• 14.08.2018 09:05

  • von Roland Hildebrandt

Hyundai Kona Elektro 2018 im Test: Er könnte Tesla gefährlich werden

Alle sprechen über Elektroautos von Tesla und der deutschen Hersteller. Doch leise pirscht sich Hyundai heran. Wir haben den neuen Kona Elektro getestet

(Motorsport-Total.com/Motor1) - Wenn sich zwei streiten, freut sich der Dritte: Alle Blicke von Elektroauto-Fans richten sich derzeit auf das Tesla Model 3 und die Aufholjagd der deutschen Hersteller. Fast unter dem Radar hat aber Hyundai ein Strom-Highlight auf die Räder gestellt: den Kona Elektro. Wir sind ihn bereits gefahren.

Derzeit scheint es so, als wollten alle Hersteller mit Blick auf Elektromobilität das Auto neu erfinden: Tesla baut als Cockpit einen Monster-Monitor in das Model 3, Audi bietet für den e-tron Kameras statt Außenspiegel an, das Design des BMW i3 polarisiert schon seit 2013. Hyundai macht da nicht mit. Durchaus clever, schließlich gibt es Kunden, denen all das zu viel ist. Nach dem Motto: Ein Elektroauto ist ja nett, aber ich muss damit nicht hausieren gehen.

Dezente Strom-Optik

Genau hier setzt der Hyundai Kona Elektro an. Beim flüchtigen Blick im Vorbeigehen könnte man ihn für einen normalen Kona halten. Erst die Frontpartie ohne echten Grill und die Gemüsehobel-Felgen verraten die Strom-Variante.

Innen geht es ähnlich weiter: Volldigitale Instrumente und die freischwebende (aber einengende) Mittelkonsole sorgen für eine futuristische Note, ohne den Fahrer zu überfordern. Ob die Tasten für die Fahrstufen oder der Acht-Zoll-Monitor für Navi und Co.: Hier hat man schnell den Bogen raus. Eher überflüssig ist das mit einer Plexiglasscheibe arbeitende Head-up-Display, es steht meist zu tief.

Das bringt mich zur Sitzposition: Sie ist aufgrund der im Unterboden verbauten Batterien auf allen Plätzen im Kona hoch. Generell ist das Raumangebot gut, zumal mit Blick auf die Länge von nur 4,18 Meter. In den Kofferraum gehen 323 Liter Gepäck, das sind knapp 40 Liter weniger als beim konventionellen Kona.

Zwei Akku-Größen zur Auswahl

Strom ist Trumpf, lassen Sie uns deshalb unter das Blech des E-Kona blicken. Zwei Varianten stehen zur Auswahl: Los geht es mit 100 Kilowatt gleich 136 PS sowie einem Akku mit 39,2 Kilowattstunden Kapazität. Nach dem neuen WLTP-Zyklus mit mehr Realitätsbezug sind bis zu 312 Kilometer Reichweite möglich. In 9,7 Sekunden geht es auf 100 km/h, maximal erreicht der "kleine" Elektro-Kona 155 km/h. Etwas spritziger darf sein stärkerer Bruder sein, nämlich bis zu 167 km/h. Gleich ist übrigens bei beiden E-Konas das maximale Drehmoment von 395 Newtonmeter.

Doch der große Kona Elektro wedelt gegenüber Tesla nicht lieb mit dem Schwanz, sondern fletscht die Zähne. 150 Kilowatt gleich 204 PS stehen hier bereit. 64 Kilowattstunden Batteriekapazität und 482 Kilometer Reichweite nach WLTP sind nahe am normalen Tesla Model 3. Indes braucht der Riesen-Akku auch etwas Geduld beim Aufladen: Gut neuneinhalb Stunden mit 7,2-Kilowatt-Technik, an einer 100-kW-Station sind es 54 Minuten auf 80 Prozent.

Sind fast 500 Kilometer realistisch?

Vielleicht denken Sie auch so wie ich: 482 Kilometer? Ja klar. Mit Rückenwind an Tagen, die mit K enden. Papier ist geduldig. Umso überraschter bin ich, als nach dem Drücken des Startknopfes 457 Kilometer Reichweite auf dem Display erscheinen. Sauber zieht der Elektro-Kona vorwärts, jedoch ohne abartige Beschleunigungsorgien im Stil mancher Tesla-Modelle.

Das braucht es ja auch nicht. Gerade das unaufgeregte Dahingleiten, unterbrochen von kraftvollen Überholmanövern (395 Newtonmeter, Sie erinnern sich), ist die Stärke des Kona Elektro. Fast bin ich verleitet, den alten Werbespruch des VW Käfer auszumotten: Er läuft und läuft und läuft ...

Dazu passen das bei Elektroautos nicht immer gegebene saubere Federungsverhalten und die gut ansprechende Lenkung ohne Synthetikgefühl. Was allerdings im Fall des logischerweise fast lautlosen Kona auffällt, sind die Abrollgeräusche.

Variable Rekuperation

Eine besonders clevere Sache verbirgt sich hinter den beiden Paddels am Lenkrad. Mit ihnen kann ich die Rekuperation beim E-Kona in vier Stufen verstellen. Die Bandbreite reicht von Null für gar nichts bis Vier für den ganz harten Ein-Pedal-Betrieb. Letzteres ist mir einst beim BMW i3s negativ aufgefallen, weshalb ich mich im Hyundai meist mit Stufe Zwei begnüge, um den Wagen mehr rollen lassen zu können. Klar, jeder hat andere Vorlieben, doch von der Lösung im E-Kona profitieren insbesondere Elektro-Neukunden. Sie können sich so langsam an das Ein-Pedal-Fahren herantasten.

Bevor ich es vergesse: Vier Fahrmodi stehen überdies zur Auswahl: Sport, Comfort, Eco und Eco Plus. Eco Plus erhöht die Reichweite in absoluten Notfällen.

Faire Preisgestaltung

Wird der Preis beim Hyundai Kona Elektro zum Notfall? Glücklicherweise nicht. 34.600 Euro für die kleine Version und 39.000 Euro für den 482-Kilometer-Kona klingen zunächst happig. Serienmäßig sind aber an der Basis bereits unzählige Assistenten inklusive eines adaptiven Tempomat. Ebenso ein Navi, 17-Zoll-Alufelgen, eine Klimaautomatik und eine Rückfahrkamera. Hinzu kommt zudem der staatliche Umweltbonus von 4.000 Euro. Ganz oben rangiert der E-Kona mit großer Maschine und Premium-Ausstattung für 45.600 Euro. Hier ist praktisch alles drin: Ledersitze mit Belüftung vorne, das Head-up-Display, ein Stauassistent und LED-Scheinwerfer, um nur einige der Details zu nennen.

Zum Vergleich: Ein Opel Ampera-e (Leistung: 150 Kilowatt) liegt bei 42.990 Euro. Der Blick auf das Basismodell des Tesla Model 3 gerät momentan noch zu Wahrsagerei. Ab wann es für Deutschland produziert wird, ist noch offen, ebenso der Preis in Europa. Die oft kolportierten 35.000 Dollar (rund 30.000 Euro) sind ohne Extras, lokale Steuern sowie etwaige Importkosten und Zölle.

Hyundai kann sich die weitere Entwicklung also entspannt betrachten: Drei E-Autos hat man ab August 2018 im Programm: einmal Ioniq, zweimal Kona. Das deutsche Kontingent des Kona Elektro ist für 2018 schon ausverkauft, für 2019 rechnet man mit 2.000 bis 3.000 Bestellungen.

Fazit: 8 von 10 Sternen

Südkorea schlägt Deutschland. Und zwar nicht nur im Fußball. Mit dem E-Kona hat Hyundai ohne viel Brimborium ein sehr fähiges Elektroauto zur Marktreife gebracht. Neben der verstellbaren Rekuperation und der Reichweite punktet das kleine Strom-SUV mit seiner Normalität.

+ hohe Reichweite, gute Bedienung, fairer Preis
- Typ-2-Ladekabel in der Basis nicht serienmäßig

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