anderen wieder runder", so Schumacher. "Sehr interessant ist in der DTM, dass sich die Linie schon auch einmal am Wochenende je nach Gummiabrieb verändert, man muss eigentlich Grip suchen. Und im Nassen muss man wieder mehr fahren wie zur Kartzeit, das hat es in der Formel 1 gar nicht gegeben. Es ist einfach eine andere Herangehensweise, schnell zu fahren."

Die Routine kommt

Irgendwann müsse man auch ein Gefühl dafür entwickeln "dass man jetzt auf seiner schnellen Runde ist", berichtet der Mercedes-Pilot weiter. "Das dauert einfach eine Zeit. man versucht es mal so und mal so. Am Anfang gibt es so viele Versionen und man weiß eigentlich gar nicht so wirklich, was man tut. Aber so langsam kommt ein bisschen Routine rein und man weiß, 'jetzt bin ich auf einer guten Runde, jetzt bin ich auf einer schlechten Runde', aber das ist eben so eine Sache, die muss man einfach lernen."

Im Vergleich zu einem DTM-Auto sei ein Formel-1-Bolide sogar eher einfacher zu fahren: "Denn im Formel-1-Auto ist es egal, ob ich jetzt fünf oder zehn Meter früher oder später bremse. Vor allem wenn ich später bremse, komme ich mit einem Formel-1-Auto noch gut um die Kurve, weil die Masse geringer ist, die Leistung da ist und der Grip ist da. Bei einem DTM-Auto muss ich es ganz genau treffen. Da muss ich vorher wissen, wann lenke ich ein, und ich darf auch nicht zu spät bremsen, denn spätestens am Scheitelpunkt der Kurve merke ich irgendwann, dass ich weniger Grip und viel mehr Gewicht habe. Und dann ist es zu spät. Dann habe ich schon zwei, drei Zehntel verloren."

Vieles kann ein persönlicher Erfolg sein

Trotz aller Fortschritte: In der DTM wird es noch ein bisschen dauern, bis Schumacher um Spitzenpositionen oder gar Siege mitkämpfen kann. Geht ihm nicht irgendwann die Geduld aus, wenn er weiter höchstens nur im Mittelfeld fährt? "Also - ich hatte elf Jahre Geduld um zu beantworten, warum es nicht geklappt hat. Da kommt es auf ein paar Jahre mehr oder weniger nicht an", antwortete er lachend.

Erfolg in der DTM sei für ihn nicht nur daran messbar, welches Ergebnis man im Gesamtklassement hat, so Schumacher: "Hier in der DTM hat man - egal ob man im Gebraucht- oder im Neuwagen sitzt - die Chance, sich mit vier oder fünf Autos zu vergleichen. An diesen fünf Autos kann man sich selbst messen, weil sie auch vom Set-Up her eigentlich alle identisch sind. Als Fahrer hat man hier die Chance zu sagen: 'Okay, ich kann aufgrund meines - wenn man es hat - fahrerischen Talents den Unterschied ausmachen'."

Diese kleinen Erfolgserlebnisse seien in der Formel 1 nicht gegeben, erklärte Schumacher weiter: "Da muss man in einem roten, silbernen oder neuerdings ab und zu auch einem weißen Auto sitzen." Ist das nicht der Fall, könne man auch mit viel Talent nicht viel erreichen: "Das ist auf Dauer frustrierend und für mich einer der Hauptgründe, warum ich mich für die DTM entschieden habe. Zumal es mir auch viel Spaß gemacht hat."

Ohne zu zögern ins Getümmel

Richtig Spaß macht Schumacher auch das "Kontaktfahren" in der DTM. Während bei den fragilen Formel-1-Boliden bei der kleinen Berührung die Teile fliegen, kann man sich mit einem DTM-Auto richtig ins Getümmel stürzen: "Beim Start und beim Überholen macht es definitiv mehr Spaß. Es ist witzig, das muss man schon sagen. Die Autos sind in gewissen Bereichen schon recht stabil, sie vertragen da schon einiges." Zumal es einfach "cool" aussehe, wenn die Autos dicht an dicht über den Kurs rasen, fügte Schumacher lachend hinzu.

Überwinden müsse er sich nicht dazu, nah an seine Gegner heranzufahren: "Bis jetzt habe ich mich relativ gut zurechtgefunden. Wenn man so viel um sich rum hat, ist es wesentlich einfacher."

Gutes Verhältnis zu den Medien

Auch abseits der Strecke hat Schumacher eine neue sportliche Heimat gefunden, in der er sich richtig wohl fühlt. Auch im Umgang mit den Medien ist er wieder lockerer geworden - und die Medien gehen freundlicher mit ihm um als zu Toyota-Zeiten. Das liege daran, "dass hier von vornherein ein ganz anderer Ansatz", denkt der Mercedes-Pilot.

"Ich glaube, es wurde sehr gut erklärt, warum ich im Gebrauchtwagen fahre. Wir haben uns am Anfang mehr Schwierigkeiten erwartet, aber auch das hat dann zugleich Sympathiewerte und eine gewisse Luft nach außen verschafft", so Schumacher, der auch festgestellt hat, dass in der DTM "eine andere Art von Journalismus zu Hause ist" als in der Formel 1: "Hier hat man doch etwas mehr Fachjournalismus. Sagen wir es so: In der Formel 1 überwiegen doch am Ende die Knallerschlagzeilen. Das ist hier schon ein bisschen anders. Hier ist der Sport im Vordergrund und auch die Art und Weise zu erklären, warum es mal gut geht und warum es mal schlecht geht. Man haut nicht sinnlos drauf. Ich glaube, das hilft auch. Ich habe mich von Anfang an relativ wohl gefühlt."

Schumacher: "Back to the roots"

In der DTM sei ohnehin alles ein bisschen "normaler" als in der Formel 1, so Schumacher: "Back to the roots - in einem positiven Sinne. Hier hat halt jeder die Nase noch auf einem Normallevel, hier geht man normal durchs Fahrerlager, hier unterhält man sich - auch die Fahrer mit den Journalisten - ganz normal und man muss nicht immer gleich Angst haben, dass es am nächsten Tag in der Zeitung steht. Man hat auch einen ganz anderen Umgang mit dem Team und mit den Fans - einfach ein Umgang, wie man ihn sich manchmal auch in der Formel 1 vorstellen könnte." Alles in allem sei das Leben in der DTM "einfach ein bisschen leichter."

Die Halbzeitbilanz ist gezogen, jetzt geht der Blick nach vorn - auch in das Jahr 2009. Noch ist nicht entschieden, ob Rookie Schumacher ein zweites oder noch mehr Jahre in der DTM dranhängt: "Wir werden noch so fünf, sechs Wochen ins Land gehen lassen und dann schauen wir mal, was dabei herauskommt. Es ist ganz klar: Die Zusammenarbeit macht uns sehr viel Spaß, von beiden Seiten. Aber sie muss auch Sinn machen. Man muss schauen, wie ich weiterhin so zurechtkomme. Wichtig ist, dass beide Seiten etwas davon haben, dass Mercedes oder ich mich nicht blamiere, ganz einfach. Es soll ja Spaß machen. Dafür tun wir das ja."