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  • 11.06.2010 11:02

  • von Roman Wittemeier

Pescarolo-Interview: "Ich bin tot im Kopf"

Henri Pescarolo im exklusiven Interview über den Untergang seines Teams, die Chancen für 2011 und das neue Reglement in Le Mans

(Motorsport-Total.com) - Freitagfrüh im Fahrerlager von Le Mans. Die Boxengasse ist für Besucher geöffnet, die Fans dürfen Fahrer, Teams und Autos aus nächster Nähe erleben. Es herrscht großer Andrang. Inmitten der Boxengasse bildet sich urplötzlich eine Menschentraube. Der Grund: Le-Mans-Legende Henri Pescarolo stattet den Ex-Kollegen einen Besuch ab. Wie der 33-malige Le-Mans-Teilehmer mit dem Untergang seiner Mannschaft lebt beschreibt der Franzose im exklusiven Interview mit 'Motorsport-Total.com'.

Titel-Bild zur News:

Eine Legende: Henri Pescarolo ist mit 33 Teilnahmen Rekordhalter in Le Mans

Frage: "Henri, man merkt dir die Trauer wegen der diesjährigen Nicht-Teilnahme deutlich an. Also sprechen wir lieber über die Zukunft. Was wird 2011 mit Pescarolo Sport passieren?"
Henri Pescarolo: "Das wüsste ich auch gern. Ich würde natürlich sehr gern neu starten. Ich hatte zuletzt arge Probleme mit meinem Team. Ich habe meinen Rennstall mit dem Ziel verkauft, dass wir gemeinsam die Autos für die neue Le Mans School aufbauen und zumindest hier beim 24-Stunden-Rennen teilnehmen. Die Autos sind fertig, werden in der kommenden Woche ausgeliefert. Leider musste ich in den vergangenen Monaten aber feststellen, dass offenbar niemand jemals ein Interesse daran hatte, mein Team weiter voranzubringen. So etwas Dummes!"#w1#

"Ich habe es einfach zu spät gemerkt. Meine zwei LMP1-Autos sind gut, sie haben sich locker für die Teilnahme am diesjährigen Rennen qualifiziert. Mir war klar, dass wir wohl 2010 nicht die komplette LMS-Saison bestreiten würden. Aber ich war eigentlich sehr sicher, dass wir wenigstens in Le Mans antreten. Plötzlich hat sich unser Investor aber entschieden, die Autos zurückzuziehen. Mein Team ist am Boden. Meine Techniker haben nichts zu tun, die zwei Autos stehen nur 500 Meter von der Strecke entfernt in einer Garage. Die sind einsatzbereit. Das ist dermaßen furchtbar für mich."

Frage: "Welche Emotionen hast du, wenn du deine Autos in der Garage stehen siehst?"
Pescarolo: "Das tut weh. Ich arbeite hier zwar ein wenig für 'L'Equipe' und 'Eurosport', aber eigentlich ist das alles sehr schlimm. Ich bin tot im Kopf. Es ist aber toll, dass mich so viele Fans und bekannte Piloten unterstützen. Das wird vielleicht bei der Suche nach neuen Partnern helfen. Die werden doch hoffentlich merken, dass sie ein großes Projekt ins Leben rufen können, das von vielen herbeigesehnt wird. Wenn ich auf unserer neuen Internetseite 'pescarolo2011.com' sehe, wie viele Leute uns nahe stehen, dann wird mir warm ums Herz."

Frage: "Wie soll es denn nun weitergehen?"
Pescarolo: "Ich muss erst einmal Geld zusammenbekommen. Ich habe Sponsoren, die mich auch weiterhin begleiten, aber das reicht nicht. Ich muss einen großen Sponsor finden. Da ist Durchhaltevermögen gefragt. Ich habe noch niemanden entlassen, die Leute sind alle noch bei mir. Ich kann die nicht einfach gehen lassen, denn unser Team ist spitze. Falls ich einen Geldgeber finde, dann kann ich mit meinen zwei Autos sofort wieder durchstarten. Die sind bestimmt auch im kommenden Jahr noch konkurrenzfähig."

Frage: "Wie siehst du die neuen Regularien?"
Pescarolo: "Es bleibt das gleiche Problem wie in den vergangenen Jahren. Wir müssen irgendwie einen Weg finden, um verschiedene Konzepte gleichermaßen konkurrenzfähig unter einen Hut zu bekommen. Die aktuelle Entwicklung muss eingebremst werden. Wenn man sich die Rundenzeiten mal anschaut, dann ist das doch völlig verrückt. Die Autos sind schneller als 2009, obwohl man sie über Ladedruck und weitere Maßnahmen einbremsen wollte. Die Dieselmotoren zeigen eine Entwicklung, mit der so niemand rechnen konnte - abgesehen von den Motorenfachleuten von Audi und Peugeot vielleicht."


Fotos: 24 Stunden von Le Mans, Training/Qualifying


Frage: "Werden die Vorschläge für 2011 helfen können?"
Pescarolo: "Das ist es eben: Es sind bisher nur Vorschläge, kein festes Reglement. Aber zum Teil sind die Ideen wirklich gut. Vor dem Hintergrund der aktuellen Wirtschaftslage ist es natürlich absolut richtig, dass man die aktuellen Autos auch 2011 einsetzen darf. Es wäre Wahnsinn gewesen, wenn alle Autos für das kommende Jahr im Museum gelandet wären."

"Auf der anderen Seite bremst der ACO alle Fahrzeuge ein. Die aktuellen LMP2-Autos werden der Standard der Zukunft sein. Die Frage ist nun, was man mit dem derzeitigen LMP1-Wagen macht. Versucht man, sie auf das Niveau der LMP2 zu bringen, oder bremst man sie sogar noch weiter ein? Damit würde der ACO im Prinzip zeigen, dass die LMP1 die Vergangenheit ist, die Zukunft bringt eben kleinere Autos. Bisher haben sie es nie geschafft, die Benziner und die Diesel auf ein gleiches Niveau zu bringen. Wenn nun auch noch die Komponente Hybrid hinzukommt, wird es nochmal deutlich schwieriger."

"Ich finde es wirklich super, dass der ACO die neuen Technologien nach Le Mans holt. Aber sie müssen irgendwie die Kontrolle behalten. Es muss gleiche Chancen für alle Teams geben. Ich finde es gut, dass sich der ACO diesbezüglich die Beratung durch Denis Chevrier gesichert hat, der immerhin Motorenchef bei Renault in der Formel 1 war. Der Mann hat richtig viel Ahnung. Ich bin sicher, dass er dem ACO dabei helfen kann, eine gute Lösung zu finden."

Frage: "Das klingt alles ganz gut, aber so richtig glücklich scheint es dich nicht zu machen..."
Pescarolo: "Stimmt. Ich finde es ohne jeden Zweifel richtig, dass man sich mehr dem Thema Ökologie widmet. Das muss so sein. Aber die Konsequenzen sind schon heftig. Wir werden es im kommenden Jahr wahrscheinlich erleben, dass die Prototypen auf der langen Hunaudières-Geraden langsamer sind als einige GT-Autos, die ich mir im Laden kaufen kann. Das ist doch viel zu heftig. Kauf dir einen Porsche, Ferrari oder Lamborghini und du bist schneller als ein Le-Mans-Prototyp. Das finde ich schlimm für Le Mans."

"Kauf dir einen Porsche, Ferrari oder Lamborghini und du bist schneller als ein Le-Mans-Prototyp." Henri Pescarolo

Frage: "Wie gefällt dir die neue GT-Klasse?"
Pescarolo: "Finde ich nicht schlecht. Wenn man als Hersteller LMP1 macht, dann vermarktet man die Marke - siehe Audi und Peugeot. Wenn ich aber GT-Sport mache, dann promote ich das Produkt. Die aktuelle GT2-Klasse kommt bei den Herstellern offensichtlich sehr gut an. Das Feld ist eng beisammen, es tummeln sich viele Marken dort. Die Autos dort sind recht nahe an den Straßenversionen, die verkauft werden sollen. Es ist also vollkommen richtig, wenn man in Zukunft auf das Erfolgsmodell GT2 setzt."

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