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  • 21.10.2010 10:41

  • von Roman Wittemeier

Pescarolo-Interview: Von Beerdigung und Wiedergeburt

Le-Mans-Legende Henri Pescarolo im Interview: Zwei Freunde als Retter, viele Hoffnungen für 2011 und Insiderinformationen von Peugeot

(Motorsport-Total.com) - "Pescarolo Sport" ist tot - es lebe das "Pescarolo Team" - mit diesen Worten feierte Henri Pescarolo seine Wiederauferstehung im Motorsport. Seine beiden Freunde Jacques Nicolet (OAK Racing) und Joël Rivière (Prestige Racing) ersteigerten die Konkursmasse des Teams aus Le Mans für 400.000 Euro und übergaben alles an das 68-jährige Le-Mans-Urgestein zurück. Im Interview mit 'Motorsport-Total.com' beschreibt Pescarolo seine Emotionen und Hoffnungen.

Titel-Bild zur News: Henri Pescarolo

Henri Pescarolo darf dank seiner Freunde ab 2011 wieder neu starten

Frage: "Henri, erst einmal Gratulation zum Neustart! Hast du die emotionalen Ereignisse des vergangenen Freitags schon verdaut?"
Henri Pescarolo: "So halbwegs. Das war ein harter Tag, eine echte emotionale Achterbahnfahrt. Die Auktion bedeutete das Ende einer einjährigen Leidenszeit. Ein Jahr lang musste ich zuschauen, wie Sora-Chef Jean Py das Sagen hatte. Er war im Besitz meines Teams und hat die Autos ganz einfach nicht mehr eingesetzt. Mir waren die Hände gebunden, ich hatte nichts mehr zu sagen. Das war ein schlimmes Jahr."

"Ein Jahr lang war das Team also in den Händen dieses Banditen und er hatte alles für Rennsport, hat aber nichts gemacht. Im Gegenteil: Er hat das Team endgültig zerstört. Er hat das ganze Tafelsilber verkauft. Er hat die gesamten Baupläne und Rechte am neuen Pescarolo 01 an OAK-Chef Nicolet verkauft. Der vergangene Freitag war diesbezüglich der endgültige Schlussstrich, alles kam unter den Hammer. Das tat weh."

"Ich wollte mir die Auktion eigentlich gar nicht anschauen. Als ich dann aber dorthin kam, da war ich überrascht, wie viele Leute dort waren. Der Preis für die einzelnen Posten ging schnell in die Höhe, ich konnte das gar nicht so recht verstehen. Zum Glück haben meine beiden Freunde Jacques Nicolet und Joël Rivière es hinbekommen, die einzelnen Posten am Ende zu einem Gesamtpaket zu schnüren und es zu ersteigern. Aber auch dabei hatten sie noch einen harten Gegner beim Bieten."

"Ich dachte schon, jetzt wäre alles vorbei. Aber letztlich bekamen Jacques und Joël den Zuschlag. Ich hatte allerdings keine Ahnung, warum sie überhaupt gekauft haben. Plötzlich kamen die beiden zu mir und sagten zu mir: 'Henri, das ist für dich. Jetzt starte dein Team neu!' Das war unglaublich für mich."

Der Freitag der Überraschungen

Frage: "Du hattest wirklich keine Ahnung, was die beiden dort tun?"
Pescarolo: "Nein, wirklich nicht. In den vergangenen Monaten haben mir sehr viele Leute Unterstützung zukommen lassen. Doch im Grunde waren das alles nur Worte, keiner konnte wirklich etwas tun. Joël ist seit langer Zeit ein guter Freund und ich wusste, dass es ihm wehtat, dass mein Team so den Bach runter ging. Ich wusste aber nicht, was er vorhat."

"Man kann doch nicht wirklich damit rechnen, dass jemand so etwas macht - selbst wenn es ein langjähriger Freund ist. Für mich war es eine riesige Überraschung, mit einer solch großartigen Aktion hätte ich niemals gerechnet."

Frage: "Das Gesamtpaket ging dann letztlich für 400.000 Euro über den Tisch. War es deren Geld oder dein Geld?"
Pescarolo: "Nein, nicht meines. Ich habe nicht so viel Geld. Ich bin immer schon ein reiner Racer gewesen. Das Geld reichte immer nur gerade so, um am Wochenende Rennen zu fahren. Zu meiner Zeit haben wir es aus Spaß und Leidenschaft getan und nicht, um damit Geld zu verdienen. Ich habe immer alles in das Team gesteckt und somit auch alles verloren. Das Geld kam wirklich aus den privaten Taschen meiner beiden Freunde."

¿pbvin|64|2917||0|1pb¿"Ich bin rein rechtlich gesehen auch jetzt noch nicht wieder der Besitzer der Autos, der Werkzeuge und der anderen Dinge, sondern die Sachen gehören Jacques Nicolet und Joël Rivière. Die beiden wollen die Autos aber selbst nicht einsetzen, sondern überlassen dies mir. Ich werde ihnen also in näherer Zukunft ein paar Werkzeuge und andere Dinge abkaufen müssen. Das Gute ist, dass ich in Gesprächen mit Sponsoren jetzt sagen kann, dass ich ein komplettes Team parat habe: Zwei Autos, Werkstatt, das Personal. Es kann losgehen!"

Frage: "Dein Team hast du also nach wie vor komplett zusammen?"
Pescarolo: "Ja, die wichtigsten Leute waren die ganze Zeit an meiner Seite. Man darf zum Beispiel nicht vergessen, dass Claude Galopin der geistige Vater aller bisherigen Pescarolo-Autos ist. Er hat zwar mittlerweile ein paar neue Designer und Elektroniker um sich herum, aber er ist noch da. Alle Leute, die ich für den Renneinsatz, die Vorbereitung und die Fertigung von Teilen hatte, sind noch bei mir."

"Also sind beim Personal nur einige andere Designer da. Aber die ehemaligen sind auch nicht weit weg. Die sind nämlich zu Jacques - also zu OAK - gegangen. Wir werden beim Neustart bestimmt recht eng zusammenarbeiten. Wir haben also alles zusammen. Wir sind mit Claude Galopin so aufgestellt, sodass das Pescarolo Team wieder ein Hersteller und Konstrukteur ist."

"Wichtig im Langstreckensport ist es, dass du deine Autos ins Ziel bringst. Das war auch früher immer die Stärke von Pescarolo Sport: Wenn wir ein Auto ins Rennen geschickt haben, dann hat es meistens auch das Ziel gesehen. Das liegt an der soliden Art, wie wir ein Auto bauen, betreiben und vorbereiten. Dafür habe ich das beste Team der Welt zusammen."

Neustart ohne Altlasten

Frage: "Nun ist es schon Oktober, das nächste Jahr liegt also nicht mehr fern. Wann beginnt ihr mit der Arbeit an den Autos?"
Pescarolo: "Das Wichtigste kommt jetzt erst noch. Ich muss das Budget für ein anständiges Programm zusammenbekommen. Ich würde am allerliebsten natürlich eine komplette Saison bestreiten. Meine wichtigsten Partner sind immer noch dabei: Motul und Sarthe. Auch Playstation wird wohl weitermachen. Ich bin auf der intensiven Suche nach weiteren Partnern, damit ich nicht nur 2011 überlebe, sondern für 2012 oder 2013 ein neues Auto bauen kann."

"Dafür brauche ich die passenden Partner. Entscheidend am vergangenen Freitag war, dass wir nun ohne Schuldenlast in die Zukunft gehen können. Zum Ende hatte Pescarolo Sport offene Rechnungen in Höhe von 2,5 Millionen Euro. Alle Einnahmen hätte ich zum Abtragen der Schulden einsetzen müssen - furchtbar. Es wäre unmöglich gewesen, das Geld zum Schuldenabbau und zusätzlich auch noch für den Bau eines neuen Autos zusammen zu bekommen."

"Ab sofort können wir bei Null starten und die Gelder komplett in den Betrieb stecken. Finanziell ist alles bereinigt. Das neue 'Pescarolo Team' - wie es jetzt heißt - geht also ohne Altlasten ins Rennen. Der zweite wichtige Faktor vom vergangenen Freitag ist, dass Sora-Mann Jean Py jetzt nie wieder etwas mit unserem Team zu tun haben wird. Ab sofort bin ich wieder allein verantwortlich und kann eine gute Saison bestreiten."

"Wie willst du ein gutes Budget zusammenbekommen, wenn die Dieselautos wieder Kreise um dich fahren?." Henri Pescarolo

Frage: "Was bedeutet das für dich? Die Teilnahme an welchen Events planst du? LMS, Le Mans und ILMC?"
Pescarolo: "Das hängt natürlich vom Budget ab. Das wichtigste Rennen ist ohne Zweifel Le Mans. Dort möchte ich mit ein oder zwei Autos starten. Das hängt von der Sponsorensituation ab, aber auch von der Chancengleichheit, die der ACO seit Jahren schaffen will, aber es bisher nie hinbekommen hat. Wie willst du ein gutes Budget zusammenbekommen, wenn die Dieselautos wieder Kreise um dich fahren?"

"Ich bin sicher, dass der ACO das verstanden hat. Aber es ist natürlich auch enorm schwierig, die Konzepte wirklich unter einen Hut zu bekommen. Ich hoffe, dass man es nun hin bekommt, aber sicher ist es natürlich nicht. Vieles hängt aber davon ab. Im neuen Reglement steht, dass es bei einem Performanceunterschied von mehr als zwei Prozent zwischen Diesel und Benziner eine neue Angleichung vor dem Rennen in Le Mans geben soll."

"Wenn es erneut so sein wird, dass die Benzinerautos keine Chance gegen die Dieselfahrzeuge haben, dann setzen sie das Bestehen der Privatteams endgültig aufs Spiel. Das wäre wirklich schlimm."

Peugeot wird wieder "dieseln"

Frage: "Bist du denn sicher, dass Audi und Peugeot wieder auf Diesel setzen werden?"
Pescarolo: "Das ist für mich offensichtlich. Ich weiß zum Beispiel sicher, dass Peugeot das neue Auto mit dem neuen Dieselmotor bereits testet. Bei Audi weiß ich es nicht ganz genau, aber ich gehe ganz sicher davon aus, dass auch die wieder auf einen Diesel setzen werden."

Frage: "Es gab allerdings Gerüchte, dass man auf einen Benziner schwenken könnte..."
Pescarolo: "Das wären ja traumhafte Nachrichten für uns (lacht). Man erinnere sich nur: Als wir gegen Audi-Benziner angetreten sind, standen wir in Le Mans auf dem Podest! Falls Audi einen Benziner bringt, dann ist das für Jedermann die beste Nachricht. Wolfgang Ullrich ist sehr einflussreich. Wenn die also einen Benziner bringen, dann starten wir bald alle wieder auf Augenhöhe. Ich bezweifele es allerdings."

Le Mans, Circuit de la Sarthe

Die Farbe bleibt erhalten: Pescarolo bleibt beim saftigen Grün Zoom

"Ich bin sicher, dass die Hersteller alle erst 2013 oder 2014 mit ihren neuen Zweiliter-Turbos kommen. Bei Peugeot bin ich mir ganz sicher, dass sie im kommenden Jahr wieder einen Diesel bringen. Bei Audi wäre ich sehr überrascht, wenn sie es nicht auch tun würden. Die aktuellen Einstufungen sind einfach für Dieselmotoren viel zu attraktiv."

Frage: "Ist es eigentlich jetzt schon sicher, dass ihr 2011 in den typischen Pesca-Farben, also in Grün antreten werdet?"
Pescarolo: "Ja, sicher. Es hängt natürlich auch ein wenig von den Sponsoren ab. Als ich anfing, waren meine Autos komplett grün. Später kam Playstation und da gab es das Problem, dass mein Grün den Farben von Playstation-Konkurrent X-Box zu ähnlich war. Da waren meine Partner nicht so glücklich, aber sie haben mir wenigstens etwas Grün erlaubt. Ich habe damals meine Erfolge mit einem grünen Helm eingefahren, es ist eben einfach die Pescarolo-Farbe. Vielleicht wird das ganze Auto grün, vielleicht nur ein Teil, mindestens aber die Nasenspitze. Das ist meine Farbe."

Frage: "Brauchst du nun noch ein paar weitere Tage, um die jüngsten Emotionen zu verdauen?"
Pescarolo: "Ja, denn ich habe eine Achterbahnfahrt hinter mir. Als ich zur Auktion ging, hatte ich das Gefühl, ich ginge zu meiner eigenen Beerdigung. Aber es war genau das Gegenteil: Am Abend kam ich nach Hause und hatte meine Wiedergeburt erlebt. Was für ein besonderer Tag!"

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