• 16.06.2010 16:03

  • von Roman Wittemeier

Werner-Interview: "Wir hatten unseren Spaß"

Marco Werner über das enttäuschende Le-Mans-Ergebnis mit Highcroft, das neue Regelwerk des ACO und die Aussichten für die Zukunft

(Motorsport-Total.com) - Marco Werner hatte auch nach seinem Vertragsende bei Audi einen aussichtsreichen Platz in Le Mans. An der Seite von Vorjahressieger David Brabham und Marino Franchitti griff der Deutsche in der LMP2-Klasse mit dem in Amerika so erfolgreichen Acura an. Doch Highcroft war vom Pech verfolgt. Während die spätere Siegermannschaft von Strakka mit dem baugleichen Wagen problemlos über die Runden kam, wurden die Amerikaner immer wieder zurückgeworfen. Marco Werner erklärt im Interview mit 'Motorsport-Total.com' seine Gedanken zum Auftritt an der Sarthe.

Titel-Bild zur News: Marco Werner

Marco Werner ist nach dem Abschied von Audi in die LMP2 abgebogen

Frage: "Marco, wie bewertest du euren Le-Mans-Auftritt?"
Marco Werner: "Es war gut, schlecht, gut (lacht). Nachdem ich leider keinen neuen Vertrag bei Audi bekommen habe, war ich natürlich richtig glücklich, dass ich bei Highcroft untergekommen bin. Das Team ist extrem professionell und hat auch in Le Mans hervorragende Arbeit geleistet. Leider hatten wir im Rennen aber ein bisschen zu viel Pech. Wir hatten drei Reifenschäden, einen Defekt am Heck und am Ende noch den Motorschaden."#w1#

"Gerade bei den Reifenschäden war es echt einfach Pech. Da sammelst du auf der Strecke ein vier Millimeter kleines Metallteil auf, das dir dann den Reifen zerstört. Das ist doch in etwa so wahrscheinlich wie ein Sechser im Lotto. Das hast du nicht in der Hand, ganz egal, wie gut du deinen Job machst. Aber das ist eben Le Mans, so ist das dort."

"Über das Team und die Fahrerkollegen David Brabham und Marino Franchitti müssen wir gar nicht reden. Die Mannschaft ist absolut top und die Piloten auch. Man hat uns vorher zum Favoriten gestempelt, was mir eigentlich gar nicht gepasst hat. Es fällt einem wirklich schwer, sich vernünftige Ziele zu setzen, wenn alle Welt den Sieg erwartet. Ich mache es lieber anders: Alles geben und dann schauen, was herauskommt."

Professionelle Strukturen bei Highcroft

Frage: "David Brabham war 2009 noch im Peugeot, du im Audi R15. Gab es da eine gewisse Seelenverwandtschaft zwischen euch beiden, die ihr nun im LMP2 gefahren seid?"
Werner: "Die Situation bei David war eigentlich ganz anders. Er hat einen Dreijahres-Vertrag mit Highcroft und war 2009 nur freigestellt für den Drive mit Peugeot. Als klar wurde, dass Highcroft nun erstmals auch in Le Mans fährt, da war es logisch, dass David für sie fahren muss - allein wegen des Vertrages."

"Wir hatten unseren Spaß. David hat die GT1 gewonnen und im vergangenen Jahr den Gesamtsieg geholt. Er will unbedingt in allen Klassen gewinnen. Wir haben so zum Spaß gesagt: 'Wenn wir richtig alt sind, dann fahren wir auch nochmal irgendwo GT2' (lacht). Man nimmt es mit Humor. Mich hat man immer gefragt, wie es ist, wenn ich von einem Audi überholt werde. Na klar, es ist immer blöd, wenn du überholt wirst. Aber ich habe nie gedacht, dass das nun mein Auto ist, wenn da ein Audi kam. Ich schaue nach vorne."

"Man muss da so herangehen. Sonst kannst du doch niemals mit Tiefschlägen umgehen und dich neu motivieren. Ich habe nie gesagt, dass ich da jetzt womöglich eine 'lahme LMP2-Dose' fahren muss. Im Gegenteil: Als ich Anfang des Jahres in den USA war, um den Vertrag mit Highcroft zu unterzeichnen, habe ich gesehen, was Highcroft dort für eine tolle Firma hat. Da können sich hier in Europa einige Teams eine Scheibe abschneiden."

Marino Franchitti, David Brabham

Marino Franchitti und David Brabham staunten über Marco Werners Runden Zoom

Frage: "Hat Strakka beim LMP2-Sieg einfach mehr Glück gehabt?"
Werner: "Ja, so muss man das sehen. Die hatten die gleichen Voraussetzungen beim Auto, Motor und so weiter. Allerdings hatten sie einen großen Vorteil, denn sie konnten in Le Castellet testen und zwei Rennen fahren. Wir haben die Le-Mans-Konfiguration wirklich erstmals in Frankreich ausgepackt, kannten uns überhaupt nicht damit aus. Weiterer Vorteil für Strakka: Die waren schon mal in Le Mans, Highcroft vorher aber noch nie. Wir hatten einfach keine Vergleichsdaten."

Der Wahnsinnsabtrieb des Acura

Frage: "Man hört immer vom unfassbar hohen Abtrieb des Acura. Angeblich soll es für Piloten teils schwierig auszuhalten sein. Hast du das auch so empfunden?"
Werner: "Ja, bei dem Test in Sebring. Das Auto hat mehr Abtrieb als alle Audis, die ich vorher gefahren habe. Ich war nach den Teststints fix und fertig. Das Auto produziert dermaßen viel Abtrieb, die Kurvengeschwindigkeiten sind enorm und teilweise kannst du die Bremspunkte vergessen. Wenn man die erste Kurve in Sebring mal nimmt: Da bremsen die Audis richtig an, aber mit dem Acura kann man da Vollgas machen. Das ist heftig, liegt aber auch daran, dass die Autos etwas leichter sind. In Le Mans war es aber viel weniger anstrengend, allein schon durch das spezielle Aeropaket für weniger Abtrieb."

Frage: "Merkst du beim Fahren dein Alter?"
Werner: "Naja, man stellt sich natürlich auch mal die Frage, wie lange man so etwas noch machen will. Natürlich merke ich, dass ich weniger im Auto sitze. Als ich damals mit Audi in der ALMS war, da hatte ich alle zwei Wochen ein Rennen. Da geht man dann auch beruhigter nach Le Mans. Dieses Mal gab es eben Fragezeichen. Ein anderes Auto, ein anderes Team, eine andere Klasse und ein anderes Verhalten auf der Strecke. Das alles sind Fragezeichen."

"Wenn man - wie die Teamkollegen - vorher schon drei Rennen in den USA gefahren ist, dann ist das eine andere Situation. Aber mein Sebring-Test lag nun auch schon drei Monate zurück. Früher sind wir mit Audi auch noch viele Tests gefahren, teilweise über 36 Stunden. Aber nun kam ich zu Highcroft und wurde natürlich an meinen Kollegen gemessen. Das hat mich glücklich gestimmt, denn ich konnte Zeiten fahren, sodass die anderen die Augenbrauen hochgezogen haben. Das hätte ich selbst so nicht erwartet. Ich war im ersten Stint über eine Sekunde schneller als David, bin von Platz zwei auf Platz eins gefahren."

Frage: "Wie geht es für dich im Prototypen in Zukunft weiter?"
Werner: "Highcroft ist ein geniales Team und vielleicht kann mehr daraus entstehen. Wir haben das scherzhaft schon einmal in Le Mans angerissen. Duncan Dayton hat sogar für dieses Jahr versucht, ein zweites Auto in der ALMS einzusetzen, aber das hat leider nicht geklappt. Möglich, dass es 2011 funktioniert. Ich bin in einem Alter, wo ich nicht wie eine Oma auf der Intensivstation künstlich am Leben gehalten werden möchte. Ich will erfolgreich sein können, außerdem muss ich mit Motorsport meinen Lebensunterhalt verdienen. Welche Chancen gibt es da? Die wenigen Werksteams in der LMP1 und eben so ausgezeichnete Mannschaft wie Highcroft."

"Die Situation ist nicht ganz einfach. Natürlich gibt es Möglichkeiten, aber wenn du Erfolge willst und Geld verdienen musst, dass kommen in der LMP1 doch wirklich nur Audi und Peugeot in Frage. Ich habe mich natürlich umgehört. Aber wenn ich irgendwo angeklopft habe, dann war oft die Frage, was ich den mitbringen könnte. Ich habe dann immer gesagt: 'Ich bringe meinen Helm mit'. Wenn ich einen Sponsor hätte, dann würde ich ihn mitbringen, aber ich habe nun mal keinen."

Die Prototypen werden stark eingebremst

Frage: "Wie siehst du das neue Reglement für Le Mans?"
Werner: "Das wird sehr, sehr langsam. Auf den Geraden hatte ich dieses Jahr im LMP2 schon fast das Gefühl, mir würden die Füße einschlafen (lacht). Also wenn man die Granaten von Audi gewohnt war, dann sind Rundenzeiten von 3:36 Minuten schon langsam. Aber die Zeiten von unter 3:20 Minuten wie nun in Le Mans mit den LMP1 sind zu heftig. 2011 wird es so sein, dass die neuen LMP1 auf dem Niveau der heutigen LMP2 fahren werden. Mal sehen wie langsam die neuen LMP2 dann werden. Ich weiß gar nicht, ob das dann überhaupt noch Spaß macht."

"Wenn man eine solche LMP2 mit diesen Oreca-Chassis aus der Formula Le Mans will, dann sollte man das vielleicht als Förderprogramm für den Nachwuchs unter 23 Jahren machen. Aber von den aktuellen Piloten werden dann auf jeden Fall einige sagen, dass sie daran keinen Spaß mehr haben. Ich habe es genossen, die schnellen Prototypen fahren zu dürfen. Da fährt man auf dem Niveau von etwa vier oder fünf Jahre alten Formel-1-Autos. Und das war auch immer mein Traum: Ich wollte immer auf Formel-1-Niveau fahren. Das war mit den bisherigen LMP1 möglich. Aber in Zukunft wird das dann nicht mehr so sein."

"Ich wollte immer auf Formel-1-Niveau fahren." Marco Werner

"Auf der anderen Seite hat man ja auch Gründe, die Autos zu bremsen. Der Speed in Le Mans ist ab einer gewissen Grenze gefährlich, auch auf der Nordschleife ist das so. Ich habe mit dem GT3 dort in 8:24 Minuten die Pole-Position gefahren. Da sage ich aber selber, dass man sich langsam Gedanken machen muss. Ich fahre solche Rundenzeiten gern, für mich als Rennfahrer kann es gar nicht schnell genug sein. Aber man muss auch daran denken, dass auch andere Faktoren hinzukommen. Auf der Nordschleife sind sehr langsame Klassen unterwegs, teilweise mit nicht ganz so starken und aufmerksamen Leuten besetzt. Wenn mich da einer am Pflanzgarten über den Haufen fährt, dann kann es böse enden."

Frage: "Deine beiden Highlights des Jahres am Nürburgring und in Le Mans sind nun schon vorbei. Was machst du mit dem Rest des Jahres?"
Werner: "Ich habe das Glück, dass ich doch noch eine gute Bindung zu Audi habe. Ich fahre noch einige Einsätze in der VLN auf der Nordschleife. Das ist das R8-Kundenprogramm mit der Audi Racing Experience, eine tolle Sache. Das kommende Rennen lassen wir noch aus, aber die dann noch verbleibenden vier VLN-Läufe fahren wir dann. Ich hoffe, dass es dann auch im kommenden Jahr noch weiterläuft. Ich fahre auch nach Goodwood und die Ennstal Classics. Die Bindung zu Audi ist nach wie vor da."

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