• 07.07.2018 12:02

  • von Stefan Wagner

Neuer Kia Ceed 2018 im Test: Hat er die Golf-Formel geknackt?

Der neue Ceed will nicht mehr "Follower", sondern "First Mover" sein. Und der kompakte Allrounder macht wirklich sehr viel richtig. Rüttelt Korea am Golf-Thron?

(Motorsport-Total.com/Auto-News.de) - Was Sie hier sehen, ist Koreas neuester Versuch, sich an den VW Golf heranzupirschen, um ihn irgendwann hinterrücks ... na ja, Sie wissen schon. Kia meint es wirklich sehr ernst mit seinem neuen Ceed. Nicht nur, dass man das verwirrende Apostroph aus dem Namen gestrichen hat, damit Journalisten nicht mehr bei jedem 'C'e'e'd'-Artikel wutentbrannt die Tastatur auf ihrem Schreibtisch/ihrem Kollegen kaputt hauen.

Titel-Bild zur News: Kia Ceed 2018

Kia Ceed 2018 Zoom

Nein, man behauptet auch ganz forsch, dass man keinen Bock mehr hat, "Follower" zu sein, sondern sich stattdessen als "First Mover" sieht, als Taktgeber. Entsprechend ambitioniert hat man die Entwicklung der dritten Ceed-Generation angepackt. Der neue ist nicht nur geräumiger, connecteter und autonomer denn je, er soll auch endlich so fahren, dass nicht jede Kurve wie ein lästiges Übel erscheint.

Die Basics, bitte ...

Ganz grundsätzlich teilt sich der neue Ceed den Unterbau mit dem Hyundai i30. Die Abstimmungen aber, so sagte man mir, unterscheiden sich durchaus. Länge und Radstand bleiben auf dem Niveau des Vorgängers, Ceed Nummer drei ist aber etwas breiter und flacher als bisher. Auch die nach hinten geschobene A-Säule ist dem Willen nach mehr Dynamik zuzuschreiben. Was beim vorderen Überhang zu viel war, wandert nach hinten. Darüber freut sich der Kofferraum, der mit nun 395 Liter (plus 15 Liter) nach dem Peugeot-308-Abteil der zweitgrößte im Segment ist.

Bei Bein- und Schulterfreiheit im Fond reklamieren die aufmüpfigen Koreaner sogar den Spitzenplatz für sich. Ein kurzer Check bestätigt: Hinten sitzt man tatsächlich recht gediegen. Und das auch, wenn der Herrgott mit der Verteilung von Größe etwas spendabler war. Was das Design des Ceed betrifft, erwähnt der Hersteller ständig das Vorbild Stinger. Ich suchte lange, fand aber eher wenig. Kias großes Viertürer-Sportcoupé ist ja wirklich ein Augenschmaus.

Einen parkenden Ceed hingegen würde ich eher nicht gleich enthusiastisch bei Instagram posten. Aber natürlich ist auch das Geschmackssache. Ah, und wo wir gerade dabei sind: Die wahre Schönheit des Ceed liegt ohnehin noch im Verborgenen. Sie wird sich aber bald zeigen. Dazu gleich mehr.

Na gut. Wie fährt er?

Der erste Eindruck ist positiv. Zumindest, wenn man das macht, was man mit einem Ceed in der Regel so macht. Sprich: Nicht unbedingt bei jeder Gelegenheit im Grenzbereich herumquietschen. Kia betont, wie viel man an Fahrwerk und Lenkung gearbeitet hat, um nicht mehr nur fahrdynamische Hausmannskost zu bieten, sondern dem Piloten auch mal ein Lächeln auf die Lippen zu zaubern. Und im Alltag funktioniert das neue Set-up wirklich gut.

Der neue Ceed wirkt leichtfüßig, crisp, ein bisschen straff, aber nicht so, dass es nervt. Ein Extra-Lob verdient die neue Lenkung. Sie arbeitet mit etwas mehr Schwere, gibt ein gutes, natürliches, sogar leicht sportliches Gefühl. Das Auto wirkt an der Vorderachse deutlich agiler als bisher, bleibt hinten neutral und sicher. Der Ceed untersteuert weniger als erwartet, ist aber natürlich kein Hot Hatch (das kommt womöglich noch). Wenn man ihn wirklich pusht - Kia schickte mich tatsächlich auf eine Kartbahn -, kommt er natürlich an seine Grenzen, wirkt dann etwas weich und neigt sich stärker.

Aber wer will denn mit einem normalen Ceed wirklich Kurven räubern? Eben. Ansonsten fährt dieses Auto sehr sauber, sehr geschliffen und adrett. Ein bisschen Tiefe im Fahrgefühl fehlt trotzdem noch. Ein Golf oder ein BMW 1er machen hier einen noch gediegeneren Eindruck. Nichtsdestotrotz hat Kia hier einen sehr fähigen Kompakten auf die Räder gestellt.

Gilt das auch für die Motoren?

Im Großen und Ganzen: Ja. Der Einliter-Dreizylinder mit seinen 120 PS und 172 Newtonmeter dürfte für die Fahrt zum Supermarkt locker ausreichen, wirkt aber schon recht zäh, wenn man ihn mal etwas mehr fordert. An Steigungen zum Beispiel oder beim Überholen. Sein Sechsgang-Schaltgetriebe macht einen guten Eindruck. Mit relativ kurzen Wegen und sehr sauber geführt. Als Topseller sehen die Koreaner den neuen 1,4-Liter-Turbobenziner mit 140 PS und 242 Newtonmeter.

Wenn Sie keine 30.000 oder mehr Kilometer pro Jahr auf Ihren Ceed schrubben, dann ist dieser Motor wohl auch die beste Wahl. Vor allem in Verbindung mit dem nicht wirklich sportlichen, aber sehr umsichtig und unhektisch arbeitenden Siebengang-Doppelkupplungsgetriebe. Beim Anfahren kann es mal ein bisschen hakeln, dann aber schaltet es sauber, flott und mit Hirn. Der 1,4er geht recht unauffällig und sehr leise zu Werke. Überhaupt ist der Ceed ein sehr leises Auto geworden. Der Vierzylinder-Turbo reißt nicht die ganz großen Bäume aus (0-100 km/h in etwa neun Sekunden), sorgt aber für absolut ausreichenden Vortrieb.

Schön auch: Im Sport-Modus gehen er und das Getriebe deutlich motivierter zu Werke, machen den Ceed deutlich spontaner und flotter. Das übliche Vierzylinder-Dröhnen spart er sich zum Glück auch unter Last. Er klingt eher heiser und nie unangenehm.

Und der Diesel?

Es muss DIE Diesel heißen. Neben einem 100-PS-1,4-Liter-Saugbenziner, den vermutlich niemand kaufen wird, bietet Kia beim neuen Ceed tatsächlich zwei Selbstzünder an. Der neue 1,6-Liter-CRDi mit SCR-System (erfüllt wie alle anderen Motoren Euro 6d-Temp) kommt mit 115 und 136 PS. Der Kleinere - das gibt man sogar selbst zu - wird wohl nur ein Fall für extreme CO2-Knauserer sein.

Der Größere machte im ersten Test einen sehr harmonischen Eindruck. Sollten Sie sich auch hier für die Siebengang-Doppelkupplung entscheiden, kriegen Sie 320 Newtonmeter. Beim Schaltgetriebe sind es 280. Warum auch immer. Aber Sie wissen jetzt, was Sie zu tun haben. Der Antritt ist schön stämmig und sehr gleichmäßig. Den üblichen Diesel-Drehmoment-Überfall gibt es hier nicht. Außerdem spart er sich auch weitgehend das typische Genagle, bleibt selbst unter Last recht ruhig und sonor. Ich fuhr ihn auf einer schnelleren Autobahnetappe mit etwa 6,5 Liter. Eine Fünf vor dem Komma sollte im Normalbetrieb aber locker möglich sein.

Wenn es noch weniger sein soll, lohnt es sich womöglich, noch ein bisschen zu warten. In Kürze bringt Kia den Einssechser-Diesel nämlich auch mit einem Mildhybrid-System, das hauptsächlich in Richtung Verbrauch und CO2-Ausstoß arbeiten wird.

Und das Interieur? Fühlt man sich Wohl im Ceed?

Tut man. Ich würde sogar so weit gehen und behaupten, dass der Ceed nach den üblichen teutonischen Premium-Angeboten das qualitativ beste Cockpit im Segment hat. Die Verarbeitung wirkt auf den Punkt und mit etwas Klavierlack, "Chrom" und einem "Lederarmaturenbrett" zieht sogar etwas Noblesse in die Bude ein. Die Bedienung ist übersichtlich, das Sieben- oder Achtzoll-Infotainment ist logisch und schnell und was die Ausstattung betrifft, kann der Ceed (zumindest optional) Dinge, die man sonst nur deutlich weiter oben in der Nahrungskette findet.

Eine Sitzbelüftung zum Beispiel, Sitzheizung auf allen Plätzen, Wireless-Charging fürs Smartphone oder in Kürze auch ein digitales Instrumentendisplay. Gegen Aufpreis beherrscht er nun auch autonomes Fahren auf Level 2. Der Abstandstempomat und der aktive Spurhalteassistent machten beim Test einen soliden Eindruck.

Also ein gelungenes Gesamtpaket ...

Das kann man so stehen lassen. Kia hat seine Hausaufgaben gewissenhaft erledigt und einen Kompaktwagen mit sehr viel Allroundtalent gebaut. Das Schöne am Ceed ist, das hier absolut nichts nervt. Keine kleinen Mängel oder ein "Was haben sie sich dabei nur wieder gedacht?". Es gibt keine besonderen Ausreißer nach oben, aber eben auch keine richtigen Schwächen. Damit hängt er dem VW Golf stärker denn je im Nacken, kann den Kompakt-King aber in Sachen Haptik und Fahr-Schliff noch nicht ganz einholen.

Dafür ist er in aller Regel deutlich günstiger. Auch weil die Kosten für Extras sich Kia-typisch in Grenzen halten. Die Preise für den neuen Kia Ceed starten bei 15.990 Euro für den 100-PS-Saugbenziner in der Basisausstattung. Der empfehlenswerte 1,4-Liter-Turbo mit Doppelkupplung startet bei 23.690 Euro. Zum Vergleich: Der VW Golf 1.5 TSI (150 PS) mit DSG kostet mindestens 26.700 Euro. Marktstart für den Ceed ist am 30. Juni 2018.

Aber kommt da nicht noch mehr?

Stimmt, ich hatte ja noch etwas von "verborgener Schönheit" gefaselt. Für den im September 2018 startenden Ceed Kombi gilt das nur bedingt. Dafür wird er mit 4,60 Meter Länge und 625 Liter Kofferraum (Klassenbestwert) ein echter Packesel. Viel toller aber: Kia hat nun offiziell den Ceed Shooting Brake bestätigt. Sie wissen schon, die Hammer-Studie von der IAA 2017, bei der keiner mehr den Mund zu brachte, weil sie so irre gut aussah. Das Ding kommt im vierten Quartal 2018 und soll besagter Studie zumindest nicht unähnlich sein. Hoffen wir, dass Kia das beste draus macht. Fürs Ceed-Image ist das Kombi-Coupé sicher Gold wert.

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