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  • 04.03.2015 15:51

  • von Roman Wittemeier

Mit Frontmotor auf die Langstrecke: Geht das gut?

Das Konzept des neuen Nissan GT-R LM Nismo für die WEC und Le Mans ist ungewöhnlich: Bietet der Frontmotor besondere Möglichkeiten?

(Motorsport-Total.com) - Die Rückkehr von Nissan in den Kampf um den Gesamtsieg bei den 24 Stunden von Le Mans erfolgt in der typischen Manier der japanischen Marke. In den vergangenen Jahren zeigte man sich mehrfach an der Sarthe - immer unter dem Motto: Hauptsache anders. 2012 sprang man kurzfristig als Partner des DeltaWing-Programms auf die Bühne, im vergangenen Jahr schickte man den - wahrscheinlich "zufällig" - sehr ähnlich aussehenden ZEOD an die Sarthe.

Titel-Bild zur News: Marc Gene, Olivier Pla

Marc Gene und Olivier Pla testen den Nissan GT-R Nismo derzeit in Sebring Zoom

Die beiden Auftritte mit den Rennraketen waren nicht von sportlichen Ambitionen geprägt, sondern es ging dem Team um Darren Cox schlichtweg um Aufmerksamkeit und Marketing. Kritiker sehen beim neuen Projekt GT-R LM Nismo ähnliche Züge. Das rote "Batmobile" ist anders als die LMP1-Fahrzeuge der direkten Gegner Audi, Porsche und Toyota. Das Nissan-Entwicklungsteam um Ben Bowlby (entwarf den DeltaWing!) setzt auf einen Frontmotor und Frontantrieb.

Bei allen anderen Prototypen ist die Antriebseinheit als Mittelmotor montiert. Die Hersteller werden sicherlich ihre Gründe dafür haben, nicht von der bewährten Bauform Achse-Fahrer-Motor-Achse abzurücken. Die erfahrenen Ingenieure von Audi, Porsche und Toyota bewerten das Nissan-Konzept unisono als "mutig und riskant" - hier und dort kann sich ein Techniker ein mitleidiges Lächeln dabei nicht verkneifen. Allen ist klar: Es geht Nissan wieder um Marketing, weniger um reinen motorsportlichen Wettbewerb.

Aus den Reihen der etablierten LMP1-Teams ist immer wieder zu hören, dass man "Nissan nicht unterschätzen" werde und gleichzeitig die Hoffnung habe, "dass sie gut mithalten können". Sonst, so ist zu hören, schade der Ansatz der Japaner womöglich der gesamten Glaubwürdigkeit der WEC. Kann ein Frontmotor-Konzept überhaupt funktionieren? Nissan-Werkspilot Michael Krumm zeigte sich im Interview mit 'Motorsport-Total.com' ebenso überzeugt, wie der amerikanische Fahrzeugentwickler Bob Riley.


Fotostrecke: Frontmotor-Autos: Vorgänger des Nissan

Riley war Anfang der 1980er-Jahre für die Entwicklung des Ford Mustang für die damalige GTP-Serie verantwortlich. "Ford wollte, dass es ein Frontmotor-Auto wird, weil sie damals gar keine Straßenfahrzeuge mit Heckmotor verkauft haben", schildert der Amerikaner gegenüber 'racer.com'. Es sei damals von Ford eine Entscheidung im Sinne des Marketings gewesen - so wie heutzutage die Marschroute von Nissan in der WEC und in Le Mans.

"Mir hat das damals gefallen, denn es gab kaum Restriktionen im Reglement. So konnten wir große Luftkanäle in den Unterboden einlassen", sagt Riley. Die zum Heck geführte Luft brachte erhebliche Wirkung. "Wir hatten so viel Abtrieb, dass die Fahrer kaum lenken konnten", lacht Riley. Der Ford Mustang hatte noch keine Servolenkung. "Nur Gary Pratt konnte das Ding lenken - und der hatte damals Arme wie Popeye." Man musste Löcher in den Unterboden schneiden, um den Abtrieb in erträglichen Rahmen zu bringen.

Ob auch Nissan an einem Übermaß an Abtrieb leiden wird, steht zu bezweifeln. Der 3,0-Liter-V6-Turbomotor von Cosworth an der Front ist zwar kompakt gebaut, aber alle Kühlsysteme sind seitlich angebracht und rauben somit den Platz für Luftdurchführungen. Außerdem sind die Elemente des Hybrids an der Front. Am Heck dürfte ausreichend Downforce zu generieren sein, aber genau dort braucht man sie nicht. Der Abtrieb sollte dort am größten sein, wo das Gewicht platziert ist - und das ist vorn.