• 29.10.2009 16:02

Spähtrupps in Tokio

Unter die Besucher mit professionellem Interesse an den Exponaten einer Automesse mischen sich seit jeher auch Kundschafter mit speziellem Auftrag

(Motorsport-Total.com/Auto-Reporter) - Seit Jahren das gleiche Bild: Bewaffnet mit Kamera und Maßband ziehen kleine Spähtrupps von Markenstand zu Markenstand, um Fotos von allen möglichen Details ausgewählter Exponate zu schießen und präzis ermittelte Abmessungen millimetergenau in vorbereiteten Tabellen festzuhalten. Der Aufgabe widmet man sich immer wieder mit wahrer Hingabe.#w1#

Titel-Bild zur News: lol

Anfangs waren auf internationalen Autosalons vor allem öfter Kundschafter im Auftrag japanischer und später koreanischer Marken unterwegs. Mittlerweile scheint sich eine Wachablösung zu vollziehen: Chinesen kommen, spähen, filmen, messen und notieren.

Auf der Tokyo Motor Show - sie läuft noch bis 4. November - trafen wir auch auf zwei Damen aus Deutschland, die kundschaftend unterwegs waren. Für eine Software-Firma, die Münchner menta software technology GmbH, erklärte Gesprächspartnerin Julia Scholz.

Das kleine Team fotografiere die Fahrzeuge "fürs Benchmarketing im Automobilbereich". Für Neuheiten auf dem Markt interessiere sich die Autobranche nun mal immer stark.

Die menta GmbH ist Hersteller für innovative Software-Produkte auch im Automotive-Bereich. Geworben wird beispielsweise mit einer "webbasierten Lösung für die Wettbewerbsanalyse von Fahrzeugdaten". Und es gibt eine Bilddatenbank, die "zeitnah über die neuesten Entwicklungen im Automobilbereich informiert".

Offenbar wird die Arbeitsaufgabe der Späher ausgesprochen effektiv angegangen. Das vier- oder fünfköpfige Team beschäftige sich lediglich etwa zehn Minuten mit einem Auto. Jeder habe in dieser Zeit einen speziellen Detailbereich zu fotografieren. Einzelergebnis: ungefähr 100 Aufnahmen.

Vor allem seien eben Details wichtig, durchaus auch Fugen, die Exaktheit von Nähten, die Übergänge beim Einsatz verschiedener Materialien oder auch die Art der Gestaltung von Bedienknöpfen.

Und was passiert mit den gewonnenen Erkenntnissen? - "Wir haben eine Software, mit der wir Ermitteltes einspielen. Alles kommt dann auf eine Datenbank. Das ist Ziel unserer Arbeit."

Anhand der gespeicherten Daten könnten die Kunden der GmbH die Messeexponate mit ihren eigenen Produkten vergleichen, aber auch die Texte in den Pressemappen auslesen. Nach Eingabe eines Stichwortes würden sämtliche Dokumente gezielt durchsucht.

Das Team ist überall in der Welt unterwegs, "auf den größten Automessen - in Frankfurt, Tokio, Detroit, Genf, Paris". Und welche Qualifikation muss man für solch einen Job haben? - Julia Scholz sagt: "Gern Fotos machen und auch ein gutes Auge für Fotos haben." Verinnerlicht müsse man natürlich haben, was auf jeden Fall immer wieder vor allem zu fotografieren sei.

"Wie lange machen Sie das ?" - "Seit sechs Jahren." Schon seit zehn Jahren ist die Kollegin dabei, eine Spanierin. "Aussteller sind vermutlich nicht begeistert von Ihrer Arbeit, oder?" - Das bessere sich von Jahr zu Jahr.

Am Anfang sei man der Truppe mit großer Skepsis begegnet und hätte am liebsten niemand in die Autos gelassen. Inzwischen gebe es kaum noch Probleme.

Anteil daran hat vielleicht auch die Taktik des kleinen Spähtrupps, die - wie sich beobachten lässt - offenbar generell darin besteht, fast überfallartig Besitz von einem Auto zu ergreifen.

Blitzschnell wird das Objekt der Begierde von verschiedenen Positionen aus in Beschlag genommen. Das funktioniere ganz gut. Es sei ja eben nicht so, dass man von einem bestimmten Automobilhersteller engagiert werde und auf dessen Unterstützung bauen könne.

Ein bisschen steigerte die Schilderung engagierter Teamarbeit dann auch unsere Neugier. "Was bringt solches Spähen ein?" - "Dazu machen wir keine Angaben". Immerhin: Für ein Foto standen die beiden freundlichen Damen dann aber doch zur Verfügung.