• 27.11.2023 10:18

  • von Roland Hildebrandt, Co-Autor: Fabian Hust

Kia EV6 (2023) im Erfahrungsbericht: Das sagt ein BMW-3er-Fahrer

Wir haben dem Besitzer eines aktuellen BMW 330i den Kia EV6 77,4 kWh AWD überlassen: Konnte ihn der Elektro-Umstieg überzeugen?

(Motorsport-Total.com/Motor1) - Am Umstieg auf die Elektromobilität führt langfristig kein Weg vorbei. Das sagen wir nicht als Fundamentalisten oder Grünen-Anhänger. Sondern schlicht aufgrund derzeit stattfindender Transformationsprozesse in Politik und Industrie. Natürlich sind noch einige technische Hürden zu nehmen, aber auch die Köpfe der Verbraucher.

Titel-Bild zur News: Kia EV6

Kia EV6 (2023) im Erfahrungsbericht Zoom

Die noch recht hohen Preise schrecken sicherlich ab. Aber auch schlichte Furcht aus Unwissen, wie wir oft in unserem Umfeld wahrnehmen. Der Renault 5 schafft ab Frühjahr 2024 gut 400 Kilometer elektrische Reichweite. VIERHUNDERT? kam erstaunt zurück. Offenbar haben viele noch 150 Kilometer im Kopf, ewiges Laden inklusive.

Wir haben nun zunächst unbeabsichtigt ein Wechsel-Experiment gemacht. Unser Vorgesetzter musste dienstlich zum Hockenheimring und fragte nach, ob wir einen Testwagen hätten. Also ein wenig herumtelefoniert und Kia versprach uns einen EV6. Genauer gesagt: die Version mit 77,4-kWh-Akku und Allrad. Passenderweise fast exakt so lang wie die BMW 330i Limousine (G20), die der Mann sonst bewegt.

Wie ist der Umstieg denn gelaufen? Erzähl mal, Fabian:

Früher habe ich über die Formel 1 berichtet, bin Honda Civic Type R gefahren und war gern gesehener Gast an Tankstellen. Heute schreibe ich zwar nicht mehr über die Formel 1, fahre privat aber immer noch Verbrenner. Ein bisschen mehr darf es schon sein, nur ist mit den Jahren die Vernunft gewachsen.

Vom 330i zum EV6

Nur ab und zu darf mein BMW 330i (Baujahr 2019) auch mal bis ans Drehzahllimit gehen, in der Regel habe ich mehr Spaß am Fahren, wenn ich neue persönliche Verbrauchsrekorde aufstelle. Dabei hilft auch das bescheidene "Rekuperieren" in die Starterbatterie, nach dem Motto: Kleinvieh macht auch Mist. Zugegeben, das geht nur auf Kosten des Fahrvergnügens. Meine Vermutung ist, dass man mit Elektroautos beides unter einen Hut bringen kann. Das gilt es aber, noch in der Praxis zu bestätigen.

Gespannt halte ich den Schlüssel für das 2024er-Modell des KIA EV6 GT-line mit 325 PS, Allradantrieb, ausgestattet mit dem Assist+-, Design- und Sound-Paket (Listenpreis 67.370 Euro), in der Hand, das uns Kia für einen Test zur Verfügung gestellt hat. Viele Fragen gehen mir durch den Kopf, auf die es hoffentlich bald (erfreuliche) Antworten gibt.

Die Bedienungsanleitung, die ich zumindest abschnittsweise Wort für Wort studiert habe (ich bin wirklich noch nie selbst ein Elektroauto gefahren!), hinterlässt in Bezug auf die verschiedenen Fahrmodi jedenfalls noch einige Fragezeichen. Zwar weiß ich jetzt (hoffentlich), wie ich die gefühlt unendlichen Varianten aktivieren kann, aber was sie genau bewirken und wie sie sich verhalten - das muss ich wohl noch selbst herausfinden.


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Ungewohnte Ruhe

Auf geht's zur ersten 25-minütigen Fahrt vom Büro nach Hause, teilweise durch den Stadtverkehr. Ist er schon an? Da kein Motorgeräusch zu hören und keine Vibrationen zu spüren sind, muss ich mich ganz auf meine Augen verlassen. Tatsächlich wird es mir in den nächsten Tagen mehrmals passieren, dass ich das Auto aus Versehen ausschalte in der Annahme, dass es noch nicht eingeschaltet ist, oder beim Aussteigen durch ein Piepen daran erinnert werde, dass es noch betriebsbereit ist.

Aber wie schön ist es bitte, wenn das Auto im Stand schweigt wie ein schlafendes Lamm und ohne Rütteln einer Start-Stopp-Automatik aus dem Stand wieder losgleitet? Der Soundgenerator des EV6, den es in vielen und auch frei konfigurierbaren Varianten gibt und der nach allem klingt, nur nicht nach einem Verbrenner, bleibt da gerne aus.

Betrachtet man die erfreulicherweise noch zahlreich vorhandenen Bedienelemente jenseits des Touchscreens, so fällt auf, dass es Schalter für die Heizung, die Innenbeleuchtung bei "offener Tür" sowie eine Option für die Lüftung nur auf der Fahrerseite gibt. Während die beiden letztgenannten Optionen leicht nachvollziehbare Energiesparmaßnahmen darstellen, sucht man einen Schalter zum Abschalten der Heizung bei klassischen Pkw mit Sicherheit vergeblich.

Kampf mit der Klimatisierung

Ich frage mich: Welchen Sinn macht es, die Heizung separat ein- und ausschalten zu können, wenn man doch die Temperatur einstellen und die Klimaanlage separat ein- und ausschalten kann? Wenn es kühler ist, kann ich doch die Temperatur wählen, die mir gerade noch angenehm ist, damit ich möglichst wenig Strom verbrauche? Und ob geheizt wird oder nicht, könnte mir doch das Display anzeigen?

Tatsächlich ist es mir einige Male passiert, dass es mir im Innenraum zu kalt wurde, bis ich merkte, dass die eingestellten 21 Grad Celsius vergebliche Liebesmüh‘ waren, weil die Heizung ausgeschaltet ist. Vielleicht wollen die Ingenieure auch nur die größtmögliche Sparsamkeit in den Innenraum bringen und vermeiden, dass die Nutzer Energie in die Heizung stecken, die sie sich eigentlich hätten sparen könnten.

Cockpit des KIA EV6

Cockpit des KIA EV6 Zoom

Die volle Kontrolle erhält der Fahrer auch beim Umgang mit der Energierückgewinnung. Die Vielfalt an Optionen hat mich zu Beginn überfordert und ich beschloss, es erst einmal mit dem "One-Pedal-Driving" zu probieren. Nach wenigen Kilometern und einer Handvoll Stopps an Ampeln war mir der von Kia auf den Namen "i-Pedal" getaufte Fahrmodus schon fast in Fleisch und Blut übergangen, was mich dann doch verwundert hat. Im Idealfall muss ich die Bremsen gar nicht mehr einzusetzen, sondern nutze die durch die Rekuperation verursachte Verzögerung, um das Auto bis hin zum Stillstand abzubremsen.

Ein Pedal reicht

Je weniger das Gaspedal betätigt wird, desto stärker ist die Bremswirkung durch die Rekuperation. Gewöhnungsbedürftig ist vor allem, dass die Wirkung des Gaspedals von der aktuellen Geschwindigkeit abhängt. Stehe ich still und trete das Gaspedal leicht, fährt das Auto logischerweise an.

Mit der gleichen Gaspedalstellung bei Tempo 50 würde das Auto stark verzögern. Das führt dazu, dass sich das Fahren im Vergleich zu konventionellen Autos träge anfühlt, weil es auch bei getretenem Gaspedal zu einer Verzögerung kommen kann und das klassische Rollen beim Loslassen des Gaspedals fehlt. Wer diese mentale Blockade nicht lösen kann oder will, für den hat Kia eine Lösung. Dazu später mehr.

Nach der anschließenden längeren Fahrt habe ich mich so an das komfortable Fahren mit nur einem Pedal gewöhnt, dass ich es nicht mehr missen möchte. Gehe ich komplett vom Gas, verzögert der EV6 durch die Rekuperation so beeindruckend stark, dass es für meinen Geschmack für normales Abbremsen vor Kurven oder auch vor Ampeln zu stark ist. Durch mehr oder weniger schnelles Loslassen des Gaspedals lässt sich das aber sehr gut dosieren, sodass sich nach einigen Minuten Übung ein sehr flüssiger, angenehmer und effizienter Fahrstil einstellt.

Sanft und effizient

Und so musste ich die (mechanischen) Bremsen während meines zweiwöchigen Tests tatsächlich nur dreimal bei unerwarteten Bremsmanövern einsetzen. Im i-Pedal-Modus mit aktiviertem "Auto Hold" kommt das Auto übrigens ganz ohne Verwendung des Bremspedals zum Stillstand - auf dem letzten Meter so angenehm sanft, wie es selbst ein geübter Chauffeur wohl nicht hinbekommt.

Wenn der EV6 berechnet, dass die Rekuperationsverzögerung nicht ausreicht, um das Auto vor dem vorausfahrenden Fahrzeug zum Stehen zu bringen, ermahnt eine optische und akustische Auffahrwarnung, das Bremspedal zu betätigen. Diese Berechnung gelang dem EV6 im Test nicht immer zuverlässig, sodass der intuitiv und angenehm zu bedienende i-Pedal-Modus eine gewisse Disziplin erfordert, um nicht zu vergessen, dass es im Auto auch noch ein zweites Pedal gibt.

Kia EV6

Kia EV6 Zoom

Ein großer Vorteil des i-Pedal-Systems ist, dass ich schnell das Gefühl dafür hatte, wie stark der EV6 in verschiedenen Situationen verzögern kann, ohne an den mechanischen Bremsen Energie in Form von Reibungswärme zu verlieren.

So konnte ich schon nach kurzer Zeit sicher sein, mit der bestmöglichen Effizienz unterwegs zu sein, was sich beim Verbrauchswert der ersten Fahrt mit 13,9 Kilowattstunden pro 100 Kilometer (kWh/100km) direkt positiv bemerkbar machte. Im Durchschnitt war ich am Ende meines Tests im Stadtverkehr laut Bordcomputer mit 15,1 kWh/100km unterwegs (Werksangabe 13,0).

Eins mit dem Auto

Als Fahrer fühlte ich mich schon bald so eins mit dem Auto, dass ich fast vergessen hätte, auch die anderen Rekuperationsmöglichkeiten auszuprobieren. Wer will, kann das Auto dynamisch entscheiden lassen, wann es rekuperiert und wann es - wie man es von modernen Verbrennungsmotoren kennt - "segelt".

Die Stärke der Rekuperation lässt sich zusätzlich einstellen. In der schwächsten Stufe fühlt sich der EV6 fast wie ein Verbrenner an. Bis zum Stillstand bremst das Auto dann nicht mehr - es sei denn, man zieht die linke Wippe hinter dem Lenkrad, was die maximale Rekuperation jederzeit bis zum Stillstand nutzbar macht. Oder man betätigt ganz klassisch das Bremspedal.

Der Vorteil einer Konfiguration ohne i-Pedal, mit der niedrigsten Rekuperationsstufe, ist zweifellos, dass sich der EV6 deutlich leichtfüßiger anfühlt, da er fast verzögerungsfrei (aus)rollt und man meist so bremst, wie man es von einem Verbrenner kennt: mit dem Bremspedal. Das macht den Umstieg für alle Skeptiker und Gewohnheitstiere deutlich einfacher.

Ein neuer Fan des i-Pedal

Wenn man erst einmal durch Fahren mit dem i-Pedal oder alternativ durch Ziehen an der linken Lenkradwippe gelernt hat, wie stark die Rekuperation verzögert, kann man genauso sparsam fahren wie mit dem i-Pedal. Denn bremsen heißt beim Elektroauto nicht zwangsläufig, dass die mechanische Bremse zum Einsatz kommt.

Ein Tritt auf das Bremspedal führt nur dann zum Einsatz der Scheibenbremsen, wenn der Fahrer eine Verzögerung wünscht, die über die maximal mögliche Rekuperationsverzögerung hinausgeht. Tatsächlich konnte ich nur dann einen Verbrauchsanstieg zwischen den verschiedenen Fahrmodi feststellen, wenn ich beim Bremsen bewusst über diesen Kipppunkt hinausgegangen bin.

Ladeanschluss des Kia EV6

Ladeanschluss des Kia EV6 Zoom

Am Ende meines Tests mit dem EV6 steht für mich fest: Ich bin ein großer Fan des i-Pedal. Der EV6 verhält sich damit angenehm berechenbar und ich brauche zum Fahren in der Regel nur das Gaspedal und fahre immer mit dem guten Gewissen, das ich optimal rekuperiere. Schade, dass der i-Pedal-Modus bei jedem Auto-Start durch doppeltes Ziehen an der linken Lenkradwippe neu aktiviert werden muss.

Ab auf die Langstrecke

In den anderen Modi zeigt sich das Auto "launischer", weil die Rekuperation durch die vom Bordcomputer gesteuerte Anpassung an die Umgebung mal stärker und mal schwächer ausfällt, das vorausfahrende Fahrzeug mal besser und mal schlechter erkannt wird, das Auto auch mal "segelt" und ich zum Abbremsen bis zum Stillstand das Bremspedal oder die linke Schaltwippe benötige. Letztere erweist sich in Kurven als unpraktisch und lässt die Dosierbarkeit des Bremspedals vermissen. Wer einen konstanten, vorhersehbaren und runden Fahrstil wünscht, ist mit dem i-Pedal besser bedient.

Meine erste längere Fahrt führt mich am nächsten Tag zum rund 370 Kilometer entfernten Hockenheimring, den größten Teil über die Autobahn. Auch wenn ich mir vorgenommen habe, mich bei einer Höchstgeschwindigkeit von etwa 130 km/h einzupendeln, ist mir von vornherein klar: ich werde die Strecke nur mit Ladestopp schaffen. Dass die 506 Kilometer maximale Reichweite (670 km im Stadtverkehr) laut Kia-Prospekt wie bei allen Autos im Alltag kaum machbar ist, weiß ich auch als Elektroauto-Neuling.

Tatsächlich pendelt sich der Verbrauch nach einigen Kilometern auf der Autobahn bei rund 20 kWh/100 km ein. Am Ende der Fahrt sind es laut Bordcomputer 19,3. Nach Adam Riese komme ich also mit der 77,4 kWh-Akku 401 km weit. Gestartet bin ich allerdings mit 80 Prozent Akkuladung, sodass sich die rechnerische Reichweite auf 320 km reduziert. Und auf den letzten Tropfen, beziehungsweise das letzte Prozent Akkustand, will ich es natürlich auch nicht ankommen lassen.

Eine Frage der Reichweite

Bei der Zieleingabe in das Navigationssystem schlägt mir dieses wenig überraschend vor, unterwegs einen Ladestopp einzuplanen. Die Planung überlasse ich - wie auch bei meinen weiteren Fahrten - dem Navigationssystem. Insgesamt viermal führt es mich zuverlässig und aus meiner Sicht sinnvoll zum Ladestopp, im Durchschnitt bei noch 19 Prozent Ladezustand.

Wie viel die Akkus geladen werden sollen, kann ich im Auto einstellen. Ich lasse die Einstellung bei 100 Prozent. Aber ich mache, was allgemein empfohlen wird: bei etwa 80 Prozent den Ladevorgang vorzeitig zu beenden.

Lithium-Akkus werden am liebsten in einem Bereich von ca. 20-80 Prozent Ladezustand betrieben. Sie danken es mit einer längeren Lebensdauer und einer schnelleren Ladezeit. Das bedeutet aber, dass nur 60 Prozent der Kapazität genutzt werden und die Reichweite gegenüber der Werksangabe von 506 auf knapp 304 km sinkt. Das ist bekanntlich nur ein theoretischer Wert. Ich habe bei den Testfahrten im Schnitt von 19 auf 83 Prozent geladen und bin damit im Schnitt 256 km weit gekommen - ein Drittel dessen, was ich mit meinem 330i auf vergleichbaren Strecken schaffe.

Schnell an der Säule

Dank der maximalen Ladeleistung von 240 kWh sind die Besuche an den High Power Charging (HPC)-Ladesäulen zum Glück keine Geduldsprobe. Einmal erwischte ich unfreiwillig ein 150-kWh-Modell, das sich in die Reihe der 300-kWh-Modelle gemogelt hatte. Bei den anderen drei Ladestopps war die Ladeleistung mit 300 kWh ausreichend.

Im Durchschnitt habe ich in 22:40 Minuten 64 Prozent geladen, was ca. 140 kWh entspricht. Bei den drei Stopps an den starken HPC-Säulen blieben die Maximalwerte mit 195-199 kWh unter dem 240 kWh-Limit. Bei einem Ladezustand von über 80 Prozent brach die Ladeleistung erwartungsgemäß stark auf knapp über 50 kWh ein.

Ladevorgang beim Kia EV6

Ladevorgang beim Kia EV6 Zoom

Während man sich beim Verbrenner "nur" mit der Abweichung der Verbrauchswerte zwischen Werksangabe und Realität beschäftigt, kommen beim Elektroauto neben der sinnvoll nutzbaren Akkukapazität und der Ladezeit noch drei weitere Faktoren hinzu, die berücksichtigt werden müssen: der Kapazitätsverlust über die Nutzungsdauer, den ich natürlich nicht testen konnte, der Energiebedarf für die Vorkonditionierung und die Ladeverluste.

Eine Frage der Physik

Bei drei meiner vier Ladestopps begann das Auto etwa eine Stunde vor dem eigentlichen Stopp damit, sich auf das schnelle und schonende Laden vorzubereiten, also vorzuwärmen. Das treibt den Verbrauch in die Höhe. Vielleicht war es Einbildung, aber ich hatte das Gefühl, dass der Ladezustand tatsächlich deutlich schneller sank, während das entsprechende Symbol im Display aufleuchtete.

Und dann gibt es noch den Teil der Physik, der in der Verbrauchsmessung des Bordcomputers nicht berücksichtigt wird. Am Ende meiner 1.170 km mit dem EV6 zeigte der Bordcomputer einen Verbrauch von 18,8 kW/h an (9,4 Prozent über der Werksangabe für das Modell mit 19-Zoll-Rädern).

Ein Blick auf die Abrechnungen der Ladesäulen zeigt jedoch, dass ich tatsächlich 20,4 kW/h verbraucht habe. Das liegt daran, dass auf dem Weg von der Ladesäule zum Auto Energie in Form von Wärme verloren geht, was sich durch die deutlich hörbaren Lüftergeräusche in den Ladesäulen bemerkbar macht. In meinem Fall waren das bei ausschließlichem HPC-Laden mit Gleichstrom immerhin 8,2 Prozent. Bei langsamerem Laden, insbesondere mit Wechselstrom, würde der Verlust geringer ausfallen.

Kein Aufwand dank Karte

Das Laden an sich ist keine große Sache, abgesehen von den massiven und störrischen Kabeln und den klobigen Ladesteckern: Chipkarte an die Ladesäule halten, Stecker auswählen, einstecken, warten, Chipkarte wieder an die Ladesäule halten, Vorgang beenden, Stecker abziehen - fertig. Der ungefähre Ladezustand kann von außen an vier Leuchtelementen direkt neben dem Ladestecker am EV6 abgelesen werden.

An allen Ladestationen, zu denen mich das Navi schickte, gab es freie und funktionierende HPC-Ladestecker. Aber wie sollte es anders sein, gleich beim ersten Ladevorgang hatte ich das berühmte Anfängerpech. Mit der Fehlermeldung "Kommunikationsfehler" brach der Vorgang dreimal hintereinander ab, bevor er überhaupt begonnen hatte. Mit dem zweiten Stecker an derselben Ladesäule klappte es dann problemlos - wie auch bei allen folgenden Ladevorgängen.

Kofferraum des Kia EV6

Kofferraum des Kia EV6 Zoom

Neben den Rekuperationsmodi gibt es eine weitere Einstellmöglichkeit, die sich auf das Fahrgefühl, das Fahrverhalten und den Verbrauch auswirkt: die Fahrmodi. Standardmäßig ist der Eco-Modus aktiviert. Die Elektromotoren reagieren dann etwas zurückhaltender auf Gaspedalbewegungen, der Allradantrieb wird auf Standby geschaltet und der Motor an der Hinterachse komplett abgekoppelt, bis er bei Bedarf zugeschaltet wird.

Lieber Sport als Eco

Insgesamt wirkt der EV6 beim Beschleunigen und beim Loslassen des Gaspedals im Eco-Modus ziemlich träge, lässt sich aber bei höheren Geschwindigkeiten oder bei stärkerem Druck auf das Gaspedal durchaus angenehm und sportlich fahren.

Das Fahrwerk federt bei niedrigen Geschwindigkeiten manchmal etwas ruppig aus, ansonsten ist die Straßenlage auf Unebenheiten, Bodenwellen und in Kurven für ein Auto dieser Größe und dieses Gewichts (rund 2,1 Tonnen) beeindruckend sportlich - kein Aufschaukeln oder nerviges Untersteuern trübt den Fahrspaß.

Neben der Zwischenlösung "Normal" (und einem Snow-Modus) verspricht das "Sport"-Programm besonders viel Fahrspaß. Hier fühlt sich der EV6 tatsächlich in jeder Situation sehr sportlich an. Das Gaspedal reagiert sensibel und direkt. Aus dem Stand geht es wie in einem Sportwagen in knapp über 5 Sekunden brachial nach vorn auf 100 km/h. Eigentlich wie in einem Jet, denn es gibt ja kein Getriebe, das für kurze Zugkraftunterbrechungen sorgen würde. Ein tolles Fahrgefühl, das ich nach dem Umstieg zurück auf meinen Benziner vermisst habe.

Freude am Fahren

Auswirkungen auf den Verbrauch zwischen Eco und Sport konnte ich übrigens nicht feststellen, zumindest bei meinen Testfahrten lagen die Unterschiede bei vergleichbarem Fahrprofil im Rahmen üblicher und nicht kontrollierbarer Abweichungen.

Das gilt natürlich nicht, wenn man im Sportmodus auf der Autobahn eine Geschwindigkeit von 140-160 km/h anpeilt. Dann schnellt der Verbrauch auf ca. 25 kWh/100 km in die Höhe. Auf einer Referenzstrecke unter vergleichbaren Bedingungen sollte sich jedoch ein positiver Effekt des Eco-Modus durch die Entkopplung des Motors bemerkbar machen.

Gut für den Fahrspaß: Im Eco-Modus (und erst recht im Sport-Modus) werden Überholmanöver und das Einfädeln in den Verkehr an Autobahnauffahrten oder Kreuzungen zum Vergnügen. Der EV6 passt sich gefühlt in Sekundenbruchteilen an die Geschwindigkeit der anderen Verkehrsteilnehmer an - der wohl deutlichste Unterschied zwischen einem Elektroauto und einem Verbrennungsmotor mit seinem drehzahlabhängigen Drehmoment.

Elektrische Gelassenheit

Damit bin ich auch schon beim nächsten Vorteil eines Elektroautos, der mir im Test richtig Freude bereitet hat. Wenn ich mit meinem Benziner im Stadtverkehr aus Spaß etwas mehr Gas gebe, zeigt mir der Verbrauchswert sofort die rote Karte. Dem EV6 ist das völlig egal: Selbst bei Ampelsprints bleibt der Verbrauchswert im Keller, solange ich an der nächsten Ampel nicht so schnell bin, dass ich die Scheibenbremsen bemühen muss.

Noch deutlicher ist der Vorteil auf Kurzstrecken. Im Winter tut mir der Klang kalter Verbrennungsmotoren innerlich weh. Ich vermeide generell kurze Strecken, weil ich weiß, was das für den Motor, die Umwelt und meinen Geldbeutel bedeutet. Dem Elektroauto ist das alles egal. Mein Durchschnittsverbrauch auf der knapp 3 Kilometer langen Strecke vom Hockenheimring zum Hotel (reiner Stadtverkehr) bei 10 Grad Außentemperatur und eingeschalteter Heizung: 13,9 kWh/100km. Sicher keine Motivationshilfe für Bewegungsmuffel.

Frunk des Kia EV6

Frunk des Kia EV6 Zoom

Helfer mit Licht und Schatten

Neben dem überzeugenden Antrieb und Fahrwerk hat mich übrigens auch das Gesamtpaket überzeugt - mit einer Einschränkung: Die elektronischen Helferlein sind manchmal etwas übereifrig (Stichwort: Spurhalteassistent) oder scheinen noch etwas Nachhilfe zu benötigen.

Die "intelligente Einparkhilfe" fand oft offensichtliche Parklücken nicht. Mehrmals kam es vor, dass sie einen "Fund" meldete, um dann zig Meter rückwärts an einer möglichen Parklücke vorbeizufahren. Ich habe diese Versuche jedes Mal abgebrochen, um den Verkehr nicht zu gefährden.

In einem Fall schien sich der EV6 an einem flachen Bordstein einer Einbahnstraße festgefahren zu haben. Unermüdlich manövrierte er nach einer gefühlten Ewigkeit im Rückwärtsgang immer wieder ein paar Zentimeter vor und dann wieder zurück, begleitet von Lenkbewegungen. Auch diesen Versuch brach ich nach einer gefühlten Ewigkeit ab, da ich nicht einmal erahnen konnte, welchen Parkplatz der EV6 anvisiert hatte.

Parken mit Hindernissen

Dafür fand der EV6 meinen Parkplatz in der Garage meiner Wohnanlage, wo mein eigenes Auto bei fast jedem Versuch kläglich scheitert. Die Parkversuche, die funktionierten, erschienen mir unnötig kompliziert und so langsam, dass sie im fließenden Verkehr ohne Hupkommentare vermutlich nicht durchführbar sind.

Der EV6 ließ zudem den Puls in die Höhe schnellen: Einerseits durch recht flottes Rückwärtsfahren und knappes Abbremsen vor Hindernissen, andererseits durch fast schon kurios anmutendes langsames und hindernisfreies Rangieren in Fahrtrichtung. Die "Fernsteuerung" per Autoschlüssel kann in engen Garagen beim geradlinigen Ein- und Ausparken tatsächlich hilfreich sein - wenn man genügend Geduld mitbringt und ziemlich nah am Auto steht.

Positiver, weil sehr harmonisch arbeitend, fielen dagegen der Spurhalte- und der Autobahn-Fahrassistent auf. Bleibt man auf einer Spur, laufen alle Lenk-, Brems- und Beschleunigungsmanöver sehr dezent und ruhig ab - das kann man manuell nicht so gut hinbekommen. Das ändert sich allerdings beim Spurwechsel oder wenn sich das Auto von glänzenden Bitumen-Längsstreifen in die Irre führen lässt.

Nicht immer eine Hilfe

Unangenehm hier ist der kurze Moment, in dem der EV6 offensichtlich nur die Lücke zwischen dem Fahrzeug in der bisherigen und dem in der neuen Spur wahrnimmt. Wenn beide Fahrzeuge mit ähnlicher Geschwindigkeit und deutlich unter der zulässigen Höchstgeschwindigkeit vorausfahren, schießt der EV6 beim Spurwechsel kurz in diese Lücke hinein, um dann einen Sekundenbruchteil später wegen des "neuen" Vordermanns wieder abzubremsen.

Ebenso kommt es vor, dass der EV6 noch wegen des Vordermanns auf der aktuellen Spur bremst, obwohl man durch Blinker und Lenkbewegung bereits signalisiert, dass man auf die freie Spur nebenan wechseln möchte. Will man dieses unnötige Beschleunigen oder Abbremsen vermeiden, hilft nur manuelles Eingreifen oder ein kurzes Pausieren des Systems. Es gibt also noch Raum für Verbesserungen.

Das aktuelle Tempolimit kann vom EV6 zwar erkannt, aber nur halbautomatisch übernommen werden - der Fahrer muss es per Wippschalter am Lenkrad bestätigen. Eine Differenzgeschwindigkeit ist einstellbar, sodass bei Tempo 120 nach Abzug der Messtoleranz tatsächlich mit 120 km/h gefahren wird. Zusätzlich kann die Geschwindigkeitsbegrenzung durch mehrmaliges (1 km/h-Schritte) oder längeres (10 km/h-Schritte) Drücken der Wippe nach oben manuell angepasst werden.

Hände ans Lenkrad!

Die Hände dürfen, wie üblich und vom Gesetzgeber vorgesehen, für einige Sekunden vom Lenkrad genommen werden. Es reicht aber nicht, wie bei anderen Herstellern, eine Hand zwischendurch kurz aufzulegen oder fester zuzudrücken. Erst wenn man das Lenkrad leicht bewegt - hier reicht ein kaum wahrnehmbares Ruckeln - gibt sich der EV6 zufrieden und deaktiviert die Warnung.

Auf der Bedienleiste unter dem großen zentralen Touchdisplay lässt sich zwischen Infotainment-System und Klimaanlage-Steuerung hin- und herwechseln. Pfiffig, um auf kleinem Raum mehr Funktionen über Berührungssensoren unterzubringen, aber etwas gewöhnungsbedürftig.

Im vorderen Bereich der Mittelkonsole befinden sich die Tasten für die optionale Lenkrad- und Sitzheizung sowie die Sitzbelüftung. Beim Bedienen der darüber liegenden zuvor erwähnten Bedienleiste passiert es hin und wieder, dass man beim Abstützen auf der Mittelkonsole mit dem Handballen unbemerkt die Sitzheizung oder eine der anderen Funktionen aktiviert.

Augmented Reality an Bord

Sehr gut funktioniert die Spracheingabe, mit der sich Navigationsziele sowie nur namentlich genannte Sonderziele leicht finden lassen. Die Navigation arbeitet zuverlässig und findet je nach Verkehrslage die schnellste oder sparsamste Route. Dabei wird man auch schon mal kurzfristig über ungewöhnliche Ausweichrouten auf Nebenstrecken und durch Wohngebiete geleitet, was aus Verbrauchssicht beim Elektroauto durchaus Sinn ergibt.

Bei der Navigation hilft das Head-up-Display mit seiner großen und farbigen Projektionsfläche, auch wenn die Darstellung etwas schärfer sein könnte. Die Augmented-Reality-Option, bei der 3D-Pfeile die Fahrtrichtung anzeigen, ist nett anzusehen, führt aber zu mehr Verwirrung als Nutzen, vor allem bei direkt aufeinander folgenden Abbiegemöglichkeiten. Die Standardeinstellung, bei der klare Anweisungen in Form von Ausfahrts- und Straßennamen mit Entfernungsangaben gegeben werden, ist benutzerfreundlicher.

Bei starkem Gegenlicht durch Scheinwerfer oder Sonne ist das Head-up-Display nicht so gut ablesbar wie Systeme anderer Hersteller. Dafür sind die beiden Displays des Kombiinstruments und des Infotainmentsystems sehr gut ablesbar. Die Karte im Navigationsmodus ist vielseitig konfigurierbar, so kann nicht nur die nächste Abbiegespur wie im Head-up-Display detailliert angezeigt werden, sondern auch die nächsten Abbiegehinweise.

Alles bequem im Blick

Im Head-up-Display lässt sich übrigens als Ergänzung zum Tote-Winkel-Warner der Seitenspiegel anzeigen, wenn sich ein Auto von links oder rechts hinten nähert. Ein tolles Feature, das Autobahnfahrten deutlich entspannter macht und auch im Stadtverkehr eine große Hilfe ist.

Ein nettes und hilfreiches Gimmick ist auch das Live-Bild der Kamera des jeweiligen Seitenspiegels, das beim Abbiegen im Instrumentendisplay angezeigt wird. Stichwort Kamera: Die Rückfahrkamera liefert ein brillantes Bild und ist zusammen mit den berechneten Fahrlinien eine echte Hilfe beim Einparken. Etwas enttäuschend ist die Qualität und Berechnung des Bildes der Frontkamera - hier ist die Einschätzung des Abstands zum Hindernis deutlich schwieriger als im Heckbereich.

Zum entspannten Fahren tragen nicht nur das großzügige Raumangebot bei, das im Fond besonders beeindruckt und durch die verstellbare Neigung der Rückenlehnen abgerundet wird, sondern auch die zahlreichen Ablagemöglichkeiten, die bequemen und weichen Sitze mit ausreichendem Seitenhalt sowie das LED-Matrixlicht. Mit der Fernlichtautomatik ist so für gute Sicht gesorgt, da es vorausfahrende oder entgegenkommende Fahrzeuge gekonnt ausblendet.

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Fazit:

Für mich steht nach der Testfahrt mit dem Kia EV6 fest: Die Elektromobilität ist gekommen, um zu bleiben. Und das zu Recht. Die Vorteile liegen auf der Hand und der Fahrspaß kommt nicht zu kurz, im Gegenteil. Dank Schnellladung ist der immer noch vorhandene Kompromiss bei der Reichweite erträglich geworden. Wer sich nicht alle paar Stunden für eine knappe halbe Stunde die Beine vertreten will, muss sich allerdings noch ein paar Jahre gedulden, bis die nächste oder übernächste Batteriegeneration auf den Markt kommt.

Persönlich hoffe ich, dass Elektromotoren in Zukunft nicht mehr mit hunderten Kilogramm schweren Akkus aus vielen unschönen Stoffen aus dem Chemiebaukasten betrieben werden und dass der Anteil an CO2-freiem Strom weiter steigt. Beides scheint nur eine Frage der Zeit zu sein, und das stimmt mich optimistisch, dass wir in einigen Jahren einen ehrlichen Beitrag zum Umweltschutz leisten können.

Angebot fürs Business

Der Kia EV6 wird für Firmenwagenfahrer jetzt übrigens noch interessanter: Ab sofort ist auf dem deutschen Markt ein neues, limitiertes Business-Paket erhältlich, das zum Aufpreis von 1.000 Euro eine Vielzahl an zusätzlichen Luxus- und Hightech-Features bietet. Das Paket wird in Kombination mit dem Langstreckenakku (77,4 kWh) angeboten und ist für den Hecktriebler (168 kW/229 PS) und das Allradmodell (239 kW/325 PS) verfügbar. Das Angebot gilt sowohl für Geschäftskunden als auch für private Käufer.

Wer den Kia-Crossover als Firmenwagen nutzt, profitiert davon, dass bei voll förderfähigen Elektrofahrzeugen mit einem Bruttolistenpreis unter 60.000 Euro das Auto monatlich nur mit 0,25 Prozent des Listenpreises als geldwertem Vorteil versteuert werden muss. Der EV6 mit Business-Paket liegt in sämtlichen Konfigurationen inklusive der verfügbaren Optionen sowie aufpreispflichtiger Außenfarben unterhalb dieser Bemessungsgrenze.

Der heckgetriebene EV6 mit Business-Paket kostet ab 52.990 Euro (Basismodell EV6: 46.990 Euro; Aufpreise: 5.000 Euro für 77,4-kWh-Akku, 1.000 Euro für Business-Paket), der EV6 mit Business-Paket und Allradantrieb ab 56.990 Euro (inkl. 9.000 Euro Aufpreis für 77,4-kWh-Batterie und AWD).

Die Auslieferung der Fahrzeuge startet im ersten Quartal 2024. Für Privatkunden reduzieren sich die Preise um die ab 1. Januar 2024 geltende Innovationsprämie von 4.785 Euro (3.000 Euro staatl. Prämie, Herstelleranteil von 1.500 Euro zzgl. MwSt.). Die 7-Jahre-Herstellergarantie schließt auch die Antriebsbatterie mit ein.

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