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Frischluftzufuhr: Coulthards offene Postkutsche
David Coulthard ist überrascht, wie schnell sein Auto ohne Fahrertür ist, das Problem war nur der Dreck in seinen Augen - Das Wichtigste: Wieder viel gelernt
(Motorsport-Total.com) - So manch Kollege, der heute in seinem Cockpit geschwitzt hat, mag David Coulthard vielleicht sogar ein bisschen beneidet haben. Denn der Schotte hatte fast das ganze Rennen über viel Frischluft in seinem Cockpit. Nachdem ihm Markus Winkelhock in die Seite seiner C-Klasse gekracht war, hatte er die Fahrertür verloren und fuhr fortan mit einer "offenen Postkutsche".

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Offene Postkutsche: David Coulthard mit neuer Aerodynamikvariante
"Ich fühle mich einfach ein bisschen wohler, wenn ich frische Luft im Cockpit habe", witzelt Coulthard. Der Nachteil an der Sache: "Ich glaube, ich habe den ganzen Dreck vom Norisring in meinem Auge." Tatsächlich sind seine grünen Augen rot unterlaufen, denn er hatte das Visier seines Helms nicht geschlossen. "Stimmt, das wäre vernünftig gewesen, aber ich bin nicht vernünftig. Ich habe es nicht runtergeklappt. Das hätte ich tun sollen. Die Sache ist die: Es kamen nicht gerade viele Dinge angeflogen, die mein Gesicht getroffen haben, aber es schien dann plötzlich den ganzen Staub reinzusaugen."#w1#
Das Geschehen nahm in Runde 15 in der Grundigkehre seinen Lauf, als Coulthard Winkelhock überholen konnte. "Der Audi ist auf der Gerade sehr schnell, also musste ich ein bisschen reintauchen, um Markus in Kurve eins zu überholen. Das hat gut funktioniert, denn er war fair. Deshalb bin ich nicht über die Kurve hinausgeschossen."
Audi-Pilot Martin Tomczyk schlüpfte gleich mit an Winkelhock vorbei und machte Druck auf Coulthard. Im Schöller-S konnte sich der Schotte noch behaupten, doch in der Dutzendteichkehre kam Tomczyk vorbei. Von hinten kam Winkelhock und krachte Coulthard in die Fahrertür. "Da die Audis auf der Gerade schneller waren, konnte Martin sich in eine gute Position bringen und war mit seinem Hinterrad neben mir", schildert der Schotte den Verlauf aus seiner Sicht.
"Ich blieb so dicht dran, wie ich konnte. Aber es gibt ein Limit, sonst fährst du kein Rennen mehr, sondern boxst. Und damit fühle ich mich - noch - nicht wohl. Ich denke nicht, dass ich etwas falsch gemacht habe. Ich habe Martin Platz gelassen, um mich zu überholen, weil er auf der Innenlinie war", berichtet Coulthard weiter. "Ich habe im Scheitelpunkt eine Fahrzeugbreite Platz gelassen, als ich dann plötzlich einen heftigen Schlag in meine Tür bekam. Ich hätte auch den Notausgang nehmen können, aber ich dachte nicht, dass das notwendig war."
Coulthards Team ließ über den Boxenfunk einen nicht jugendfreien Fluch auf Winkelhock los und wies den Schotten an, weiterzufahren. Er selbst drückt das natürlich etwas vornehmer aus: "Das Team sagte einfach: 'Bleib konzentriert'. Und dann ist die Tür auf Reisen gegangen, sorry an Susie..." Coulthards Tür löste sich langsam aus dem Rahmen und flog schließlich weg, vor das Auto von Susie Stoddart, die darüber fuhr und sich dabei den Unterboden beschädigte.
Der Schotte fuhr also über 60 Runden ohne Fahrertür - und machte interessante Erkenntnisse. "Was etwas seltsam war, war dass ich die ganze Zeit eine Warnung über die Getriebetemperatur bekommen habe", berichtet er. "Ich habe das dem Team gemeldet und es sagte: 'Ach das ist normal, wenn du deine Tür verlierst...'. Aus irgendeinem Grund ändert sich dann was. Also: Verliere deine Tür nicht!"
Obwohl seine C-Klasse so deutlich ramponiert war, konnte Coulthard aber weiter gute Rundenzeiten fahren und büßte nur wenig an Speed ein. "Ja, ich war überrascht davon", bestätigt er. "Ich hatte das Gefühl, dass ich die Balance verloren habe. Ich hatte plötzlich viel Übersteuern. Ich denke, dass die Aerodynamik etwas durcheinander war. Vor allem in der Schikane bin ich weit nach außen gekommen und das hat meine Linie beeinträchtigt. Aber es hat sich nicht auf das Bremsen ausgewirkt."
Das Wichtigste ist für ihn jedoch, dass er trotz des Schadens bis ins Ziel fahren konnte. "Als er mich getroffen hat, dachte ich 'Shit, ich werde wieder ein Rennen nicht zu Ende fahren'. Denn was ich brauche, sind Runden, Runden und nochmals Runden. Und es war gut, dieses Rennen zu beenden. Denn es war heiß, man hat geschwitzt, man fühlt, dass man etwas getan hat. Das war toll", sagt er und räumt lachend ein: "Okay, für die anderen war das Rennen noch heißer."
Racen und überholen
Alles in allem zieht Coulthard ein positives Fazit aus dem Norisring-Rennen. Zum Beispiel auch, weil er angefangen hat, mit dem DTM-Auto richtig zu racen. Das Überholmanöver gegen Winkelhock habe Spaß gemacht: "Es war nicht einfach, denn er war auf der Gerade sehr schnell. Ich musste die Stellen ausnutzen, wo mein Auto schnell war, richtig bremsen... das ist nicht sehr einfach, weil die Autos recht ähnlich sind. Man pusht und pusht und pusht zehn Runden lang, um endlich in der richtigen Position zu sein, um es zu versuchen."

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Die Tür löst sich langsam aus der Verankerung, gleich geht sie fliegen Zoom
Als Winkelhock die Grundigkehre anbremste, war Coulthard immer noch voll auf dem Gas und tauchte innen hinein. "Du weißt, dass du entweder innen rein gehst oder sein Heck rammst. Wenn das funktioniert, ist es ein tolles Gefühl. Okay, wenn er eingelenkt hätte, hätten wir crashen können, aber es hat funktioniert", freut er sich.
Auch der Start lief diesmal besser als bisher, denn er verlor keine Plätze. "Meine ersten drei Starts waren alle ziemlich schrecklich und dieser war Durchschnitt. Das ist ein Fortschritt...", analysiert er schmunzelnd. "Aber er war trotzdem noch recht schockierend. Das Problem ist: Mit einem hellgelben Auto kannst du dich auf der Strecke schwer verstecken..." Sprich: Alle können genau beobachten, wie gut oder schlecht er von der Linie wegkommt.
Coulthards Fazit: Es war ein gutes Wochenende. "Ich denke, dass von meinen bisher vier Rennwochenenden jedes ein bisschen besser gelaufen ist", bilanziert der prominente Mercedes-Neuling. "Okay, an diesem Wochenende nicht, was den Startplatz angeht. Aber ich denke, dass ich generell dazu lerne, mich immer wohler fühle."
Und manchmal sind es auch einfach nur Kleinigkeiten, die er lernt und sich für die Zukunft merkt. Der Schotte nennt ein Beispiel: "Wenn man im Warmup zum Boxenstopp reinkommt, muss man daran denken, den Scheibenwischer auszumachen, weil sie diese Platte ans Fenster lehnen. Wenn dein Scheibenwischer an ist, trifft er sie natürlich. Okay, ich kam also zu meinem Stopp und sah meinen Scheibenwischer 'bang, bang, bang'. Und ich dachte: 'Ah, okay, man muss den Scheibenwischer ausmachen!'" Auch das sind Dinge, an die sich der frühere Formel-1-Pilot erst einmal gewöhnen muss.
Voller Bewunderung ist er übrigens für seinen Kollegen Jamie Green. Dass er es geschafft hat, zum dritten Mal in Folge in Nürnberg zu gewinnen, findet der Schotte "unglaublich". "Er scheint auf dieser Strecke so stark zu sein. Jedes Jahr knallt er hier einfach so den Sieg hin. Er ist eine Art 'ruhiger Mann der DTM', er macht einfach seinen Job und liefert seine Leistung ab", schließt er anerkennend.

