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  • 24.08.2014 14:50

  • von Roman Wittemeier

Perrin und sein myP1: "Brauche drei Millionen"

Interview: Nicolas Perrin arbeitet weiter intensiv an seinem Open-Source-Projekt myP1 - Suche nach Geldgebern, Show in Europa und Formel-1-Antrieb

(Motorsport-Total.com) - Audi, Porsche und Toyota liefern sich in diesem Jahr in der LMP1-H-Kategorie herbe Schlachten um Gesamtsiege in der WEC. 2015 will Nissan mit einem neuen Prototypen mitmischen, ein Jahr später soll ein ganz anderes Projekt realisiert sein: der myP1 des britischen Unternehmens Perrinn. Initiator Nicolas Perrin geht einen ganz außergewöhnlichen Weg. Sein Open-Source-Projekt ist auf perrinn.com komplett frei zugänglich. Über den Stand der Vorbereitungen berichtet Perrin im Interview.

Titel-Bild zur News: Nicolas Perrin

Nicolas Perrin tourt derzeit mit seinem LMP1-Modell durch Großbritannien Zoom

Frage: "Nicolas, du möchtest deinen Traum vom LMP1-Auto mit einem Open-Source-Projekt realisieren. Viele Fans halten das gleichermaßen für spannend und ein wenig verrückt. Muss man etwas verrückt sein, um so etwas anzugehen?"
Nicolas Perrin: "Ja, denke ich schon. Aber mit dieser Art bin ich jetzt schon einige Schritte vorangekommen. Wir haben neuerdings ein 'mock-up', also ein 1:1-Modell vom dem myP1, mit dem wir derzeit in Großbritannien auf Tour sind. Das Projekt wird greifbar und sichtbar."

Frage: "Aus welchem Material besteht dieses Modell? Wie habt ihr es gebaut?"
Perrin: "Wir haben Kunststoff in einer CNC-Maschine bearbeitet. Die Oberfläche ist mit Glasfaser beschichtet. Das ist eine gute Lösung. Diese Replika ist sehr stabil und gleichzeitig leicht. Es genügen vier Leute, um das Auto hochzuheben und auf den Anhänger zu verladen."

Frage: "Derzeit seid ihr erst einmal in Großbritannien auf Werbetour, wo auch dein Unternehmen Perrinn Ltd. beheimatet ist. Plant ihr auch Aktionen im deutschsprachigen Raum?"
Perrin: "Ja, auf jeden Fall. Einen Monat lang haben wir erst einmal zahlreiche Events in England, anschließend wollen wir auf den Kontinent wechseln. Dort sind die genauen Termine und Schauplätze noch nicht fixiert. Der Plan ist, dass wir nach Frankreich, Italien, in die Schweiz und nach Deutschland kommen."

Alle Daten und Pläne liegen offen

Frage: "Was sind innerhalb des gesamten Projektes die nächsten Schritte?"
Perrin: "Die Tour mit dem Modell ist erst einmal sehr wichtig, damit wir bekannt werden und mehr Interessenten gewinnen, die sich beteiligen möchten. Gleichzeitig haben wir jetzt unseren Server für die Öffentlichkeit geöffnet. Wir wollen auf unserer Webseite möglichst viele User begrüßen, sind vollkommen offen. Wir zeigen alles, was wir bisher gemacht haben. Das ist ein Kerngedanke des Projektes."

Frage: "Es gibt wirklich komplett freien Zugang zum Server. Dort liegen Fotos, Zeichnungen, Berechnungen und unter anderem CFD-Grafiken. Hast du keine Angst, dass jemand deine Arbeit einfach stiehlt?"
Perrin: "Nein. Als ich vor sechs Monaten begonnen habe, hatte ich mir vorher genau überlegt, was diese Offenheit für das Projekt bedeuten wird. Ich habe mir das gut überlegt und bin zu dem Entschluss gekommen, dass ich dieses Design allen frei zugänglich machen möchte. Natürlich können auch potenzielle Mitbewerber dort alles sehen. Aber ganz ehrlich: Wir haben unseren eigenen Weg, konzentrieren uns auf uns und spielen doch ohnehin nicht in der Liga der bisherigen LMP1-Teams."

Perrinn myP1

Stil voll geparkt: Der myP1 belegt noch keine Box an der Le-Mans-Rennstrecke Zoom

"Außerdem kommt hinzu, dass ich aus meiner langen Zeit in der Formel 1 weiß, dass sowieso alles viel komplizierter ist als man denkt. Nur weil ich irgendwo eine Idee sehe oder aufschnappe, werde ich niemals mein eigenes Konzept über den Haufen werfen. Und eines muss man auch bedenken: Sollte wirklich jemand irgendeine Lösung von uns kopieren, dann wäre das in allererster Linie ein großes Kompliment für unsere Arbeit. Ich sehe das alles nur positiv. So stellt es sich bislang dar."

Drei Millionen für Bau und Test, acht Millionen für Rennbetrieb

Frage: "In den kommenden Monaten geht es vor allem darum, das nötige Geld zusammenzubekommen, um das Auto tatsächlich bauen zu können. Wie viel Geld braucht ihr?"
Perrin: "Wir müssen das Auto nicht nur bauen. Mir ist vollkommen klar, dass wir ein komplettes Jahr zur Vorbereitung brauchen werden, bevor wir in den Wettbewerb gehen können. Wir brauchen sechs Monate zum Bau des Autos, danach kommen Testfahrten. Wir können nicht aus dem Stand sofort Rennen fahren. Es ist also klar, dass man uns nicht schon 2015 in der WEC und in Le Mans sehen wird."

"Ich war oft genug in Le Mans. Dieses Rennen ist viel zu groß, als dass man einfach mal ohne Vorbereitung dort fahren könnte. Es rechnet sich mit größter Wahrscheinlichkeit auch kommerziell nicht, wenn man dort unvorbereitet hingeht. Hinzu kommt, dass die Testphase für den Aufbau eines Einsatzteams sehr wichtig ist. Wir brauchen dieses eine Jahr, um wirklich mit gutem Gewissen und mit gut vorbereitetem Auto in die Rennen gehen zu können."

"Du hattest nach dem Budget gefragt: Wir planen mit einer Summe von drei Millionen Euro. So viel Geld brauchen wir, um das Auto bauen und ausreichend testen zu können. Nicht vergessen: Auch während der Testfahrten wird alles offen sein. Es gibt alle Daten, die Telemetrie, die Videos und den Funkverkehr für alle. Das wird bestimmt noch einmal mehr Interesse erzeugen. Für die erste Rennsaison brauchen wir dann noch einmal entsprechendes Budget."


Fotos: Modell des myP1 von Perrinn


Frage: "Drei Millionen Euro sind im Vergleich zu den Budgets der großen Werksteams natürlich herzlich wenig. Kommt ihr damit wirklich hin?"
Perrin: "Ja, das liegt in der Natur des Open-Source-Projektes. Wenn ich so etwas mache, dann sind die Kosten auf jeden Fall deutliche geringer. Wir bekommen viele technische Ideen und Hinweise von außen, brauchen im Projekt gar nicht so viele bezahlte Mitarbeiter - so einfach ist das. Das ganze Projekt ist so aufgebaut. Für eine WEC-Saison mit zwei Autos brauchen wir etwa acht Millionen Euro. Dann fahren wir auf dem Niveau der Werke. Bezüglich des Geldes brauchen wir nur einen Bruchteil dessen, was Audi, Porsche und Toyota einsetzen."

Formel-1-Antrieb im LMP1-Auto?

Frage: "Dein Projekt bezieht Fans mit ihren Ideen und Expertisen ein, du nutzt eine Form von Crowdfunding. Ist das die moderne Art, um im Motorsport etwas realisieren zu können?"
Perrin: "Kann man so sagen. Es hat bislang noch niemals jemand auf diese Art versucht. Wir sind die Ersten. Wir wollen es schaffen und beweisen, dass dieser Weg realistisch ist. Das Interesse ist derzeit so groß, sodass wir bald schon einen Fanshop auf der Internetseite haben werden."

Frage: "Ihr benötigt für den Betrieb des Autos einige technische Partner. Habt ihr einen Motor? Ein Hybridsystem?"
Perrin: "Nein, bisher nicht. Das Fahrzeug ist so ausgelegt, dass verschiedene Lösungen passen. Es geht bis hin zu einem aktuellen Formel-1-Antrieb. Der würde gut ins Auto passen. Abhängig vom Budget werden wir einen entsprechenden Motor wählen. Ein Formel-1-Antrieb ist vielleicht nicht die allererste Option, aber wer weiß? Die FIA würde eine solche Konstellation ganz gern sehen. Ein solcher Motor kann schnell auf die Langstrecke angepasst werden. In der Formel 1 muss solch ein Triebwerk auch ganz schön lange halten."

myP1

Alle Daten und Zeichungen werden offen als Download bereitgestellt Zoom

Frage: "Du sprichst immer von 'wir'. Wie viele Menschen arbeiten derzeit an dem Projekt?"
Perrin: "Im Moment bin ich ganz allein. In der Designphase waren natürlich einige Leute mehr an Bord, aber das waren Honorarkräfte und keine Angestellten. Wenn wir das Auto bauen, dann kommen natürlich wieder zahlreiche Leute hinzu. Bis dahin muss natürlich das Budget entsprechend vorhanden sein."