• 20.11.2023 08:43

  • von Stefan Leichsenring

VW ID.7 im Test: Unaufgeregte Reiselimousine mit viel Reichweite

Im Großen und ganzen gut, aber immer noch die alten Wackeltasten und einige Software-Patzer

(Motorsport-Total.com/Motor1) - Das ist sie also, die neue Elektro-Limousine von Volkswagen. Gesehen haben wir den VW ID.7 schon auf vielen Bildern und sogar selbst fahren konnte ich sie schon, wenn auch nur kurz. Nun habe ich das Auto ausführlich getestet und Neues zur Technik erfahren.

Titel-Bild zur News:

VW ID.7 (2024): Das Exterieur Zoom

VW stuft den ID.7 in die obere Mittelklasse ein, also auf dem Niveau von BMW 5er/i5 und Mercedes E-Klasse/EQE. Da gehört das Ding von der Länge her auch hin. Mit fast fünf Metern ist das Ding ein richtiger Brummer. Die Länge stört aber nicht, wenn man nicht gerade parken will. In engen Kurven hilft der kleine Wendekreis von nur 10,9 Metern. Zum Vergleich: Der VW Passat liegt bei 11,7 Metern. Auf engen Straßen hätte ich aber das 2,14 Meter breite Riesenbaby gern gegen einen Fiat 500 Elektro getauscht.

Antrieb: Zumindest auf dem Papier sparsam

Für den Antrieb des bisher allein bestellbaren ID.7 Pro sorgt der bereits ausführlich vorgestellte APP550, wobei APP für AchsParalleler Permanentmagnetmotor steht (weil der Motor knapp hinter der Achse liegt statt koaxial wie der Vorderradantrieb der Allradler von Magna) und 550 für das ungefähre Drehmoment.

Damit wirkt der ID.7 zunächst ziemlich unspektakulär. Die Leistung des 210-kW-Motors im Heck drängt sich nicht auf, man fährt den ID.7 nicht automatisch schnell wie manch anderes Modell. Wenn man die Leistung aber braucht, bringt sie einen in 6,5 Sekunden auf 100 km/h. Die Beschleunigung fühlt sich dann ähnlich flott an wie beim tags zuvor getesteten Model 3. Aber anders als im "Standard"-Beschleunigungsmodus des Tesla überrascht der ID.7 nicht mit einem unangenehmen Ruck am Anfang.

Die Verbrauchswerte nach WLTP liegen je nach Ausstattung zwischen 14,1 und 16,3 kWh/100 km. Das ist deutlich weniger, als der nur 125 kW starke ID.4 Pure braucht (16,3-18,0 kWh). Das verdankt der ID.7 seiner besseren Aerodynamik, aber auch dem effizienteren Motor. In der Praxis brauchte ich allerdings (mit 20-Zöllern sowie Geschwindigkeiten zwischen 80 und 130 km/h) um die 19 kWh, also deutlich mehr als nach Norm. Und deutlich mehr als die 14 kWh, die das Tesla Model 3 bei vergleichbarem Tempo benötigte.


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Nach WLTP-Norm soll der ID.7 Pro 621 km mit einer Ladung schaffen. Danach wird mit 175 kW aufgeladen, wobei in 28 Minuten der Ladestand von 10 auf 80 Prozent gehoben werden soll. Nächstes Jahr soll eine Version mit 86-kWh-Batterie starten, die 700 km schafft.

Dazu erfuhren wir, dass anders als nach dem Covered Drive im April von uns vermutet, kein 14. Modul für den großen Akku geplant ist. Für die weitere Zukunft ist aber ein "Batterie-Stack" geplant - dabei sind die Module deutlich größer und weniger zahlreich, was die Energiedichte auf Paketebene erhöht. Damit geht VW in Richtung "Cell-to-Pack", so der Batterieexperte.

Rekuperation: Immer noch kein One-Pedal-Driving

Wie bei allen bisherigen ID-Modellen lässt sich die Rekuperation beim ID.7 nur zweistufig einstellen. Dazu wählt man am Getriebehebel (der nun als Lenkstockhebel ausgeführt ist) entweder D oder B. Auch in der Stufe B rekuperiert die Limousine nicht annähernd so stark wie der Tesla. Auch kommt der VW nicht allein durch Gas-Wegnehmen zum Stand; der ID.7 hat einen Kriechgang.

Also kein One-Pedal Driving wie beim Tesla Model 3 oder auch beim Polestar 2. Bei letzterem kann man die Rekuperation sogar dreistufig einstellen und zudem den Kriechgang aktivieren oder deaktivieren. Bremst man den ID.7 bis auf 0 km/h, wird das Auto immerhin festgebremst (wenn die Autohold-Funktion aktiviert ist).

Gute Ladeplanung und interessante Lade-Funktionen

Neu in Sachen Ladeplanung ist der e-Routen-Planer. Ich gab München als Ziel ein und schnell empfahl das System drei Ladestopps, nannte die maximale Ladeleistung der Säulen, die Zahl der Säulen und gab an, ob zumindest eine der Säulen verfügbar ist. Wie viele Säulen genau verfügbar sind, zeigt derzeit aber nur die We-Charge-App an, erzählte mir der Ladeexperte vor Ort.

Neu auch: Die Batterie wird automatisch vorkonditioniert, wenn man einen Schnelllader als Navi-Ziel eingibt. Dazu hat der ID.7 einen 5-kW-Heizer an Bord (während Tesla bekanntlich die Motoren als Wärmequelle nutzt, was sich in einem Summen äußert). Alternativ kann man die Vorkonditionierung auch manuell starten.

Cockpit des VW ID.7

Cockpit des VW ID.7 Zoom

Hier gibt es auch eine interessante Funktion, die ich noch bei keinem anderen Elektroauto gefunden habe: Es wird angezeigt, welche Schnellladeleistung beim aktuellen Ladestand (SoC) und bei der aktuellen Batterietemperatur möglich wäre. Und welche Ladeleistung nach einer Vorkonditionierung zur Verfügung stünde. Das ist was für Nerds wie mich ...

Noch detaillierter wird es mit der Funktion Ladeorte: Man kann damit festlegen, dass beim Laden an der heimischen Wallbox das Auto immer um 8 Uhr morgens auf 80% geladen und vorklimatisiert ist, während beim Laden an der Wallbox in der Arbeit das Auto immer für einen Start um 17 Uhr fertig gemacht wird - beides natürlich nur wochentags.

Bedienung: Schwächen, aber nicht so schlimm wie bei Tesla

In Sachen Bedienung ist der VW ID.7 wesentlich angenehmer als der Tesla: Geblinkt wird wie üblich per Lenkstockhebel, und die Außenspiegel lassen sich wie gewohnt mit einem Hebelchen an der Türinnenseite einstellen. Allerdings befinden sich immer noch die alten und so oft schon kritisierten Wackeltasten am Lenkrad. Das Einstellen des Tempomats wird damit zur Fummelei: Denn mit etwas mehr Druck wird das Tempo um 10 km/h erhöht statt um 1 km/h, und das Auto macht einen Satz vorwärts.

Der 15-Zoll-Touchscreen hat nun unten illuminierte Tasten für die Klimaeinstellungen. Aber er zeigt nicht so schöne Google-Earth-Bilder an wie der Polestar 2 oder der Tesla. Deutlich schlimmer: Das Navi stieg - wie schon bei unserer ersten Testfahrt im April - einmal aus. Ich musste aussteigen, wieder einsteigen und die Navigation neu starten. Auch die Sprachassistentin Ida enttäuschte wieder. Sie erledigte zwar einfache Aufgaben wie das Anschalten der Lenkradheizung, plapperte aber immer wieder ungefragt dazwischen.

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Fazit

Der VW ID.7 fährt sich unaufgeregt, verleitet keineswegs zum sportlichen Fahren. Das passt zu einer fast fünf Meter langen Reiselimousine. Genauso wie die große Reichweite von 621 km. Mit der nächstes Jahr startenden 86-kWh-Batterie sollen es sogar 700 km sein.

Das Aufladen ist zwar nicht so schnell wie bei den 800-Volt-Autos von Hyundai, Kia oder Genesis, aber mit 28 min Ladezeit (10-80%) braucht sich der Wagen wahrlich nicht zu verstecken. Die Ladeleistung von offiziell 175 kW ist deutlich höher als bei den ersten ID-Modellen. VW-Markenchef Thomas Schäfer nannte bei dem Event sogar 200 kW als maximale Ladeleistung.

VW ID.7

VW ID.7 Zoom

Fahrwerk und Lenkung bieten keinen Anlass zu Kritik. Die Beinfreiheit hinten ist überragend, die Kopffreiheit ausreichend und der Kofferraum deutlich größer als bei kleineren Modellen à la Tesla Model 3 oder Hyundai Ioniq 6.

Für seine Größe und die hohe Reichweite ist der VW ID.7 mit einem Basispreis von rund 57.000 Euro erstaunlich günstig. Für große Modelle wie den BMW i5 oder den Mercedes EQE wird deutlich mehr verlangt. Das dürfte Flottenkunden ansprechen. Wenn sie nicht auf den nächstes Jahr startenden Kombi warten. Wer lieber ein kleineres Auto fährt, sollte sich aber auch Konkurrenten wie den Polestar 2, das Model 3 oder den Hyundai Ioniq 6 ansehen.

VW ID.7 Pro

Motor: Permanentmagnet-Synchronmotor 210 kW hinten
Max. Drehmoment: 545 Nm
Beschleunigung 0-100 km/h: 6,5 Sek.
Höchstgeschwindigkeit: 180 km/h

Verbrauch: 14,1-16,3 kWh/100 km
Batterie: 77 kWh netto
Elektrische Reichweite: 621 km (WLTP)
Ladeanschluss: CCS2 für bis zu 11 kW AC, bis 175 KW DC
Aufladezeit: 28 min mit DC (10-80%)

Länge: 4.961 mm
Breite: 1.862 mm
Höhe: 1.536 mm
Kofferraumvolumen: 532-1.586 Liter

Basispreis: 56.995 Euro
Marktstart: Ende 2023

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