• 17.06.2011 12:41

  • von Andy Priaulx

Priaulx-Kolumne: Ein schöner Podestrang

BMW Werkspilot Andy Priaulx über die Achterbahnfahrt in Le Mans, die auf dem Podest endete - In Gedanken bei Augusto Farfus und seiner Frau

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Titel-Bild zur News: Andy Priaulx

Nach der Le-Mans-Woche bin ich sofort nach Hause gefahren

Le Mans kann man wirklich nur begreifen, wenn man selbst dort gefahren ist. Es ist unglaublich schön, kann aber auch unglaublich schmerzhaft werden, sobald man einen kleinen Fehler macht. In diesem Zusammenhang möchte ich erst einmal sagen, dass ich sehr froh bin, dass Allan McNish und Mike Rockenfeller ihre Unfälle gut überstanden haben.

Das waren zwei der schlimmsten Crashes, die ich seit sehr langer Zeit gesehen habe. Das mag sich als Youtube-Video alles ganz toll machen, aber für uns Fahrer ist es schlimm. Uns gefriert in solchen Momenten regelrecht das Blut in den Adern. In beiden Fällen wurden die großen Geschwindigkeitsunterschiede deutlich.

Da ist in etwa so, als wenn ich mit meinem neu aufgebauten originalen Fiat 500 auf der Autobahn von einem Ferrari überholt werde. Ja, ihr habt richtig gelesen. Ich bin tatsächlich stolzer Besitzer eines solchen Klassikers. Ich habe den Wagen in Italien gesehen, mich spontan verliebt. Ich musste ihn haben. Zwei Freunde haben ihn für mich von Siena über Le Mans nach Hause gefahren.

Bei meinen Kumpels muss ich mich entschuldigen. Deren Reise dauerte etwas länger. Mein neues Schätzchens namens Carolina war mit italienischem Rotwein beladen. Leider passte die Zuverlässigkeit nicht so ganz. Die Jungs blieben auf ihrem Weg zweimal liegen. Aber die haben sich nicht unterkriegen lassen. Einen Tag verspätet kamen sie in Le Mans an. Ich war sehr froh, alle wohlbehalten zu sehen.

Zurück zum Renngeschehen: Die Woche fing gut an, wir holten die provisorische Pole-Position. Vielleicht lief es zu Beginn zu gut, denn am Donnerstag landete ich unsanft in den Barrieren. Es passierte 15 Minuten vor dem Ende der Session. Ich wollte einfach noch ein paar schnelle Runden drehen. Ich kam in die letzte Schikane und plötzlich lag dort viel Kies auf der Bahn. Keine Chance, es ging einfach geradeaus in die Reifenstapel.

¿pbvin|64|3820||0|1pb¿Ich war entsetzt. Mir war sofort klar, dass ich meinem Schnitzer Team sehr viel Arbeit bereitet hatte. Wenn aber eine Mannschaft so etwas hinbekommt, dann das Team aus Freilassing. Niemand hat sich beschwert, als sie die gesamte Front des Autos neu aufbauen mussten. Wir haben die letzten beiden Qualifying-Stunden verpasst. Das war schade. Unsere Jungs kamen die gesamte Nacht nicht ins Bett. Tut mir leid!

Ich musste das aber abhaken und hoffte, dass unsere Leute das schnell wieder hinbekommen. Am Freitag standen einige PR-Events auf dem Programm, inklusive Fahrerparade in der Innenstadt. Das macht immer viel Spaß. Wir fahren dort in historischen Fahrzeugen an tausenden jubelnden Menschen vorbei. Ich saß zusammen mit meinen Kollegen Dirk Müller und Joey Hand im Wagen. Wir hatten viel Spaß.

Während wir das Vergnügen hatten, baute das Team den Wagen neu auf. Am Samstagmorgen zum Warmup war das Auto so intakt, sodass man überaupt nicht mehr merken konnte, dass es zuvor dermaßen zerstört gewesen war. Joey meinte sogar, es fühlte sich besser an als zuvor. Es lief gut, wir nahmen dann unsere dritte Startposition in der GTE-Klasse ein. Um kurz nach drei Uhr am Samstag ging es los.

Joey Hand, Andy Priaulx

Immer ein besonderer Spaß: Im Oldtimer durch die Innenstadt von Le Mans Zoom

Ich hatte die Ehre, den Start fahren zu dürfen. Das habe ich genossen. Unser Auto mit der Startnummer 56 lief in den ersten sieben Stunden wie ein Uhrwerk, aber dann gab es plötzlich Fehlzündungen und ich musste einen ungeplanten Stopp einlegen. Die Jungs haben die Ursache schnell erkannt, in Windeseile Elektronik und Zündspule getauscht. Dann ging Dirk mit dem Auto auf die Bahn.

Leider hatten wir zu jenem Zeitpunkt fast neun Minuten verloren, waren von Platz zwei auf Rang neun zurückgefallen. In diesem Jahr musste ich nachts fahren. Das ist hart, aber eben Teil dieses Rennens. In der Nacht ist aber alles anders. Die Temperaturen sinken, die Reifen arbeiten anders, die Bremswege verändern sich. Auf der Strecke ist es stockfinster, in der Boxengasse wieder taghell beleuchtet.

Ich war froh, als die Sonne wieder aufging. Allerdings gab es auch Sorgen, weil unser Schwesterauto für einen langen Stopp wegen eines Problems am Wasserkreislauf an der Box stand. Bei uns gab es immer noch leichte Fehlzündungen, aber es war immerhin im kontrollierbaren Bereich. Fünfeinhalb Stunden vor dem Ende stieg ich aus dem Auto. Wir lagen wieder auf Podestkurs.

Joey Hand, Andy Priaulx

Unser BMW M3 GT lief in der ersten Rennphase wie ein Uhrwerk Zoom

Die letzten paar Stunden - ein "paar Stunden" sind relativ, immerhin könnte man in solcher Zeit fast eine ganze WTCC-Saison unterbekommen - wurden hart. Es war mit gemischten Gefühlen verbunden. Nur zweieinhalb Stunden vor dem Ende fiel unser Schwesterauto mit Problemen am Antriebsstrag aus. Das war traurig. Ich weiß, wie hart die Jungs gearbeitet haben, um so weit zu kommen. Dann mit leeren Händen dazustehen, das ist heftig.

Zum Glück blieb uns ein solches Schicksal erspart. Es war 15 Uhr in Frankreich und wir lagen noch im Rennen. Noch viel wichtiger: Wir waren auf dem Podest. Das war ein harter Kampf. Wir sind mit dem dritten Platz hinter Corvette und Ferrari belohnt worden. Ich stand schon auf vielen Siegerpodesten, aber noch nie auf einem solchen. Die Fans strömten, bei 250.000 Leuten sah man nur noch Menschen. Das war verrückt.

Nach dem Rennen bin ich zur Familie gefahren. Meine Gedanken waren oft bei Augusto Farfus. Er musste ganz schnell zurück nach Brasilien, weil seine Frau Liri dieser Tage das erste Kind erwartet. Ich weiß genau, was in Augusto vorgeht. Ich selbst musste in einer solchen Lage schon Rennen fahren. Bei jedem Telefonklingeln springst du auf. Wir hoffen, dass alles gut gehen wird. Eines ist sicher. Sein Leben wird sich ab der Geburt für immer verändern. Alles Gute von meiner Frau Jo und mir!

Andy Priaulx