Folge uns jetzt auf Instagram und erlebe die schönsten und emotionalsten Momente im Motorsport zusammen mit anderen Fans aus der ganzen Welt
Wurz: "Es war teilweise Casino"
Alexander Wurz bilanziert seinen erfolgreichen Le-Mans-Vortest im Peugeot 908 Hdi FAP - Bestzeit mit über vier Sekunden Vorsprung
(Motorsport-Total.com) - In Le Mans liegt bereits wieder ein Knistern in der Luft. Die traditionsreiche Motorsport-Stadt steht ganz im Zeichen der 76. Auflage des legendären 24-Stunden-Rennens. An den großen Einfallstraßen wehen schwarz-weiß karierte Flaggen, im Stadtzentrum werden die Vorbereitungen für die große Fahrzeugparade getroffen, in den Lokalen lässt teils kitschiger Tischschmuck keinerlei Zweifel aufkommen: hier findet richtiger Motorsport statt. Beim Vortest am vergangenen Sonntag pilgerten Tausende an die Traditionsstrecke, beim Rennen in zehn Tagen werden 250.000 Fans erwartet.

© Wittemeier/MST
Alexander Wurz musste sich als Rookie qualifizieren und zehn Runden fahren
Der offizielle Testtag sollte den 55 zugelassen Teams eigentlich Setuparbeiten ermöglichen, doch das Wetter brachte mit unregelmäßigen Regengüssen den gesamten Fahrplan aller Teilnehmer durcheinander. Die Rundenzeiten am Ende des Tages hatten zwar nur wenig Aussagekraft, doch die Tagesbestzeit des schnellsten Peugeot von Stephane Sarrazin, Pedro Lamy und Alexander Wurz in 3:22.222 Minuten sorgte für Staunen, denn immerhin unterbot man aus dem Stand die Qualifying-Bestzeit des Vorjahres um vier Sekunden! Alexander Wurz bilanzierte im Interview mit 'Motorsport-Total.com' seine Le-Mans-Rückkehr nach seinem Porsche-Sieg vor zwölf Jahren.#w1#
Frage: "Alexander, wie war deine Rückkehr nach Le Mans bei diesen miesen Wetterbedingungen?"
Alexander Wurz: "Es war schon ein wenig Nerven aufreibend. Ich hatte mir das lockerer vorgestellt. Vor allem mit dem Sportwagen, der mittlerweile brutal schnell ist im Regen, war es teilweise wirklich happig. Vor allem in den schnellen Streckenabschnitten ist Aquaplaning das Schreckgespenst. Auf den Mulsanne-Geraden oder im Bereich Indianapolis war es teilweise weniger lustig. Ich hatte kaum Zeit, etwas zu genießen. Es war mehr Kampf und Krampf als Spaß."
Frage: "Es gab im Verlauf des Tages sehr viele und teils auch sehr lange Rot-Phasen. Konnte man sich auf die Bedingungen nicht einstellen?"
Wurz: "(lacht) Du hast gut reden jetzt hier im Trockenen - sorry, dass ich das sage. Im Prinzip ist noch wenig passiert für die Schwierigkeit der Bedingungen. Man hat gesehen, dass alle extrem diszipliniert am Werk waren. Ich bin mir sicher, dass wir im Rennen noch wesentlich mehr Unfälle gesehen hätten, wenn jeder noch mehr pushen will und die Leute eine Chance riechen, eine Position gut zu machen. Das war teilweise echt Casino und Russisches Roulette, wann du mit welchen Reifen draußen bist. Nicht einfach - echt nicht einfach."
Streckensicherheit im Grenzbereich?

© Wittemeier/MST
Marc Gené zerstörte beim Test in Le Mans ein Chassis des Peugeot 908 Hdi FAP Zoom
Frage: "Dein Markenkollege Marc Gené hatte einen heftigen Unfall, ein GT2-Ferrari und auch der LMP2-Embassy wurden total zerstört. Ist die Strecke sicher genug?"
Wurz: "Naja, das ist eine Grundsatzfrage, was du haben willst und welchen Standard du nimmst. Wenn ich jetzt aus der Formel 1 hierher komme, dann muss ich sagen, dass die Geschwindigkeiten mit diesem gut 900 Kilo schweren Prototypen schon echt grenzwertig sind, speziell wenn mal irgendetwas schief geht. An der Stelle, wo Marc den Unfall hatte, ist kurz vorher innen ein hoher Curb. Da bist du ungefähr 260 km/h schnell und wenn du den berührst, dann ist das nicht gesund - andere Stellen sind genauso. Auf der anderen Seite ist die Strecke nun einmal so und du musst dich darauf einstellen. Es kann nicht alles so Retortenform haben wie die Formel 1 das gerne haben will. Ich bin hier, ich fahre und denke nicht ständig an die Sicherheit."
Frage: "Macht es denn unter diesen ganzen Umständen Spaß?"
Wurz: "Es macht unheimlich viel Spaß. Allein das Auto anzuschauen ist schon so geil. Die fahren wirklich brutal schnell. Speziell im Trockenen geht es richtig zur Sache. Das macht auf jeden Fall Spaß - und zwar hundertprozentig."
Frage: "Hast du die besondere Atmosphäre von Le Mans gespürt?"
Wurz: "Es war ein wenig getrübt, weil das Wetter einfach schlecht war. Aber wenn du hierher kommst, dann spürst du bei allen Leuten im Team, dass es eine immens wichtige Einjahresveranstaltung ist. Ich kann das nur mit der Tour de France im Radsport vergleichen. Das ganze Denken und Handeln dreht sich nur um diesen einzelnen Event. Du kommst zum Testtag hierher und spürst schon, dass sofort Ernst in der Luft liegt und nicht Spaß und Testen."
Harte Konkurrenz von AUDI erwartet

© Peugeot
Der Peugeot mit der Startnummer acht war beim Vortest nicht zu packen Zoom
Frage: "Wie schwierig ist denn für dich die Umstellung vom Honda Formel-1-Auto auf den Peugeot-Prototypen?"
Wurz: "Allein vom Fahren auf der Strecke, wenn du schnell unterwegs bist, ist es keine solch dramatische Umstellung. Du hast ein etwas schwereres Auto und musst etwas früher bremsen. Der Unterschied zwischen Highspeed und mittlerem Speed ist dann groß. Die Formel 1 macht die Rundenzeit in den langsamen und mittelschnellen Kurven aufgrund des Gewichts. Beim Topspeed sind sich die Autos ähnlich. Im Gegenteil - wir sind sogar ein bisschen schneller im Sportwagen. Die schnellen Kurven sind brutal mit der Downforce, die das Auto entwickelt. Wo du dich wirklich umstellen musst, ist in der Denkweise bezüglich Verkehr, Arbeitsweise, Setup - da ist dann etwas ganz anderes gefragt. Formel 1 ist kompromisslos auf eineinhalb Stunden ausgelegtes Sprintrennen. Im Verkehr musst du sofort die Lücke nützen, auch wenn sie nur zu 80 Prozent sicher ist. Das sind so Dinge, die man hier nicht machen sollte."
Frage: "Ihr habt die schnellste Zeit beim Vortest markiert. War die Runde deines Teamkollegen Stephane Sarrazin perfekt?"
Wurz: "Es war auf jeden Fall eine coole Runde und legt den Level für alle sehr hoch. Wir wollen mal sehen. Ich glaube, da kann schon noch einiges gehen. Speziell wenn es mal richtig trocken ist und man sich drauf mal eingestellt hat. Warten wir mal ab."
Frage: "Ihr hattet über vier Sekunden Vorsprung auf den schnellsten Audi. Brüllt der Peugeot-Löwe alle in die Flucht?"
Wurz: "Nein, nein. Wir müssen aufpassen. Unsere großen Konkurrenten aus Ingolstadt waren nicht mit den richtigen Reifen zur richtigen Zeit mit den heißen Fahrern draußen. Da kommt schon noch einiges von denen. Das wird ganz knapp werden."

