• 14.07.2019 12:44

  • von Roland Hildebrandt

Mitfahrt im Porsche Taycan (2019): Co-Pilot beim Goodwood Festival of Speed

Wird der Porsche Taycan dem sportlichen Ruf der Marke gerecht? Wir durften zum ersten Mal in dem Elektro-Sportler mitfahren. Das sind unsere Eindrücke.

(Motorsport-Total.com/Motor1) - Vermutlich gibt es jetzt um die 500 Bilder und Videos von mir: Die Besucher des Goodwood Festival of Speed 2019 stehen mit ihren Smartphones Spalier für ein ganz besonderes Auto: Ich sitze als Beifahrer in einem der finalen Prototypen des Porsche Taycan und habe gerade den berühmten "Hill Climb" ("Berg" ist hier relativ ...) hinter mich gebracht.

Innerhalb von drei Wochen absolviert der Taycan drei Auftritte auf drei Kontinenten: Erst Schanghai, nun Goodwood, dann New York. Und wir bekamen die Gelegenheit, schon einmal kurz in den Elektro-Sportwagen hineinzuschnuppern, den Porsche im September auf der IAA in Frankfurt final enthüllen wird.

Die Kernfrage ist natürlich: Kann Porsche auch Elektro? Klar können Sie das, schließlich ist es prinzipiell nicht SO schwer, ein E-Auto zu bauen, unzählige Start-Ups beweisen es. Aber der Taycan muss das spezielle Porsche-Mojo bieten, welches ihn einzigartig macht. Quasi Swatch versus Präzisionsuhrwerk.

Und so ist seit der Premiere der Studie Mission E auf der IAA 2015 einiges an Gehirnschmalz in den Taycan geflossen. Doch zunächst werfe ich einen Blick auf ihn: Trotz Tarnung bedarf es nicht mehr viel Fantasie, um sich die endgültige Form vorzustellen.

Flache LED-Scheinwerfer vorne, vier Türen mit rahmenlosen Seitenscheiben, 21-Zoll-Felgen und ein Heck mit gewissen Parallelen zum aktuellen Porsche 911. Insgesamt macht der Taycan einen kraftvollen, aber dennoch schlanken Eindruck.

Ich schnuppere in den Fond hinein. Kopf einziehen lautet die Devise, die sanft abfallende Linienführung des Dachs und die hinteren Seitenfenster erinnern mich spontan wieder an den 911. Die Überraschung: Trotz 1,88 Meter Körpergröße und Mütze auf dem Kopf sitze ich hinten zwar tief, aber sehr kommod.

Das Glasdach lässt noch etwas Luft über dem Scheitel, Beine und Füße bekommen ausreichend Platz. Ein Grund dafür ist die sogenannte "Fußgarage", eine Aussparung in der Batterie, wie mir die anwesenden Entwickler erklären.

Und was ist mit dem Cockpit? Noch streng geheim, es darf nicht fotografiert werden. Lediglich soviel lässt man durchblicken: Es gibt Displays und Touchscreens, die in einem neuen Bedienkonzept vereint sind. Lassen Sie sich überraschen ...

Zu den Details der Taycan-Technik wird sich Porsche bereits in Bälde ausführlich äußern. Bis dahin laufen die groben Eckpunkte unter dem Motto "Schnell fahren, schnell laden" zusammen. Markentypische Entwicklungsziele des über 600 PS starken Allradlers waren Rennstrecken-Performance, mehrfache Beschleunigungen sowie eine alltagstaugliche Reichweite.

Die 800-Volt-Architektur des Fahrzeugs ermöglicht kurze Ladezeiten, zirka 20 Minuten für 80 Prozent. Apropos Laden: Vor den vorderen Türen befinden sich über den Lufteinlässen kleine Finnen. Streicht man unter ihnen lang, gleitet eine Abdeckung elegant in die Karosserie und gibt den Stromanschluss frei.

Übrigens auf beiden Seiten, um nicht wild ein Kabel um oder über das Auto führen zu müssen. Es ist also egal, ob sich die Wallbox in ihrer Garage links oder rechts befindet. Im Hinterkopf dürfte Porsche dabei sicherlich auch das Thema Links- und Rechtsverkehr gehabt haben.

Die unter der Fahrgastzelle montierte Lithium-Ionen-Batterie wird über eine Kapazität von zirka 90 kWh verfügen. Sowohl vorne wie auch hinten verfügt der Porsche Taycan über einen Kofferraum. Was die Kundschaft aber wohl noch lieber hört: über 600 PS Leistung und über 250 km/h Spitze.

Auch das ist an sich keine große Kunst, doch die Porsche-Ingenieure haben zwei Dinge im Blick: Reproduzierbare Längsdynamik plus gute Querdynamik. In unter 3,5 Sekunden auf Tempo 100 und das bei Bedarf immer wieder, dazu bitte keine Kurvenlage wie ein Mercedes Sprinter.

Soweit die Theorie, ab in die Praxis auf den Beifahrersitz. Vor mir: Das komplett abgedeckte Cockpit. (Nur gucken, nicht knipsen!!!) Auf mir: Ein Integralhelm. Neben mir: Ein sichtlich vorfreudiger Fahrer von Porsche. Aus der geschlossenen Taycan-Box rollen wir hinaus zum Start und erregen soviel Aufmerksamkeit wie Boris Johnson in Flamingo-Shorts und Hawaiihemd.

Porsche Taycan Mitfahrt

Porsche Taycan Mitfahrt Zoom

Endlich am Start. Mein Fahrer stellt die Systeme auf "Sport Plus", schließlich sind wir hier in Goodwood und nicht beim Kaffeekränzchen. Meine Hand sucht schon mal sicherheitshalber den Haltegriff in der Tür. Eine weise Entscheidung. Vom Fleck weg geht der Taycan schlicht unfassbar ab und drückt mich in den Sitz. Heiliger Strohsack! (Eigentlich war meine Reaktion auf Englisch und noch etwas deftiger formuliert.)

Spontan muss ich an Warp-Geschwindigkeit bei "Star Trek" denken, während der Kollege am Lenkrad den Wagen in die Kurve wirft, ohne (gefühlt) stark abzubremsen. Straßenlage: Sehr gut! Neun Kurven und 1,86 Kilometer später düsen wir mit nicht unsympathischer Klangfarbe (mein Eindruck: ein Hauch von Turbine) durchs Ziel.

Bildergalerie (27 Bilder): Porsche Taycan Mitfahrt auf Motor1.com Deutschland

Mein Fahrer freut sich diebisch und kommt aus dem Lachen nicht mehr heraus, ich hingegen nicht mehr aus dem Staunen. Porsche hat seine Arbeit verdammt gut gemacht. Klar, das selbst hinter dem Lenkrad gefällte finale Urteil steht noch aus. Ende 2019 kommt der Taycan auf den Markt.

Bis dahin würde ich folgendes Fazit ziehen: In gewisser Weise ist der Porsche Taycan ein viertüriger 911, aber doch grundlegend anders. Gleiche Eltern, unterschiedliche Brüder - fahrdynamisch ähnlich, beim Antrieb komplett gegensätzlich. Wie sagte einmal der Komponist Gustav Mahler treffend: "Tradition ist nicht die Anbetung der Asche, sondern die Weitergabe des Feuers."

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