• 12.10.2012 15:24

  • von Tim Westermann

Rallye Peking Shanghai - Teil 2

Im zweiten Teil der Reportage geht es mit Hans-Joachim Stuck und dem Mille Miglia Käfer über Prachtstraßen und Millionenmetropolen im Norden Chinas

(Motorsport-Total.com/Auto-Medienportal) - Südwärts führt die dritte Etappe der "China Rallye of International Cars" (Ersten Teil hier lesen!). Jinan war der Ausgangspunkt für die 360-Kilometer lange Strecke bis in die Ursprungsregion des Taoismus Xuzhou. Die Hinterhöfe wirken etwas aufgeräumter, als in den Orten der ersten Streckenabschnitte weiter nördlich. Aber wie in der Region rund um Peking hat auch hier jede größere Stadt ihre breite und ewig lange Prachtstraße. Ähnlich wie die Champs Elysée in Paris verlaufen diese Alleen zwischen den Hochhäusern der riesigen Innenstädte.

Titel-Bild zur News: Rallye Peking Shanghai

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Übrigens: es sind nahezu alles Millionenmetropolen. Nur sind Städte mit mehr als einer Millionen Einwohnern im Reich der Mitte nichts Besonderes. Es gibt mehr als 150 davon, die meisten sind in Europa völlig unbekannt.

Tradition scheint im Allgemeinen mehr im Norden Chinas zu Hause zu sein, doch auch am Wegesrand zeigt sich die Verbundenheit der Chinesen mit ihrer traditionsreichen Vergangenheit: So beispielsweise der Tempel des Konfuzius. Dieser Weise Mann, seine Sprüche finden sich teilweise auch als Lebenslehre im Rest der Welt wieder, residierte und meditierte in der Gegend von Kong Fu.

Das Land ist flach. Hügel oder Anstiege sucht man vergebens. Vielleicht gibt es hier gerade deshalb jede Menge Elektrofahrräder. Das Problem: Man hört sie nicht und muss unheimlich aufpassen, nicht angefahren zu werden.


Fotos: Rallye Peking Shanghai Teil 2


Nach seiner Reparatur läuft der Mille Miglia Käfer wieder einwandfrei. Probleme gibt es nicht. Lediglich die von Smog und Feinstaub belastete Luft setzt Windschutzscheibe und Lack etwas zu. Die Staubschicht wächst stetig. Doch dieses Phänomen ist in China tagesabhängig. Einen Tag später könnte schon wieder reine Luft herrschen. Dann wird die Sicht rund 100 Meter vor dem Auto nicht dunstig.

Spaß macht es in China zu tanken. Der Sprit kostet gut die Hälfte, verglichen mit Deutschland. Darum arbeiten viele Chinesen wohl auch als Taxifahrer, um Geld zu verdienen. Oft sind es Volkswagen Santana oder Jetta die als Taxi durch die Städte rollen - oder über die unzähligen, staubigen Pisten abseits der großen Hauptstraßen. Und a apropos Hauptstraßen: Die Navigation führt die Rallye-Besatzungen oft kilometerlang geradeaus, ohne Richtungswechsel.

Doch verpasst man nur einen Abzweig, hat das in den meisten Fällen einen sehr langen Umweg zur Folge. Das Ziel hat der Mille Miglia Käfer mit der Startnummer 17 am heutigen Tag dennoch sicher erreicht.
Und wieder hat sich das Image des Wolfsburgers bei den chinesischen Medienvertretern bestätigt. Denn auf Twitter und in chinesischen Zeitungen ist bereits zu lesen, dass der grüne Volkswagen-Renner das Auto ist, dass so schnell fährt, dass es keiner einholen kann.

Das liegt zum einen sicherlich daran, dass der Mille Miglia Käfer wohl so etwas wie ein Vorfahre des legendären "Herbie" ist. Doch mit Hans-Joachim Stuck pilotiert ein ehemaliger Formel-1-Fahrer diesen Renner von Volkswagen Classic.

Klare Luft in Xuzhou am Morgen den vierten Tages der China Rallye of International Classic Cars. Der Smog ist über Nacht verschwunden. Die klare Luft tut auch dem 75 PS starken Mille Miglia Käfer von Volkswagen Classic gut. Wie ein Uhrwerk läuft der luftgekühlte Motor im Heck. Zuverlässig, störungsfrei und rund. Andere Fahrzeuge haben bereits Probleme nach den ersten Etappen. An Tag vier setzen nur noch 19 von ursprünglich 35 Oldies das Rennen fort.

Xuzhou ist eine Bergbaustadt. Die Technische Bergbau-Universität liegt am Wegesrand. Das Ziel ist Hefei. Zunächst ist die Qualität der langen und breiten Highways und Landstraßen bestechend. Sauberer glatter Asphalt. Doch die Route führt an diesem Tag in die tiefe chinesische Provinz. Schotterpisten, riesige Schlaglöcher und gigantische Längs- und Querrillen bestimmen den Weg. Haufenweise Lkw, Menschen, Radfahrer, Tiere tummeln sich auf den immer schmaler werdenden Straßen.

Es stimmt also: In den ländlichen Regionen Chinas gibt es noch sehr viel Entwicklungspotenzial. Heruntergekommene Autos und Lastwagen, häufig auch als eigene improvisierte Konstruktionen bestimmen das Bild. Schon auf den ersten Blick gibt es also wesentliche Ansatzpunkte für Hersteller wie Volkswagen, die Bevölkerung mit sicheren Autos mobil zu machen. Die "West-Strategie", unter anderem wird ein neues Werk in Urumqi im äußersten Westen Chinas gebaut, scheint im Sinne Chinas nicht nur sinnvoll, sondern absolut notwendig zu sein.

Vorteil dabei: Als alt eingesessene Marke hat Volkswagen schon eine Historie im Reich der Mitte. Und Tradition kommt auch bei den Chinesen an. Die Folgen des Engagements in den ländlichen Regionen sind Arbeitsplätze und damit Steigerung der Lebensqualität. Dazu kommt ein ganz wesentlicher Aspekt: Senkung von Abgasemissionen. Im Vergleich zu Deutschland sind die CO² und Feinstaubbelastungen in China gigantisch.

Europäische Automobilhersteller tun eine Menge dafür, dieses massive Problem in den Griff zu bekommen, das die Chinesen zwar erkannt haben, aber vor dem Hintergrund des steigenden Mobilitätsbedarfs nicht selbst konkret bekämpfen können. Schadstoffarme Technologien, wie BlueMotion und TSI-Motoren zielen genau in diese Richtung. Das wird hier klar bewusst.

Umweltorganisationen wie Greenpeace sollten sich vielleicht etwas mehr mit der Emissionsproblematik im ländlichen China auseinandersetzen, bevor sie auf die Hersteller in Europa einschlagen. Das was die Automobilindustrie, zu der unter anderem auch Volkswagen gehört, für die umweltverträgliche Mobilität leistet und leisten wird - national und international - sollte vielleicht einmal etwas genauer unter die Lupe genommen werden.

Währenddessen wird die zweite Hälfte der vierten Etappe zur Tortur für den Käfer. Stoßdämpfer, Reifen, Fahrwerk und der Motor werden Extrembelastungen ausgesetzt. So auch auf der letzten Zeitprüfung über 30 Kilometer. Eine Stunde für diese Strecke scheint auf den ersten Blick recht viel. Wie sich jedoch herausstellen sollte, waren diese 60 Minuten doch recht knapp bemessen. Schritttempo war die Voraussetzung auf den Betonpisten, die noch aus Maos Zeiten zu sein scheinen.

"Da musst Du die gesamte Straße analysieren und die komplette Breite ausnutzen, um den besten Weg durch dieses Labyrinth von karosserie- und fahrwerkfeindlichem Untergrund zu finden", resümierte Hans-Joachim Stuck. Er sitzt am Lenkrad des Mille Miglia Käfers von 1956. Als Rennlegende und bekennender "Käfer-Liebhaber" weiß er wovon er spricht.

Das der klassische Volkswagen im Ziel wieder einen funktionsfähigen Tacho und Kilometerzähler hatte - und damit für die fünfte Etappe voll Einsatzfähig ist - war heute den Improvisateuren zu verdanken. Die Mechaniker Michael Winkler und Klaus Ulrich durchforsteten sämtliche Kleinwerkstätten am Wegesrand nach Ersatzteilen, um die abgescherte Tachowelle des Käfers instand zu setzen.

Geholfen hat am Ende ein weggeschmissenes am Bordstein liegendes Teil, das kurzerhand so umfunktioniert wurde, dass sowohl Tacho, als auch Kilometerzähler wieder laufen. Etappe Nummer fünf führt morgen nach Nanjing, die alte Hauptstadt und Hochburg der chinesischen Herrscher.